Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Selbst ein aktiver Teil eines spannenden Buches zu sein, selbst hautnah am Geschehen teilzunehmen und Handlungen zu beeinflussen, ist sicherlich ein Wunsch vieler Leser*innen, welcher mit der Zauberakademie Siebenstern nun auch schon für die ganz jungen Lesenden erfahrbar wird. Sie selbst schlüpfen in die Rolle eines selbstgewählten magischen Alter Ego und dürfen bewaffnet mit Bleistift, Zauberschriftrolle und Orakeltafel den Fortgang der Geschichte und somit den weiteren Leseverlauf bestimmen. Kein neues Konzept des vorliegenden „Choose-your-own-adventure“-Abenteuers, aber gelungen umgesetzt. Das interaktive Mitspielen, das die individuellen Vorlieben und Entscheidungen des Lesenden einbezieht, baut somit von Beginn an eine hohe Lesemotivation auf und ermöglicht dadurch gleichzeitig ein besonders intensives Eintauchen in die von Hendrik Lambertus geschaffene magische Welt von Antana. 

Mädchen und Jungen gleichermaßen werden an diesem Werk Freude finden, denn die zentrale Figur ist man schließlich selbst. Doch dem nicht genug - darf man sich auch seine magische Begleitung selbst auswählen: Da sind das Zwergenmädchen Oldra, die bereits als Kind von Magie fasziniert ist, der Goblin Frattek mit den spitzen Ohren und der Drachling Zalgur mit Schuppenhaut und Flügeln auf dem Rücken. Sie werden treu an der Seite der lesenden Zauberschüler*innen sein und sie ihrerseits mit ihren besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten unterstützen. 

Dies ist also definitiv kein Buch, das man einfach von vorne bis hinten durchliest. Schier unbemerkt springt man in der Geschichte voran, ohne zu merken, wie weit man dabei bereits gekommen ist. Man blättert zwischen den Seiten, spielt, notiert, entscheidet und muss auch manches Rätsel entschlüsseln, um weiterzukommen. Unter Umständen vergisst man dabei sogar, dass man sich mit Hilfe des Lesens vorwärtsbewegt. Genau darin liegt das große Potenzial dieses Buches, nämlich auch weniger leseaffine Kinder für das Erleben und Erlesen dieses Abenteuers zu begeistern. Die oft sehr kurzen Kapitel (von teilweise sogar weniger als einer Seite) versprechen schnellen Leseerfolg und somit sowohl einen Fortschritt in der Handlung, als auch das Gefühl etwas geschafft zu haben, was durch das Weiterblättern in den folgenden Abschnitt auch haptisch für die Kinder erfahrbar wird. 

Auch das aufwändig und mystisch gestaltete Cover der Zauberakademie Siebenstern macht klar: Das ist nicht einfach „nur“ ein Buch. So scheinen die von Philipp Ach gezeichneten Charaktere eher einem Computergame entstiegen zu sein. Sie sind den Betrachter*innen zugewandt und laden diese regelrecht ein in die Geschichte hineinzukommen. Um ein Computerspiel handelt es sich hierbei freilich nicht, aber eben doch um ein „Game“, ein erstes mystisches Rollenspiel, auf das sich die jungen Mitspieler*innen mit dem Aufschlagen und Lesen der ersten Seiten einlassen, hoffentlich gefangen nehmen und zum Durchspielen / -lesen verführen lassen. 

Für Fantasy- und Zaubereifans mag das Durchleben dieses Abenteuers mit Sicherheit besonders reizvoll sein, doch auch alle anderen Leser*innen werden rasch in den Sog dieser magischen Welt hineingezogen. Denn Hendrik Lambertus versteht es, das Genre der Fantasybücher zu bedienen. Nach einer kurzen motivierenden Einführung zum richtigen Gebrauch des Buches entsteht sogleich in facettenreichen detaillierten und niemals langweiligen Schilderungen die magische Welt der Zauberakademie Siebenstern vor dem inneren Auge der jungen Leserschaft. 

Chronologisch verlaufen dabei nicht nur die spielerischen Anweisungen, die die Lesenden erhalten, sondern auch die abenteuerliche Geschichte, in der sie sich befinden, so dass Kinder der Altersgruppe 8+ keine Mühe haben werden, dem von Beginn an spannenden Handlungsverlauf zu folgen. Die kurzen Abschnitte bauen aufeinander auf und sind doch durch das Lösen eines Rätsels oder das Treffen einer Entscheidung in sich geschlossen, so dass eine Untergliederung in viele kleine Leseeinheiten für Leseanfänger*innen leicht möglich ist. 

