Buchcover Der Basilisk – Die sagenhaften Abenteuer des Bastian Zekoff

Bastian, genannt Basti, und Johann (beide 10 und Freunde seit dem Kindergarten) spielen in den...

Rezensiert von Dominik Achtermeier

Erst bebt der Boden, dann fliehen Ratten aus dem Untergrund ins Tageslicht. Als die zehnjährigen Freunde Basti und Johann in der Schönlaterngasse von der bekannten Wiener Sage um den Basilisken erfahren, ahnen sie, wer oder besser was im Höhlenlabyrinth unter der Wiener Innenstadt spukt: Das 2000 Jahre alte Ungeheuer lebt! Spannung bis zur letzten Seite liefert Kleinszigs fantastischer Abenteuerroman für geübte Leser*innen mit starken Nerven.

BuchtitelDer Basilisk – Die sagenhaften Abenteuer des Bastian Zekoff
AutorBettina Kleinszig, illustr. v. Jürgen Blankenhagen
GenreAbenteuer
Fantastische Literatur
Lesealter10+
Umfang125 Seiten
VerlagG & G
ISBN978-3-7074-2550-5
Preis12,95 €
Erscheinungsjahr2023

Bastian, genannt Basti, und Johann (beide 10 und Freunde seit dem Kindergarten) spielen in den dunklen Kellern unter ihrem Wiener Wohnhaus Verstecken. Plötzlich nehmen sie die Hilferufe von Bastis älterer Schwester Therese (13) wahr, die in eine Grube gefallen ist. Die Kinder tauchen noch weiter in die Tiefen des labyrinthischen Kellers hinab, entdecken einen steinernen Bogen, unter dem sie hindurchrutschen, und finden sich auf einmal in einer unterirdischen römischen Villa wieder. Sie staunen nicht schlecht. Plötzlich beginnt der Boden unter ihren Füßen zu zittern, gefolgt von einem unter die Haut gehenden Poltern. Basti nimmt durch ein Fenster den Schwanz eines großen Tieres wahr und flüchtet mit den anderen zum Ausgang. Die beiden Jungen erzählen Bastis Urgroßvater von ihren Entdeckungen, auch den Geruch von verdorbenen Pilzen und Essig haben sie noch in der Nase. Der Urgroßvater ermahnt sie und verbietet ihnen, nochmals in den Keller zu gehen. In der Schönlaterngasse fällt Basti in einer Mauernische ein Denkmal auf, das an eine Geschichte erinnert, die sich im 13. Jahrhundert an diesem Ort zugetragen haben soll: Ein Mischwesen, halb Hahn, halb Schlange, haust in einem Brunnen und kann alle mit seinem Blick versteinern. (vgl. S. 52) Plötzlich strömt eine Meute von Ratten aus einem Kanalgitter in die Gasse. In den Medien wird von giftigen Stoffen im Abwasser berichtet, die die Ursache dafür sein könnten. Als auch noch Bastis Urgroßvater verschwindet, bleibt den Abenteurern keine andere Wahl: Die Kinder zieht es zurück in den Untergrund, wo sie den Urgroßvater, der fluchtartig seine Wohnung verlassen haben muss, vermuten. Nur knapp entwischen Basti, Johann und Therese in den Katakomben herunterstürzenden Steinmassen und Holzbalken, die den Ausgang verschütten. Die Kinder finden sich auf einem Platz mit weiteren antiken Häusern und einem Brunnen am Fuße eines Tempels wieder. Ist diese geheime Stadt ein Schutzwall gegen das Untier? In den unterirdischen Stollengängen einer natürlichen Höhle finden sich viele Spuren, die auf das sagenumwobene Wesen des Basilisken schließen lassen. Das überraschende Auftauchen des neugierigen Nachbarsmädchen Sahra auf einem Geröllhaufen weckt den Basilisken auf. Die Kinder fliehen vor dem Ungeheuer, das hinter ihnen her ist. Im Brunnen finden die Jungen kurzfristig Sicherheit. Die Mädchen hingegen kauern vor der unterirdischen Hauswand, als Basti und Johann spontan ein Ablenkungsmanöver starten. Sie lenken die Aufmerksamkeit des Basilisken mit Klopfgeräuschen und dem Ein- und Ausschalten der Taschenlampe auf sich. Das Untier blickt – angeleuchtet vom Licht der Taschenlampe – in die Tiefe des Brunnens hinab und versteinert vor dem eigenen Anblick seines Spiegelbilds auf der Wasseroberfläche. Sie haben das Monster besiegt. Am nächsten Tag liest der Vater in der Zeitung, dass man unterirdisch eine römische Stadt gefunden habe.

