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Christian Seltmann – Mit Detektiven lesen lernen

Der erste SPELL-Preisträger ist der Autor Christian Seltmann, dessen Bücher Spürnasen-Bande (2019) und Detektivgeschichten (2020) mit jeweils einem „Leseknirps des Monats“ ausgezeichnet wurden. Christian Seltmann gehört zu jenen Autor*innen, die sich mit sehr viel Engagement der Leseförderung und der Erstleseliteratur widmen. Beeindruckend sind seine rund 20 Bücher, die bei Arena erschienen sind und die Vielfalt des Autors Christian Seltmann dokumentieren. Uns haben seine sprachliche Gestaltung, sein Witz und sein Mut überzeugt, Kindern nicht nur Lesefutter zu geben, sondern sie literarästhetisch zu fordern. Seine manchmal minimalistisch anmutenden Sätze sprühen nur von Einfällen und auch intertextueller Verweise. Dabei gehören beide Bücher zur Lesestufe 1 – eine Stufe, die uns im Rückblick auf ein Jahr Leseknirpse oftmals Kopfzerbrechen bereitete; eben, weil das Verfassen von Erstlesebüchern scheinbar umso schwieriger ist, je jünger die Kinder sind. 

Christian Seltmann meistert aber gerade diese Lesestufe bravourös, denn er setzt spannende, altersgerechte Geschichten mit einem altersgerechten Konflikt in literarästhetischer Hinsicht zu einem kleinen sprachlich ausgefeilten Kunstwerk zusammen. Die für Mädchen und Jungen gleichermaßen interessanten Geschichten über Vampire, liebenswürdige Monster, Kommissare, Piratendrachen, Ritter etc. kulminieren mit einer ordentlichen Portion Humor und einem Text-Bild-Verhältnis, das zeigt: Die Bilder ergänzen sich, reichern den Text virtuos an und eröffnen dabei neue Deutungsspielräume. Darüber hinaus zeigt er mit seinen Büchern immer wieder, wie man mit auch mit wenig Schrifttext ganz viel Spannung erzeugen und eine aktionsreiche Geschichte konstruieren kann, die von spritzigen Dialogen und ganz viel äußerer Handlung lebt. Die Sätze sind meist kurz, dafür aber voller Energie und Liebe für die Sprachkunst. Er versteht es, einen wichtigen Spagat zu meistern: Die Kinder nicht überfordern, sie aber auch nicht zu unterfordern und ihnen auch einmal das eine oder andere Kompositum oder ungewöhnliche und/oder unbekannte Wort zuzumuten, was zu einer spielerischen Erweiterung des Wortschatzes beiträgt.

Und auch seine Aktionen im Bereich der Leseförderung – hervorgehoben sei hier jüngst das kontaktlose Lese-Motivations-Projekt Unser eigenes Buch – sowie seine Kommentare und sonstigen Äußerungen zur Erstlesebüchern zeigen immer wieder: Er hat als Autor sehr viel Spaß bei seiner Arbeit und nimmt das Schreiben für Leseanfänger*innen nicht nur Ernst, sondern weiß auch um deren besondere Herausforderungen. In einem Interview erzählt er uns jüngst: „Ich gehe an jedes Buch, aber besonders an Erstlesebücher, mit der Vorstellung heran, dass dieses Buch das allererste ist, das ein Kind selber liest. Und deshalb muss es für das Kind spannend und gewinnbringend, lustvoll sein, es zu lesen. Wir haben keinen Platz, keine Zeile und kein Wort zu verschwenden.“

Kinder lieben Detektiv- und Kriminalgeschichten. Daher verwundert es nicht, dass bereits zahlreiche spannende Erzählungen für Erstleser*innen existieren und ihnen menschliche und tierische Detektive vorstellen, die nicht nur Kriminalfälle lösen, sondern auch in der Tradition der ‚großen‘ Ermittler*innen wie Sherlock Holmes oder Inspektor Columbo stehen. Das Buch Detektivgeschichten für die Erstlesestufe 1 lässt sich narrativ und visuell ebenfalls in diese literarische Tradition einordnen. Im Mittelpunkt steht der Detektiv Ping, ein Pinguin, der in seinem Büro auf einen Fall wartet. Er muss geduldig sein, denn es passiert nicht viel in der Gegend, in der er lebt. Doch dann stürzt Karl, ein Kamel, ins Büro und beschwert sich, dass Süßigkeiten geklaut werden. Karl verdächtigt Ping, doch dieser ist unschuldig und macht sich schließlich auf die Suche nach dem Dieb und kommt schnell dem Rätsel auf die Spur. 

