Rezension von Andrej Kilian
Ashoka Mistry, genannt Ash, ist ein gewöhnlicher Junge aus London. Zusammen mit seiner jüngeren Schwester Lucky verbringt er zum ersten Mal die Ferien bei Verwandten in Indien. Sein Onkel Vik ist Archäologe und arbeitet für den zwielichtigen und reichen Geschäftsmann Lord Savage. Als Ash – scheinbar zufällig – eine uralte goldene Pfeilspitze entdeckt, sind ihm bald darauf Savages Diener auf den Fersen...
Buchtitel | Ash Mistry und der Dämonenfürst |
Autor | Sarwat Chadda (aus dem Englischen übersetzt von Nadine Mannchen) |
Genre | Fantasy |
Lesealter | 12+ |
Umfang | 382 Seiten |
Edition | 1. Aufl., Loewe-Verlag, Bindlach 2013 |
Verlag | Loewe-Verlag |
ISBN | 978-3-7855-7719-6 |
Preis | 14,95 € |
Ashoka Mistry, genannt Ash, ist ein gewöhnlicher Junge aus London. Zusammen mit seiner jüngeren Schwester Lucky verbringt er zum ersten Mal die Ferien bei Verwandten in Indien. Sein Onkel Vik ist Archäologe und arbeitet für den zwielichtigen und reichen Geschäftsmann Lord Savage. Als Ash – scheinbar zufällig – eine uralte goldene Pfeilspitze entdeckt, sind ihm bald darauf Savages Diener auf den Fersen. Sie töten Vik und dessen Frau. Später gelingt es ihnen, Ashs Schwester gefangen zu nehmen und ihm die Pfeilspitze zu entwenden.
Nach erkennt Ash, dass Savage die Pfeilspitze dazu nutzen will, den seit Jahrtausenden gefangenen Dämonenfürsten Ravana zu befreien, um sich von ihm ewige Jugend verleihen zu lassen. Unterstützt wird Savage von Rakshasas, dämonischen Mischwesen aus Mensch und Tier.
Unter Anleitung des alten Heiligen Rishi und mit Hilfe des geheimnisvollen Rakshasa-Mädchens Parvati versucht Ash, seinen Onkel zu rächen, seine Schwester zu befreien und die ganze Welt zu retten.
Inmitten der Wrackteile schlichen zwei Gestalten herum. Jackie und Mayar hatten den reglosen Alten von zwei Seiten eingekreist. Beide waren blutverschmiert und wirkten mitgenommen – zwar nicht ernsthaft verletzt, aber auf jeden Fall stimmte mit ihnen etwas nicht. Jackie pirschte sich auf Händen und Füßen an, ihr Gesicht war nun wesentlich länger und mit rotbraunen Haaren bedeckt. Ihr immer breiter werdendes Grinsen entblößte eine Reihe von geifernden Reißzähnen und ihre Arme hatten sich zu Vorderpfoten gewandelt, an denen mörderische gelbe Krallen saßen.
Mayar zog sein weißes Hemd aus, unter dem ein Oberkörper zum Vorschein kam, der von dicken grünen Schuppen bedeckt war. Breite Geschwülste wucherten an seinem schnauzenähnlichen Mund, in dem gebogene Krokodilzähne saßen. Auch er ließ sich auf alle viere hinunter, während sich ein breiter langer Schwanz durch seinen Hosenboden schob.
Ash spürte, wie ihm sein Picknick-Imbiss hochkam, doch er kämpfte die Übelkeit nieder und blinzelte in der Hoffnung, dass die Kreaturen beim zweiten Blick verschwunden wären und an ihre Stelle etwas Normales treten würde, etwas Fassbares. Doch so grotesk und widerlich es war, die zwei waren echt. Ash begann, panisch zu schnaufen und wich zurück, konnte den Blick jedoch nicht von den Monstern lassen. Monster.
Rakshasas.
(S. 105–106.)
Ash Mistrys Geschichte ist in den altindischen Ramayana-Epos eingebettet, Zu seinem Entsetzen erfährt der Held, dass die alten Mythen real und gegenwärtig sind, ohne dass die meisten Menschen auch nur etwas davon ahnen würden. Der Mythos und die indische Kultur bieten viel Stoff für einen phantasievollen Hintergrund der Handlung und die Gestaltung einer klassischen Heldenreise. Deren unerfahrener, aber sympathischer Protagonist wird unversehens mit einer gigantischen Aufgabe konfrontiert, die ihm immer wieder über den Kopf zu wachsen droht, die er jedoch letztlich mit Glück, Tapferkeit und der Hilfe seiner Gefährten besteht.