Der spannungsgeladene Kinderroman erweckt die alte Wiener Sage um den Basilisken, ein Mischwesen aus dem Ei eines Hahnes, das von einer Kröte oder Schlange im Mist ausgebrütet wird und dadurch den Kopf eines Hahns und den Körper einer Schlange besitzt, in unserer Gegenwart zum Leben und verwickelt Basti und Johann sowie die Lesenden selbst in ein spannendes Abenteuer im Untergrund.

Die männlichen Figuren Basti und Johann zeichnen sich durch ihre Abenteuerlust aus, wobei Johann von Bastis furchtloser Entdeckerlust, die er ebenso wie „die dunklen Augen, die hoch gelegenen Backenknocken und den athletischen Körperbau“ (S. 31) vom Urgroßvater geerbt zu haben scheint, motiviert wird, seine zurückhaltende Art zu überwinden. Neugierig sind auch die weiblichen Figuren, die durch Beschreibungen etwas stärker als die Jungenfiguren ausgestaltet sind. Therese, die ältere Schwester von Bastian, fungiert als von den Flausen der Jungen leicht genervte Teenagerin. Mal macht sie den Jungen Vorhaltungen, mal quengelt sie herum, dass sie hungrig sei, oder kreischt mit ihrer „schrillen Stimme“ (S. 67) um ihr Leben. Die ruppige Sahra hat mit ihren 12 Jahren bereits einen regelrechten Lebenswandel hinter sich. Als Judoka hat sie es bis „zur Landesmeisterin in ihrer Gewichtsklasse geschafft“ (S. 33), doch in jüngster Zeit hat sie den Sport gegen die Mode eingetauscht. Aus gendersensibler Sicht auffallend ist, dass der auktoriale Erzähler in den Beschreibungen des Nachbarsmädchen sehr stark mit der Sichtweise der Jungen sympathisiert, denen Sahra „das Leben schwer“ (ebd.) macht. Ein Beispiel: „Wenn Sahra durch das Stiegenhaus fegte, stank es so sehr danach, dass es einem den Atem verschlug.“ (ebd.) Sahra ist ein teilweise noch zu eindimensional angelegte Mädchenfigur, die, neugierig geworden durch das Treiben im Keller, selbst ins unterirdische Abenteuer stolpert und den Basilisken auf sich und die anderen Kinder aufmerksam macht.

In die Geschichte eingewoben sind Informationen über die Sagenwelt des Basilisken. Die Existenz des unheilbringenden Wesens ist erzähltechnisch geschickt geknüpft an die Geschichte des Großvaters, der aus Bulgarien nach Österreich immigriert ist und als junger Mann auf Expeditionen bis ins Himalaya-Gebirge war. Von seinen Erlebnissen zeugen nicht nur die Fotografien, die die Hauptfiguren in dessen Wohnung wahrnehmen, sondern auch die Geschichten, von denen er den wissbegierigen Jungen erzählt.

