Buchcover Alldine & die Weltraumpiraten 1 - Nabelschau

Der Comicband besteht aus einzelnen kurzen Episoden, die jeweils einen ähnlichen Plot variieren. Der...

Rezensiert von Andreas Seidler

Ein origineller Comic aus Frankreich. Alldine und die Weltraumpiraten müssen das Universum vor den Übergriffen von Weltraumdiktator Supermuskelprotz bewahren. In kurzen Episoden kommt es zu haarsträubenden Auseinandersetzungen, die ebenso komisch wie actionreich sind. Präsentiert wird das mit viel Sprachwitz und besonderen Einfällen auch auf der zeichnerischen Ebene, die die Leser*innen in die Handlung einbeziehen und begeistern werden.

BuchtitelAlldine und die Weltraumpiraten 1 - Nabelschau
AutorEmmanuel Guibert, Mathieu Sapin, übers. v. Andreas Illmann
GenreComic & Graphic Novel
Lesealter8+
Umfang126 Seiten
VerlagSchaltzeit
ISBN9783-946972-61-7
Preis14,00 Euro
Erscheinungsjahr2022

Der Comicband besteht aus einzelnen kurzen Episoden, die jeweils einen ähnlichen Plot variieren. Der fiese Weltraumdiktator Supermuskelprotz und sein boshafter Assistent Dr. Knautsch drangsalieren und gängeln unschuldige Bewohner ihrer Galaxie und müssen von Alldine und ihren ebenso mutigen wie gewitzten Gefährten Lulu und Kapitän Jack Breitkreuz davon abgehalten werden. Die drei Helden sind dabei schlagfertig mit Worten, aber auch mit ihren Fäusten, um die tumben Bösewichte in ihre Schranken zu weisen. So etwa in der dem Band den Titel gebenden Episode „Nabelschau“, in der Supermuskelprotz Weltraumbewohner verhaften lässt, um sie zu seinem Vergnügen als Lottokugeln zu missbrauchen. Erst in letzter Sekunde kann Kapitän Jack rettend eingreifen und verhindern, dass Dr. Knautsch den Gefangenen die seinem Chef passenden Lottozahlen in den Bauch ritzt.

Eine Leseprobe kann eingesehen werden unter: www.schaltzeitverlag.de/kinderb%C3%BCcher/alldine/ 

 Alldine und die Weltraumpiraten ist eine Übertragung aus der französischen Comic-Reihe Sardine de l’espace, in der seit dem Jahr 2000 bereits 23 Alben erschienen sind. In Anbetracht der Qualität dieser Comics stellt sich die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis sie ins Deutsche übersetzt wurden. Der erste Band der deutschen Ausgabe stellt Episoden aus verschiedenen Alben der französischen Reihe zusammen. 

Die einzelnen Episoden verlaufen dabei jeweils nach vergleichbarer Dramaturgie. Die guten Weltraumpiraten Kapitän Jack, Lulu und Alldine bekämpfen den bösen Weltraumdiktator Supermuskelprotz und dessen Assistenten Dr. Knautsch. Sowohl die Helden der Geschichte als auch die Autoren sind dabei sehr einfallsreich, dieses Grundmuster der Handlung immer wieder auf originelle Weise zu variieren und die Guten über die Bösen triumphieren zu lassen. Dies geschieht in kurzen, ebenso actionreichen wie komischen Handlungseinheiten, die jeweils zehn Comicseiten umfassen und daher auch die Aufmerksamkeitsspanne von ungeübten Leseanfänger*innen nicht überfordern.

Die Übertragung der zahlreichen sprachspielerischen Elemente des Textes aus dem Französischen ins Deutsche ist dem Übersetzer Andreas Illmann kreativ gelungen.

Die Illustrationen von Mathieu Sapin greifen Stil und Motive von Superheldencomics auf und verbinden diese mit grotesken Elementen. Manche Panels sind so detailreich, dass sich auch ein längeres Verweilen mit dem Auge lohnt.

Der Comic thematisiert auf witzige Weise immer wieder auch die eigene Medialität. So beginnt bereits die erste Episode damit, dass die Seiten und damit auch die Reihenfolge der Ereignisse von Dr. Knautsch durcheinandergebracht wurden, weil die Bösewichte hoffen, auf diese Weise am Ende einmal als Sieger dazustehen. Auch die Lesenden werden in dieses Spiel mit der Materialität des Mediums eingebunden, wenn sie etwa durch die Figuren aufgefordert werden, das Buch zu wenden, um einen Sturz der Helden in die Tiefe umzukehren. Zu diesen metafiktionalen Sprüngen passt es auch, dass die Weltraumpiraten in der letzten Episode des Bandes im Arbeitszimmer ihres Autors Emmanuel Guibert landen und dabei dessen Gehirn vor der Überhitzung retten. Diese selbstreferentiellen und die Grenzen zwischen fiktionaler und realer Welt überschreitenden Spielereien sind witzig und originell, ohne dabei anstrengend oder angestrengt zu wirken. Aufgrund dieser Qualität werden sowohl kleine als auch große Leser*innen Spaß an dem Comic haben. 


Im Rahmen des Projekts boys & books ist zu erwähnen, dass es sich bei der dem Comic seinen Titel gebenden Figur Alldine um ein Mädchen handelt. Allerdings sind deren männliche Gefährten Kapitän Jack und Lulu bei den gemeinsamen Abenteuern mindestens gleichberechtigt. Die beiden kindlichen Figuren Alldine und Lulu sind in ihrem Aussehen und Verhalten kaum gendermäßig markiert. Auch auf die in der aktuellen Kinder- und Jugendliteratur so weit verbreitete simple Umkehrung der Geschlechterrollenklischees in starkes, toughes Mädchen und schwacher, sensibler Junge wird weitgehend verzichtet.


Gleichzeitig mit dem ersten Band von Alldine & die Weltraumpiraten ist auch Band 2, Energie der Galaxie, auf Deutsch erschienen. Da die französische Reihe noch mehr Material bietet, dürfen sich junge und ältere deutsche Leser*innen Hoffnung machen auf weitere Abenteuer von Alldine und den Weltraumpiraten.

Der Comic ist primär als motivierende Lektüre für freie Lesezeiten zu empfehlen. Die sprachspielerischen Elemente sowie die metafiktionalen Spiele mit dem Medium Comic geben aber durchaus genug Reflexionsanlass, um auch in an die Lektüre anschließenden Gesprächen oder Unterrichtseinheiten thematisiert zu werden. 

Der Comic kann auch gut in produktionsorientierten Verfahren im Deutsch- oder Kunstunterricht aufgegriffen werden. Es bietet sich dabei an, das Handlungsmuster der kurzen Episoden aufzugreifen und die Schüler*innen nach diesem Modell selbst erfundener Auseinandersetzungen zwischen den Weltraumpiraten und Supermuskelprotz in Comicform gestalten zu lassen.

Leser*innen, die an Alldine Gefallen finden, tun dies sicher ebenso an anderen Comics oder Graphic Novels, die dann auch längere Handlungszusammenhänge entfalten können. Auch die Lektüre anderer Erzählformate mit größerem Bildanteil, wie etwa Ozeanis, kann darauf aufbauen. Kinder, die Freude an der Interaktion mit der Erzählwelt und dem Erzählmedium haben, die in Alldine stellenweise gefordert ist, finden sicher gleichfalls Freude an Werken wie Das Kleine böse Buch, wo dieses interaktive Element noch stärker im Vordergrund steht.

Jenseits der Altersgruppe 8+ könnten die Originalalben der Reihe auch sinnvoll für den Französischunterricht in der Sekundarstufe genutzt werden.