Buchcover Juwelendiebe im Highland Express

Eigentlich wollte der 11-jährige Henry noch etwas Zeit mit seinen Eltern verbringen, bevor sie sehr...

Rezensiert von Frank Münschke

Ein Kinderroman in bester Agatha-Christie-Manier: Der 11-jährige Henry wird in diesem rasanten Eisenbahn-Krimi eher ungewollt zum Detektiv – und mit ihm die kindlichen Leser*innen. Dabei überschlagen sich auf der allerletzten Fahrt des Highland Falcon die Ereignisse und Henry wächst über sich hinaus. Gleichzeitig überzeugt der Roman durch das historische und fantasievoll beschriebene Setting.

BuchtitelJuwelendiebe im Highland Express
AutorM. G. Leonard, Sam Sedgeman, übers. v. Tanja Ohlzen, illustr. v. Elisa Paganelli
GenreKrimi & Thrill
Lesealter10+
Umfang304 Seiten
VerlagKaribu
ISBN978-3961293896
Preis14,99 €
Erscheinungsjahr2024

Eigentlich wollte der 11-jährige Henry noch etwas Zeit mit seinen Eltern verbringen, bevor sie sehr bald – Henrys Mutter ist hochschwanger – zu viert sein werden. Doch jetzt muss er stattdessen drei Tage mit seinem etwas seltsamen Onkel Nad, der als Reisejournalist arbeitet, durch gefühlt ganz England fahren und das auch noch in einem sehr alten Zug – dem Highland Express. Dann erfährt Henry auch noch, dass außer ihm nur Erwachsene mitfahren, vor allem reiche und einflussreiche Menschen: eine Schauspielerin, das Kronprinzenpaar, Adelige, Unternehmer. 

Doch unerwarteterweise wird die Reise für Henry zu einem richtigen Abenteuer: Schon kurz nach dem Einstieg in den historischen Zug kommt es zu Diebstählen und als dann noch der sehr wertvolle Diamant des Kronprinzenpaars gestohlen wird, übernimmt Henry kurzerhand die Ermittlungsarbeit. Dabei wird er von einer blinden Passagierin unterstützt: Der gleichaltrigen und etwas frechen Lenny. Es überschlagen sich die Ereignisse, doch Henry und Lenny lassen sich nicht hinters Licht führen. 

Eine Leseprobe ist hier einzusehen. 

Juwelendiebe im Highland Express von Maya G. Leonhard und Sam Sedgeman ist ein Kinderkrimi in bester Agatha-Christie-Manier. Bereits der Titel ist eine Anspielung auf Christies Mord im Orient Express. Die Referenz ist also sehr groß, aber den Autor*innen gelingt es sehr überzeugend, Spannung aufzubauen und einen Krimiplot zu erzählen, der sehr abwechslungsreich ist und durchaus überraschende Wendungen offenbart. Typisch für eine Whodunit-Story gibt es eine große Zahl an Figuren und Verdächtigungen, daher müssen die kindlichen Rezipierenden sehr aufmerksam lesen. Das Gute ist allerdings: Die mitermittelnden kindlichen Leser*innen werden nicht zu sehr überfordert, sondern in entscheidenden Momenten an die Hand genommen. 


Auch auf der Figurenebene kann der Roman überzeugen, das betrifft vor allem die Zeichnung der beiden Hauptfiguren: Der elfjährige Henry ist der Protagonist des Krimis und er fungiert als Identifikationsfigur für kindliche Leser*innen. Zu Beginn ist seine Lust auf die Reise sehr überschaubar, doch das ändert sich sehr rasch: Henry widmet sich dem Fall, er wird mutiger, wächst über sich hinaus, steht für sich und andere ein. Das äußert sich zum Beispiel in der Szene, in der er todesmutig von außen in den Gepäckwagen des Zuges klettern muss, um Lenny zu befreien. Lenny ist ebenfalls eine sehr sympathisch gezeichnete Figur, durch ihre gewitzte Art ist sie die perfekte Partnerin für Henry. Gemeinsam sind sie ein unschlagbares Ermittler*innenduo. Einige erwachsene Figuren – etwa der steinreiche Industrielle Steven Pickle, der als Gegenspieler Henrys fungiert – sind hingegen etwas stereotyp gezeichnet, was im Kontext der Story und einhergehend mit Genre-Konventionen aber weniger problematisch ist.  


Zu Beginn der Erzählung dominieren auch einige beschreibende Elemente: Neben den Figuren wird vor allem das Setting ausführlich eingeführt. So liebevoll und kreativ der Highland Express gestaltet ist: Der Einstieg in den Roman könnte für kindliche Leser*innen ohne Hang zur Eisenbahnromantik allerdings auch zu etwas Langeweile führen, gerade wenn sie mit gewissen Genreerwartungen das Buch in die Hand genommen haben. Gleichzeitig sind aber auch bereits hier einige Krimi- und Spannungsmotive integriert und sobald der Zug losfährt, kommt die Handlung auch immer mehr ins Rollen – und später gibt es nur noch wenige Momente der Ruhe.  


Insgesamt ist Juwelendiebe im Highland Express ein fantasievoller und spannender Kinderkrimi, der die kindlichen Leser*innen mitnimmt in ein historisches Setting und auf vielen Ebenen dennoch den Puls der Zeit trifft. Für alle die nicht genug davon bekommen können: Der Roman ist der erste Band der Reihe „Abenteuer Express“ – der zweite Teil mit dem Titel Entführung im California Comet erscheint im August 2024.

Der Roman bietet sich einerseits als Privatlektüre an. Andererseits kann Juwelendiebe im Highland Express auch im schulischen Setting eingesetzt werden. Hier böte sich z.B. eine Fokussierung auf Genre-Merkmale sehr an, da sich der Roman stark an den Konventionen des Krimis bzw. spezifischer von Agatha-Christie-Krimis orientiert – mit z.B. Mord im Orient Express als Referenz.