Der Roman ist in vielen Kapiteln mit ganz- oder doppelseitigen Illustrationen versehen, die in der Regel Handlungen, die kurz zuvor beschrieben wurden, wiedergibt. Der Stil der Illustrationen erinnert an Filzstift- oder Kreidezeichnungen, die aufgrund ihrer Reduzierung auf die Farben Orange, Schwarz und Weiß im Vergleich zur Gestaltung anderer Kinderbuchillustrationen zunächst ungewohnt erscheinen, jedoch sehr gut zu der Dunkelheit sowie den Räumen, die im Text beschrieben werden, passt. Das Cover ist wiederum farbig gestaltet und zieht die Leser*innen nur so in seinen Bann. Der Basilisk mit seiner schuppenartigen Haut windet sich im Dunkeln um die Säule einer römischen Stadt. Die Figuren Johann, Sahra und Therese (v.l.n.r.) schauen verängstigt umher. Um die Seitenzahlen herum windet sich der Schanz des Basilisken in Form einer Vignettentechnik, die visuell die Spannung zum Ausdruck bringt. Ausgestattet ist der Roman mit einem doppelseitigen Begriffslexikon im Anhang. Hierin finden die Lesenden „Namen und Begriffe, über die man nicht täglich stolpert“ (S. 124f.). Darunter mythologische Wesen und historische Figuren, wie der römische Gelehrte Plinius, auf die der Roman intertextuell verweist. Überhaupt machen die Anspielungen auf das Römische Reich Lust, sich mit der Geschichte der Römer vertieft zu beschäftigen. 

Sprachlich ist dem Text anhand einiger Bezeichnungen oder Redewendungen anzumerken, dass er von einer Österreicherin verfasst wurde. Begriffe wie „Buben“ (S. 31), „Steigenhaus“ (S. 33) oder „Mistkübelraum“ (S. 63) verleihen der Geschichte ihren besonderen Wiener Charme und schränkt das Verstehen in keinster Weise ein. Die Textgröße ist für Leser*innen mit geringen Leseerfahrungen leider zu klein geraten; der Flattersatz unterstützt hingegen das Lesen.

Zusammenfassend ist hervorzuheben, dass dieser Kinderroman mit 122 Seiten eine geeignete Textmenge hat, die Leser*innen mit Leseerfahrungen nicht überfordern dürfte. 


Fazit: Der Roman sucht seinesgleichen! Selten hat man eine solch fesselnde Abenteuergeschichte gelesen, die nicht nur lange im Kopf der Lesenden verhaftet bleibt, sondern kurzweilig eine alte Legende bei durchgängigem Spannungsbogen so modern und kindgerecht vermittelt. Die Lesenden können auf diese Weise nicht nur in die Erzählwelt abtauchen, sondern bekommen gleichzeitig Fakten über die Sagenwelt Wiens vermittelt. Vorwissen, z.B. über die Legende oder die Stadt Wien, ist nicht erforderlich, sondern wird in der einsträngige Erzählung vermittelt. Das Kinderbuch eignet sich für Leser*innen mit Leseerfahrungen, die für unterhaltsame Lesestunden in der Freizeit Abenteuergeschichten präferieren, die das Versprechen einlösen, von der ersten bis zur letzten Seite spannend und actionreich zu sein! 

Der Roman von Bettina Kleinszig erfüllt die wichtigsten Aspekte, die sich besonders männliche Leser von einem Roman wünschen: Actionreichtum, äußere Handlung, männliche Identifikationsfiguren und nicht zuletzt ein Abenteuer, welches durch ein fantastisches Setting den Wunsch nach Alltagsflucht erfüllen kann. Der Roman kann als Freizeitlektüre empfohlen, aber auch im Rahmen von Leseförderangeboten eingesetzt werden. Hierbei liegt es nahe, den intertextuellen Verweisen nachzugehen und die Wiener Sage nachzulesen. Der Roman macht Lust, den Handlungsort Wien aufzusuchen, aber auch andere Sagen aus der eigenen Region (wieder) zu entdecken. Auch bietet der Roman Anlässe, eine Sage um- oder neuzuschreiben!