Seltmann bedient sich in seinem Erstlesebuch zahlreicher Alliterationen, was zu einer besseren Einprägsamkeit führen kann. Der Leseprozess in dieser Lesestufe ist noch nicht automatisiert und den Leser*innen helfen die Wiederholungen sowie die Alliterationen, sich die Wörter besser zu merken und so auch in das mentale Lexikon zu überführen. Dabei scheut sich Seltmann nicht, behutsam Komposita einzuführen wie „Bonbon-Papier“ oder „Gips-Abdruck“ (S. 25). Aber er nimmt nicht nur Wörter aus dem Alltag der Kinder auf, sondern auch ungewöhnliche. Geschickt und spielerisch erweitert er auf diese Weise den Wortschatz der Kinder, ohne diese zu unter- oder zu überfordern. Ungewöhnlich sind auch die längeren Kapitel, die sich über mehrere Seiten erstrecken und so bereits eine längere Handlung erzählen. Die Sätze jedoch sind kurz, die äußere Handlung dominiert und Dialoge lockern den Lesefluss auf. Auch das hilft den noch unerfahrenen Lesenden, der Geschichte zu folgen und diese auch zu erfassen. oftmals hören die Sinnabschnitte auf der Doppelseite mit einem Cliffhanger, was die Leser*innen motiviert, noch einen weiteren Abschnitt zu lesen. Im Layout folgt das Erstlesebuch dem Silbenprinzip. Auch das schult die phonologische Bewusstheit: Das Kind sieht das Wort bereits in Silben ‚zerlegt‘ und kann es zusammensetzen. Der Lesende identifiziert so nicht nur End- und Anfangslaute in einem gesprochenen Wort, sondern das gesamte Wort in seine lautlichen Bestandteile. Aber nicht nur in der sprachlichen Analyse ist Seltmann ein ungewöhnliches Erstlesebuch gelungen, das heraussticht. Auch inhaltlich überzeugt es: Ping wird als ein Ermittler eingeführt, der sehnsüchtig auf den ersten Fall wartet und sich langweilt. Als ein Kamel ihm um Hilfe bittet, nimmt er die Ermittlungen auf und kommt dem Dieb auf die Spur. Aber Seltmann bricht mit Erwartungen, denn die Lösungen des Falls ist überraschend. Das Ende dagegen entspricht wieder dem klassischen Erstlesebuch und macht neugierig auf mögliche weitere Fälle. 

Die kurzen Texte konzentrieren sich vor allem auf beschreibende Elemente, aber erst mit den Illustrationen der Künstlerin Maria Karipidou wird die Geschichte komplett. Die Bilder ergänzen und reichern den Text virtuos an und eröffnen neue Deutungsspielräume. Ping wird mit den typischen Accessoires wie Trenchcoat, Hut und Pfeife ausgestattet und ist somit als Detektiv erkennbar. Die Illustratorin bedient sich unterschiedlicher medialer Vorbilder und spielt geschickt mit dem Bild des Ermittlers. Auch die weiteren Tier- und Pflanzenfiguren werden mit menschlichen Accessoires und Verhaltensmustern ausgestattet. Damit weitet das Erstlesebuch das Feld des Anthropomorphismus auch auf die Pflanzenwelt und zeigt, dass nicht nur Animal studies, sondern auch Plant studies ein lohnenswertes Feld der Kinder- und Jugendliteraturforschung ab der Erstleseliteratur wären. Das Zusammenspiel zwischen Text und Illustrationen zeigt erneut, dass Bilder in der Erstleseliteratur nicht ausschließlich der Auflockerung dienen sollten. Vielmehr können sie zu weiteren Überlegungen über den Text anleiten und jenes aufgreifen, was der Text aufgrund der spezifischen Adressatengruppe etwas einschränken muss, nämlich die inneren Spannungen der Figuren. Geschickt greift die Illustratorin das auf, was der Text erzählt und reichert es an. Gleichzeitig lässt sie aber auch Leerstellen, sodass die Erstleser*innen die Geschichte lesen müssen. Auch die Lese- und Bilderrätsel dienen dem Textverständnis, ohne jedoch das literarische Lernen zu vernachlässigen. 

Christian Seltmann präsentiert eine rasante und eine turbulente Detektivgeschichte, die mit überraschenden Wendungen das noch junge Lesepublikum begeistern wird. Die Illustrationen harmonieren virtuos mit der Geschichte, reichern den Text gekonnt an und spielen mit tradierten Klischees des Kriminalromans. Rundum gelungen!