Ash ist 13, ein wenig pummelig und verwöhnt, eignet sich jedoch durch seine relativ allgemein gehaltene Darstellung für viele Jugendliche als Identifikationsfigur. Gefährliche Situationen und schreckliche Erlebnisse nimmt er nicht ungerührt hin, sondern er hat immer wieder mit Ängsten und Selbstzweifeln zu kämpfen. Allein der Gedanke an seine Schwester Lucky ist es, der Ash in Krisensituationen davon abhält, einfach aufzugeben. Nachdem Ash eine magische Pfeilspitze entdeckt hat, mehren sich die Hinweise darauf, dass Ash doch kein so normaler Junge ist, wie er und der Leser angenommen hatten. Trotz zahlreicher, rätselhafter kosmischen Zusammenhänge geht er jedoch nie in der Rolle des mythischen Helden auf; sondern widersetzt sich ihr nach Kräften. Mit dem dadurch entstehenden Konflikt zwischen schicksalhafter, überindividueller Verantwortung und den menschlichen Ängsten und Wünschen eines gewöhnlichen Dreizehnjährigen hat er durchgehend zu ringen. Da er auch über ernsthafte Themen wie Tod, Schicksal, Verantwortung oder ethnische Zugehörigkeit reflektiert, lädt die Lektüre den Leser ebenfalls zum Nachdenken ein.
Die Versuche des Autors, Ashs Reaktionen auf Ereignisse von kosmischen Ausmaßen glaubwürdig zu gestalten und hervorzuheben, dass es sich bei ihm trotz allem um einen ganz normalen Teenager handelt, wirken indes teilweise bemüht.
Der Mentor, der Ash anleitet und ihn mit seiner Aufgabe vertraut macht, ist ein Sadhu, ein Heiliger Mann, namens Rishi. Dieser verfügt über magische Kräfte und sorgt zu Beginn der Geschichte für Ashs Schutz und Ausbildung.
Neben Rishi steht Ash die Rakshasa Parvati zur Seite. Sie ist eine viele tausend Jahre alte Dämonin, die Ash jedoch in Gestalt eines gleichaltrigen Mädchens gegenübertritt und die sich nach Belieben in eine Schlange verwandeln kann. Diese Figur durchbricht das ansonsten vorherrschende Gut-Böse-Schema und kann daher von Ash lange nicht eingeschätzt werden, zumal sie ihm offenbart, dass der Dämonenfürst Ravana ihr Vater ist. Indem sie Ash aus brenzligen Situationen rettet, beweist sie ihm allerdings, dass sie auf seiner Seite steht. Seine anfängliche Skepsis wandelt sich in Respekt und Bewunderung. Zuletzt betrachtet er sich sogar als ihren Sidekick.
Die Gegenspieler, mit denen es Ash, Rishi und Parvati vorwiegend zu tun haben, sind die Rakshasas: Dämonenwesen aus der indischen Mythologie, die in menschlicher Gestalt auftreten können, vor allem im Kampf aber als monströse Mischwesen aus Mensch und Tier erscheinen. Sie unterstützen Lord Savage, weil sie sich eine Rückkehr ihres Herrschers Ravana erhoffen. Savage selbst wird als absolut böse und egoistisch dargestellt. Er agiert rücksichtslos und brutal. Während Ravana das Böse eher als eine Art unbewusste Naturgewalt verkörpert, steht Lord Savage für das menschlich Böse, das sich durch Brutalität, Kaltherzigkeit und Gerissenheit auszeichnet.
Aus der Konstellation dieser zuweilen etwas schematisch, aber sehr lebendig gezeichneten Hauptfiguren entwickelt sich die Heldengeschichte, in die Ash wie zufällig hineinstolpert. Die Gefahren, die er dabei durchstehen muss, zwingen ihn dazu, seine Ängste und Selbstzweifel zu überwinden.
Der Umfang von knapp 400 groß bedruckten Seiten, die einfache Syntax und der übersichtliche Plot stellen halbwegs geübte Leser vor keine größere Herausforderung. Wichtige Erkenntnisse des Helden werden immer explizit gemacht, auch an länger zurückliegende Ereignisse wird erinnert. Die Kapitel sind nicht länger als 20 Seiten und eignen sich so auch für gelegentliches kurzes Lesen. Bisweilen tauchen allerdings Wörter auf, die in der Alltagssprache nur selten verwendet werden und manchen jungen Lesern unbekannt sein könnten.
Der Autor Sawart Chadda spart nicht mit Gewaltdarstellungen. Die Schilderungen blutiger Kämpfe, furchterregender Monster, deren verstümmelter Opfer und ähnlicher Grausamkeiten verlangen von einem jungen Leser viel Nervenstärke, auch wenn die düstere Stimmung ab und an durch comic relief unterbrochen wird.
Eine zentrale Stellung nehmen die Schilderungen der Rakshasa-Monster und des Übergreifens der mythologischen auf die reale Welt ein. Wie die meisten Fantasy-Romane erfordert das Buch somit Leser, die bereit sind, sich ganz auf die phantastischen Voraussetzungen einzulassen und die nicht erwarten, dass Unmögliches plausibel gemacht wird.
Wie aus der Danksagung des Autors hervorgeht, ist die Heldengeschichte um Ash Mistry bewusst "knallhart" gehalten. Wer sich davon nicht abschrecken lässt und eine Vorliebe für effektreiche Actionszenen und phantasievolle Mythengestalten mitbringt, wird von diesem Abenteuer sicher gut unterhalten.