Unterstützt wird die inhaltliche Orientierung durch viele typographische Besonderheiten, die nicht nur auflockern, sondern vor allem eine optische Unterstützung für die noch weniger geübten Leser*innen geben. So sind alle Anweisungen, die sich direkt an die jungen Zauberschüler*innen richten, in lila gedruckt und heben sich damit deutlich vom schwarz gedruckten Text der eigentlichen Handlung ab. Begriffe zum Sammeln von Fähigkeiten oder zum Finden von Entscheidungen sind ihrerseits in größerer Schrift gesetzt und wiederum farblich abgehoben, so dass auch ein wiederholtes Nachlesen von wichtigen Abschnitten leichtfällt und zentrale Schlüsselwörter direkt ins Auge stechen. Zahlreiche Farbillustrationen vertiefen das Vorstellungsvermögen, erleichtern das Verstehen dieser magischen Welt und verleihen dem Buch zusätzlich Faszination wie Struktur. 

Und wer schließlich alle Rätsel erfolgreich geknackt hat und sich schon in der Zauberakademie Siebenstern zu Hause fühlt, der darf sich entweder einfach ein zweites Mal mit einer neugewählten magischen Fähigkeit dem Abenteuer stellen oder sich ab September 2023 auf den zweiten Band freuen: Zauberakademie Siebenstern. Finde DEINEN magischen Tiergefährten.

Durch die gelungene Mischung aus fantastischem Abenteuer und interaktivem Rollenspiel dürfte es Hendrik Lambertus gelingen, nicht nur Fantasyfans vom Lesen seines neuen Buches zu überzeugen, sondern durch dessen spielerischen Charakter die Neugierde und Entdeckerfreude auch weniger leseaffiner Kinder zu wecken. Sind es doch nicht nur Lesefertigkeiten, die hier zum erfolgreichen Abschließen des Buches nötig sind, sondern vor allem auch Entscheidungsfreude, Wettkampfgeist und logisches Denken. Vielleicht kann es dieses spielerische Leseabenteuer schaffen, auch Nichtleser*innen nicht nur in die Zauberakademie Siebenstern, sondern sogar zukünftig in die fantastische Welt der Bücher zu entführen.  

Zauberakademie Siebenstern eignet sich auf Grund seines Konzepts des interaktiven Teilnehmens am Handlungsgeschehen und seiner individuellen Protagonist*innen – nämlich der Lesenden selbst - vor allem für die private Lektüre. Eine klar verständliche Einführung zu Beginn des Buches macht eine anschließende selbstständige Orientierung möglich. Doch auch für den Einsatz während freier Lesezeiten im schulischen Kontext ist es durch die kurzen Leseabschnitte hervorragend geeignet und nicht zuletzt wegen seiner optischen Anziehungskraft auch besonders für Lesekisten und Schülerbüchereien zu empfehlen. Auch die Leseplattform Antolin ermöglicht bereits die selbstständige Weiterarbeit mit der Zauberakademie Siebenstern. 

Die im Vorsatzpapier des Buches abgedruckten Hilfsmittel sind motivierend und machen die Kinder zu Akteuren: Die Orakeltafel fordert zum Mitspielen auf. Die Zauberschriftrolle ermöglicht den Kindern eine kreative Auseinandersetzung, indem diese ihren magischen Charakter skizzieren, zeichnen und beschreiben können, was zugleich für eine individuelle Präsentation des Buches als Leserolle, Lesekiste oder Plakat genutzt werden kann. Beide Utensilien stehen sinnvoller Weise über die Verlagsseite zum download bereit, was besonders nützlich ist, wenn das Buch in Schüler- oder Klassenbüchereien zum Einsatz kommt. 

Generell gleich mehrere Exemplare des Buches für schulische Einrichtungen anzuschaffen ist sicherlich empfehlenswert. Denn nur so kann auch der soziale Aspekt des Lesens durch rege Kommunikation beim gleichzeitigen Erleben des Abenteuers berücksichtigt werden. Denn dieses Buch bietet Diskussionsstoff, lädt zum Austausch über favorisierte magische Fähigkeiten und verschiedene Herangehensweisen ein oder sogar zum gemeinsamen Rätseln. Dadurch ermöglicht dieses Buch auch Kindern die Bühne, die sich weniger durch ihre Lesefertigkeit auszeichnen, dafür umso mehr durch Entscheidungsfreude, Kreativität oder logisches Denken. Beim gemeinsamen Eintauchen ins Leseabenteuer dürfen dann auch diese Kinder glänzen, Lesen als soziale Tätigkeit erfahren und so ganz unbemerkt zur Gruppe der Leser*innen dazugehören.