Die erfindungsreiche, witzige und unterhaltsam gestaltete Detektivgeschichte für Leseanfänger*innen der 1. Klasse (oder im Vorschulalter) hat der Kinderbuchautor Christian Seltmann geschrieben. Die farbenfrohen, raffinierten und detailreichen Bilder stammen indes von dem Illustrator Nikolai Renger. Das im Arena-Verlag erschienene Werk präsentiert sich als ein sehr liebevoll ausgestaltetes Erstlesebuch der Reihe Der Bücherbär: Mein ABC-Lesestart mit der typischen Bücherbär-Figur am Lesebändchen. Für die Kinder gibt es zu Beginn eine kleine bildliche Einführung in die Figuren der Geschichte und eine kurze Erläuterung von vier ‚schwierigen‘ Wörtern für absolute Leseanfänger. Dies ist insofern sinnvoll, als dass damit die Abc-Schützen v.a. die Schlüsselbegriffe schneller dechiffrieren können. Bei Leseneulingen erscheint dies besonders wichtig, denn die Motivation darf nicht vorschnell verlorengehen. Es sollte sich ohne Frustrationserfahrungen ein nachhaltiger Leseerfolg entwickeln, auf den die Kinder stolz sein können. Auch wenn Satzstruktur und Wortwahl sinnvollerweise sehr einfach gehalten sind, werden die Lesestarter*innen, die in ihrer literarischen Kompetenz häufig bereits viel fortgeschrittener sind, als es ihre reine Lesefertigkeit zulässt, nicht enttäuscht: Sie dürfen dem Kind-Hund-Schnüfflerduo mithelfen, dem Jungen Oskar auf die Schliche zu kommen, der behauptet, sein Fahrrad sei gestohlen worden. In Wirklichkeit aber wollte der Junge das Gerät bloß loswerden, weil er das gebrauchte Fahrrad seiner Schwester weiterbenutzen muss. 

Inhaltlich hebt sich die Geschichte insofern hervor, als dass sie sowohl eingängig als auch tiefsinnig zugleich ist und aufgrund der Identifikationsfiguren Oskar und Molly beide Geschlechter gleichermaßen anzusprechen verspricht. Gerade lustige und spannende Tiergeschichten (der Hund Bruno erinnert ein wenig an Sherlock Holmes) kommen, dies kann die empirische Lesesozialisationsforschung nachhaltig belegen, bei Mädchen und Jungen oftmals besonders gut an. Darüber hinaus können die Inhalte zur weitergehenden Reflexion über Probleme und Fragen im Kinderalltag anregen, was durchaus nicht jedes Erstlesebuch zu leisten vermag: Ist es schlimm, die gebrauchten aber noch funktionstüchtigen Spielzeuge und Fahrgeräte der Geschwister zu nutzen? Hätte sich Oskar tatsächlich mit dem Fahrrad blamiert? Wäre er sogar gemobbt worden? Und ist „blau“ tatsächlich eine Jungenfarbe und „rosa“ die Farbe der Mädchen? Vielleicht hätten sich ja auch einige Mädchen an der Farbe und dem Fahrradkorb gestört… Die Tiere haben jedenfalls kein Problem mit der Farbe und dem gebrauchten Gegenstand und sind sehr froh, ein eigenes Fahrrad zu besitzen. Damit auch Oskar am Ende glücklich wird, muss er selbst Engagement zeigen und lernen, dass man für neue Dinge etwas tun muss und dass sie Geld kosten.

In formaler Hinsicht ist v.a. die gelungene Text-Bild-Relation hervorzuheben. Die überzeugenden Bildergeschichten im Comic-Stil und die Sprechblasen erleichtern den Lesenden nicht nur den Übergang von den visuellen Codes zur ‚neuen‘ Schriftlichkeit, sondern sie sind untrennbar mit der Geschichte verwoben. Bild- und Textebene bedingen sich wechselseitig und treiben die Geschichte durch ihren jeweils eigenen Erzählmodus voran. Die bildliche Dimension geht über den Schrifttext weit hinaus, nimmt viel Raum ein und fordert die jungen Leser*innen zum Mitdenken bzw. zur genauen visuellen Beobachtung heraus. Deutlich wird dies insbesondere dann, wenn die Bilder weitaus mehr ‚verraten‘ oder andeuten als der reine Schrifttext und sich beide Ebenen sogar kontrapunktisch gegenüberstehen (vgl. S. 18). Damit wird gleichsam die visual literacy anregt und gefördert.

Es liegt mit der Spürnasen-Bande insgesamt ein gelungenes Buch für die 1. Lesestufe vor, welches veranschaulicht, dass ‚Einfachheit‘ nicht mit literarischer ‚Schlichtheit‘ gleichzusetzen ist und der Markt im Bereich der Erstleseliteratur literarästhetisch ambitionierte Text-Bild-Kombinationen zu bieten hat, die in ihrem Anspruch weit über die „Buchstaben und Leserätsel“ hinausgehen, die lediglich auf das reine Leseverständnis abzielen.