Buchcover Time Shifters: Ohne uns gibt es kein Morgen

„Zuerst bricht das Gewitter aus, dann explodiert die Bombe“ (S. 5). Mit diesem fulminanten ersten...

Rezensiert von Barbara Reidelshöfer

Was wäre, wenn man die Zeit zurückdrehen könnte? Und mit kleinen Eingriffen in der Vergangenheit große Katastrophen in der Gegenwart verhindert? Was, wenn es ausgebildete Spezialisten für solche gefährlichen Zeitreisen gäbe? Der spannende Science-Fiction Roman Time Shifters von Davide Morosinotto zeigt einen actionreichen Wettlauf gegen die Zeit mit einigen überraschenden Wendungen. 

BuchtitelTime Shifters: Ohne uns gibt es kein Morgen
AutorDavide Morosinotto, übers. v. Cornelia Panzacchi
GenreScience Fiction
Lesealter14+
Umfang407
Edition1
VerlagThienemann
ISBN978-3-522-20300-5
Preis17,00 €
Erscheinungsjahr2023

„Zuerst bricht das Gewitter aus, dann explodiert die Bombe“ (S. 5). Mit diesem fulminanten ersten Satz beginnt der Roman Time Shifters: Ohne uns gibt es kein Morgen. Als Lesende*r ist man sofort mitten im Chaos der verheerenden Katastrophe, die in Bologna alles bisher Dagewesene erschüttert und als sogenannte Stunde Null der Ausgangspunkt der Romanhandlung ist. Ohne Genaueres zu wissen, wechselt man im nächsten Kapitel sofort den Schauplatz und befindet sich in der Nähe von Prag, wo eine streng geheime militärische Einheit versucht, die Katastrophe mit einer einzigartigen Zeitreise-Technologie zu verhindern. Diese ermöglicht ausgebildeten Zeitreise-Agent*innen, maximal 24 Stunden in die Vergangenheit zu reisen, um so den Verlauf von unliebsamen Ereignissen zu beeinflussen. Micaela, eine erfahrene Zeitreise-Detektivin, wird mit der Aufgabe betraut, diese gefährlichen Missionen durchzuführen und die Explosion in Bologna zu verhindern. Doch trotz ihres Trainings und der genauen Vorbereitung scheitern ihre verschiedenen Einsätze immer wieder, die Zeit wird knapp und ihre physischen Möglichkeiten werden von Zeitreise zu Zeitreise schwächer. So droht die Situation außer Kontrolle zu geraten. Während Micaela weiter versucht, ihren Auftrag zu erfüllen, entwickelt sich in den verschiedenen Zeitfenstern vor der Katastrophe zeitgleich das Drama um Enrico und Ron, die anscheinend mit dem Schicksal des Bombenattentats eng verknüpft sind. Ist Enrico der Bombenleger? Oder warum verhält er sich so seltsam? Was ist sein Problem? Mit all diesen Fragen sieht sich Ron, der Mitschüler Enricos, konfrontiert. Das ungeplante Aufeinandertreffen mit Micaela und vor allem deren unerklärliches Verschwinden (in die Zukunft) lassen Ron erkennen, dass er aktiv handeln muss, um das Geschehen zu beeinflussen.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Der spannende Science-Fiction Roman des bekannten Kinder- und Jugendbuchautors Davide Morosinottos, der von Cornelia Panzacchi aus dem Italienischen übersetzt wurde, greift das bekannte Motiv der Zeitreise auf. Das Besondere ist aber, dass die Romanhandlung sehr dicht an unserer Gegenwart angesiedelt ist, sodass kein ausuferndes Worldbuilding vonnöten ist, sondern die jugendlichen Leser*innen sofort in die Geschichte eintauchen können. Ihre Spannung erhält sie durch die vielen Sciene-Fiction-Motive und die rasante, achronologische und mulitperspektivische Erzählweise, die für Leseunerfahrene durchaus herausfordernd sein dürfte. Immerhin werden diese bei ihrer Orientierung durch Kapitelüberschriften mit genauer Datums- und Uhrzeitenangabe und dem Bezugspunkt zur Stunde Null unterstützt. Auch die sehr kurzen Kapitel (im Durchschnitt ca. fünf Seiten) helfen leseschwachen Schüler*innen genauso wie die actionreiche Handlungsdichte, am Ball zu bleiben. Die vielen Zeitsprünge, die in den unterschiedlichen Kapiteln das Geschehen rund um den Explosionstag mit Rückblenden und Vorgriffen erzähltechnisch anspruchsvoll schildern, verstärken den Rätselcharakter des Romans, der die Lesemotivation positiv beinflussen dürfte. Wie der Protagonist Ron versteht man als Lesende*r teilweise die Welt nicht mehr, möchte aber unbedingt herausfinden, warum es denn nun zu der Explosion gekommen ist, warum sich Enrico so seltsam verhält und welche Rolle Ron eigentlich spielt. Hier legt Davide Morosinotto geschickt verschiedene (falsche) Fährten aus und setzt das Motiv der brüchigen und unsicheren Zeit erzähltechnisch geschickt um. 

