Buchcover Vom Mut des ersten Fisches, der das Wasser verlässt

Felix unterstützt seinen alleinerziehenden Vater, wo er nur kann: Der 16-Jährige schmeißt den...

Eine alte, verlassene Villa, in der es angeblich spukt. Zwei Jugendliche, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der 16-jährige Felix begegnet eines Tages der mysteriösen Lina, die von sich selbst behauptet, eine Hexe zu sein. Regelmäßig treffen sich die beiden, nicht nur, um die Geheimnisse der unheimlichen Villa zu ergründen, sondern auch, um die Gespenster in ihrem eigenen Leben zu vertreiben… 

BuchtitelVom Mut des ersten Fisches, der das Wasser verlässt
AutorAnne Hoffmann
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang240 Seiten
Edition1. Auflage
VerlagMagellan
ISBN978-3-7348-5082-0
Preis18,00 €
Erscheinungsjahr2024

Felix unterstützt seinen alleinerziehenden Vater, wo er nur kann: Der 16-Jährige schmeißt den kompletten Haushalt und kümmert sich liebevoll um seine kleine Schwester. So kommt es, dass Felix auch an Halloween auf Emma aufpassen muss. Gemeinsam gehen sie von Haus zu Haus, um möglichst viele Süßigkeiten zu ergattern. Schließlich gelangen sie zu einer alten, verlassenen Villa, in der es angeblich spukt. Dort trifft Felix auf eine Gruppe von Mitschülern, die in das unheimliche Anwesen einbrechen und auf Geisterjagd gehen möchten. Nachdem er seine Schwester nachhause gebracht hat, kehrt er zur Villa zurück und steigt mit den anderen in das berühmt berüchtigte Geisterhaus ein – in der Hoffnung, auf diesem Weg endlich Freundschaften schließen zu können. Felix traut sich als einziger auf den Dachboden der alten Villa, muss jedoch feststellen, dass er dort oben nicht alleine ist: Ein mysteriöses Mädchen mit bunten Haaren, das von sich selbst behauptet eine Hexe zu sein, hält sich auf dem Dachboden vor den anderen versteckt. Fasziniert von der geheimnisvollen Selina, die so ganz anders ist als er, zieht es Felix immer wieder zum Gruselhaus hin. Langsam entwickelt sich zwischen den beiden Jugendlichen eine Freundschaft und die Villa wird zu ihrem gemeinsamen Treffpunkt. Sie beschließen, das Geheimnis des alten Gebäudes zu lüften und die Spukgeschichten der Villa zu untersuchen. Dabei lernen sie auch sich selbst und einander immer besser kennen. 

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

„Manchmal fühle ich mich wie der erste Fisch, der je das Wasser verlassen hat. Die Welt um mich herum ist fremd und groß, und niemand ist da, der mir sagen kann, was ich jetzt tun soll.“ (S. 134) Mit diesen Worten umschreibt der Ich-Erzähler Felix seine Gefühlslage und gewährt den Leser*innen damit einen tiefen Einblick in seine Welt. Vom Mut des ersten Fisches, der das Wasser verlässt ist ein Roman über das Erwachsenwerden und handelt von einem Jugendlichen, der einen schlimmen Schicksalsschlag erleiden musste. Kurz nach der Geburt seiner Schwester verstirbt die Mutter und Felix muss schon früh lernen, Verantwortung zu übernehmen. In dieser Situation fühlt sich der 16-jährige Protagonist allein gelassen und überfordert. Die Einsamkeit erdrückt ihn und er wünscht sich nichts sehnlicher, als einen Freund oder eine Freundin zu haben. Eines Tages tritt Selina in sein Leben. Sie ist das genaue Gegenteil von Felix: selbstbewusst, unnahbar und schlagfertig. Sie sagt ihm direkt ihre Meinung und bringt ihn auf diese Weise dazu, über sein eigenes Leben nachzudenken. Mit der Zeit gelingt es Felix, seine Einsamkeit zu überwinden, und Selbstvertrauen zu entwickeln. 

In diesem Coming-of-Age Roman geht es um Identitätsfindung, Freundschaft, Einsamkeit, Selbstvertrauen und Verantwortung, also existentielle Themen und Probleme der Adoleszenz, die (nicht nur) für jugendlich-männliche Leser von besonderer Bedeutung sind. Die Autorin entwirft mit Felix einen glaubwürdigen und vielschichtigen Charakter, mit dem sich männliche Leser identifizieren können. Felix ist nicht nur der melancholisch-nachdenkliche Typ, sondern hat auch eine sehr humorvolle Seite und ist naturwissenschaftlich begabt. 

Der Roman richtet sich im Schreibstil, Vokabular und in der Syntax an eher fortgeschrittene Leser*innen, lässt sich aber insgesamt gesehen leicht und flüssig lesen. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Die Verwendung von Jugendsprache wirkt an keiner Stelle aufgesetzt und trägt zur Glaubwürdigkeit der jugendlichen Figuren bei. Gelungen ist auch die partielle Einbindung von Textnachrichten und Zeitungsartikeln. Diese ansprechend gestalteten Details stören den Lesefluss keineswegs und bringen Abwechslung in die Erzählung. 

Das Buchcover greift mit seinen gedeckten Farben die mystische, unheimliche Atmosphäre des Romans auf und stimmt auf diese Weise die Leser*innen auf die Erzählung ein. Gleichzeitig bleiben die dargestellten Motive (die Umrisse eines bedrohlich wirkenden Gebäudes im Hintergrund, eine nicht näher erkennbare sitzende Gestalt im Vordergrund) für unterschiedliche Deutungen offen, was das Interesse an der Erzählung weckt. 

Insgesamt ist Vom Mut des ersten Fisches, der das Wasser verlässt ein einfühlsamer wie auch unterhaltsamer Coming-of-Age Roman, der sich mit dem schwierigen Prozess der Identitätssuche und Selbstfindung auseinandersetzt und Lesende zum Nachdenken anregt. Die Figuren im Buch sind vielschichtig gestaltet und durchlaufen eine nachvollziehbare Entwicklung. Die im Roman behandelten Themen wie Freundschaft, Einsamkeit und Selbstvertrauen sind eingebettet in eine Rahmenhandlung, die zahlreiche Elemente und Motive aus der Grusel- und Horrorliteratur enthält, was darüber hinaus auch Leser*innen anspricht, die nicht primär an Coming-of-Age Literatur interessiert sind. 

Vom Mut des ersten Fisches, der das Wasser verlässt ist im Rahmen der Leseförderung vielseitig einsetzbar. Aufgrund seiner thematischen Ausrichtung (Fragen und Probleme, mit denen Jugendliche vertraut sind), seines Unterhaltungsfaktors (Humor, Grusel und Horror) sowie der authentischen Schreibweise (Jugendsprache, glaubhafte Dialoge, integrierte Textsorten wie Textnachrichten) eignet sich der Roman für die Privatlektüre. Aus den genannten Gründen sollte der Roman auch in keiner Klassen- oder Schulbücherei fehlen. Nicht zuletzt bietet sich das Buch auch für die intensivere Lektüre im Rahmen einer Unterrichtseinheit an. Mit einem männlichen Protagonisten sowie einem weiteren weiblichen Charakter bietet der Roman zwei Figuren mit Identifikationspotenzial sowohl für Jungen als auch Mädchen. Zudem enthält die Erzählung buchübergreifende Themenschwerpunkte (Identitätsbildung, Freundschaft, Einsamkeit etc.), die ausgehend von der Lektüre im Unterricht aufgegriffen werden können.