Die Figurenzeichnung und -entwicklung leidet unter der puzzleartigen Komposition etwas. Gerade zu Beginn erscheinen Ron, Enrico und Micaela holzschnittartig. Die kurzen Sätze und eine eher distanziert wirkende Sprache führen dazu, dass man sich anfangs wenig mit den Figuren identifiziert, sondern vor allem durch die rasante Handlung gefesselt wird. Im Verlauf des Romans erhalten aber v.a. die männlichen Protagonisten mehr Raum und Tiefe, sodass auch Themen wie Freundschaft und Familie und die damit zusammenhängenden Gefühle von Liebe und Enttäuschung glaubhaft angesprochen werden. 

So kann der Roman durch seine puzzleartige Anordnung, einen überraschenden Plotwist und ein spannendes, gut umgesetztes Zeitreisemotiv überzeugen und dadurch vor allem auch Jungen und Mädchen ansprechen, die sich auf eine nicht linear erzählte Geschichte einlassen können und gerne beim Lesen mitdenken.


Time Shifters: Ohne uns gibt es kein Morgen ist eine ideale Freizeitlektüre für Jugendliche, die sich gerne auf spannende Gedankenexperimente einlassen, actionreiche Science-Fiction-Settings schätzen und Lust auf eine Geschichte haben, die sich erst nach und nach entfaltet und mit überraschenden Wendungen aufwartet. Da der Roman durch sein interessantes Thema, sein ansprechendes Cover und das bei Jugendlichen beliebte Genre auch lesedemotivierte Schüler*innen ansprechen dürfte, ist der Titel auch für (Schul- und Klassen-)Bibliotheken sowie alle offenen Leseformate wie Bookslams, Bookdates, analoge oder digitale Buchpräsentationen sowie Booktubes bzw. Booktoks geeignet.

Ebenfalls denkbar ist es, den Roman z. B. an (fächerübergreifenden) Projekttagen zu behandeln. Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit Physik (Zeit als physikalisches Phänomen) und/oder mit Religion und Ethik (philosophische Zeitkonzepte) an. Aber auch das Fach Kunst ließe sich bspw. mit Fragestellungen zum Aussehen der Zeitmaschine bzw. der Ausrüstung der Zeitagenten gewinnbringend einbinden. Da Zeitreisen in der Literaturgeschichte ein wiederkehrendes Motiv sind, ist auch eine unterrichtliche Sequenz mit Auszügen aus bekannten Zeitreiseromanen (wie z. B. H. G. Wells, Stanislaw Lem, Douglas Adams) oder ein differenziertes Leseprojekt mit unterschiedlichen Kinder- und Jugendbüchern (z. B. Kerstin Gier: Edelsteintrilogie, Eoin Colfer: Artemis Fowl) möglich.