Buchcover Super Fake Love Song

Sunny Dae hat sich in seinem Leben in der Außenseiterclique seiner Schule gut eingerichtet....

Rezensiert von PD Dr. Ines Heiser

Was tun, wenn das coolste Mädchen der Schule einen irrtümlich für einen Rockstar hält? Sunny Dae, eigentlich Nerd und Erfinder von technisch raffinierten Gadgets für Life-Rollenspiele, nimmt die Herausforderung an: Er überzeugt seine besten Freunde Milo und Jamal, mit ihm gemeinsam eine Heavy Metal-Band zu mimen, um so den Kontakt zu Cirrus zu vertiefen. Dumm nur, dass ausgerechnet jetzt eins ihrer Do-it-Yourself-Videos viral geht und sich so Sunnys verschiedene Identitäten zunehmend in die Quere kommen… Ein turbulenter Lesespaß, der zum Nachdenken über soziale Rollen und Identitäten anregt!

BuchtitelSuper Fake Love Song
AutorDavid Yoon, übers. v. Claudia Max
GenreHumor & Komik
Coming of Age
Lesealter14+
Umfang426 Seiten
Edition1. Auflage
Verlagcbj
ISBN978-3-570-16576-8
Preis16,00 Euro
Erscheinungsjahr2023

Sunny Dae hat sich in seinem Leben in der Außenseiterclique seiner Schule gut eingerichtet. Gemeinsam mit Milo und Jamal geht er beliebten Mitschüler*innen möglichst aus dem Weg, um nicht schikaniert zu werden. In ihrer Freizeit drehen sie DIY-Videos zu technischen Gimmicks, die in der Rollenspiel-Community durchaus Anklang finden. Doch dann hält Cirrus, die neu zugezogene Tochter von Bekannten seiner Eltern, Sunny aufgrund eines Missverständnisses für den Frontsänger einer Heavy Metal-Band und Sunny beschließt, das Spiel mitzuspielen. Dabei kann er zuerst auf die Unterstützung und Loyalität seiner Freunde zählen. Ihr improvisierter Plan, die Band nach einem einzigen Auftritt im inszenierten Streit aufzulösen, geht jedoch nicht auf: Die Lüge nimmt immer größeren Raum in Sunnys Leben ein, sie beeinflusst das soziale Gefüge in der Schule und schließlich entstehen immer größere Konflikte zwischen Sunnys eigentlichem und seinem erfundenen Leben. Ausgerechnet beim großen Auftritt der Immortals fliegt der Betrug schließlich auf. Das führt zur Trennung zwischen Cirrus und Sunny und zum Streit mit Milo und Jamal, aber auch dazu, dass Sunny sich darüber klar wird, was ihm wirklich wichtig ist. Die versöhnten Freunde bereiten gemeinsam einen zweiten, authentischen großen Auftritt vor, diesmal als DIY-Lifestream auf dem Kanal einer bekannten Videogrammerin und bei einer Rollenspielmesse kommt es schließlich auch zu einer positiv endenden Aussprache zwischen Sunny und Cirrus.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Auch wenn er vordergründig als turbulente Slapstick-Komödie mit einigen romantischen Elementen daherkommt, verhandelt Yoons Roman (wie schon sein sehr erfolgreiches Debut Frankly in Love) im Grunde ernste Themen. Sunny Dae hat zum Beginn der Romanhandlung zwar im Sozialgefüge der Schule eine Rolle gefunden, allerdings zeigt sich im Verlauf, dass diese weitgehend von außen zugeschrieben wurde und er damit eigentlich nicht zufrieden ist: Sunny erfüllt im Wesentlichen Erwartungen seiner Eltern, die trotz ihres großen beruflichen Erfolges befürchten, wegen ihrer koreanischen Wurzeln im neuen, arrivierten Umfeld nicht ernstgenommen zu werden. Sunny und sein älterer Bruder Gray reagieren auf den sozialen Aufstieg und die Verpflanzung in ein anderes Milieu unterschiedlich: Gray, indem er den charismatischen Rebellen gibt, der konfliktscheue und zurückhaltende Sunny, indem er neben seinem beliebten Bruder möglichst unsichtbar bleibt und sich in seine technischen Basteleien vertieft. 

Erst der Anstoß von außen lässt Sunny entdecken, dass er auch jemand anderes sein könnte. Zwar ist der Anlass für alle weiteren Entwicklungen zuerst der opportunistische Wunsch, mit der nicht absichtlich veranlassten Täuschung seine neue Bekanntschaft Cirrus zu beeindrucken – bald geht es Sunny aber um weit mehr als das: Er erkennt, dass er sich durch das auch von ihm selbst gepflegte Image des Nerds Beschränkungen auferlegt hat und macht sich auf den Weg, neue Seiten an sich selbst zu entdecken. Während der anschließenden Entwicklung wird zunehmend deutlich, dass Sunny nicht die einzige Person ist, die von Rollenerwartungen anderer eingeengt wird. So stellt sich beispielsweise heraus, dass der Sportler Gunner, der Sunny und seine Nerd-Kollegen häufig drangsaliert, seine Sportkarriere nur aus familiärem Druck verfolgt und heimlich Fantasy-Adventures schätzt.

Die besondere Stärke des Protagonisten liegt darin, dass er in beiden Entwicklungsstadien differenziert beleuchtet wird: Schon vor seiner Verwandlung in den vorgeblichen Bandleader hat Sunny zwar wenige, aber gute Freunde und ein Hobby, das ihn erfüllt und in dem er innerhalb seiner eigenen Community erfolgreich ist. Der Rollentausch ist insofern ein echter Tausch: keine ausschließlich positive ,Verbesserungʻ einer als besonders unangenehm empfundenen Lage. Entsprechend unternimmt Sunny einige Anstrengungen, um beiden Versionen seines Ichs gleichermaßen gerecht zu werden, und gerade die Kollisionen zwischen Rockstar- und Tech-Nerd-Identität erzeugen einiges an Situationskomik. 

Dabei zeichnet sich der Roman dadurch aus, dass er neben aller Komik zusätzlich recht spannend ist. Am Beginn der Lektüre fragt man sich schlicht, ob es Sunny gelingen kann, seine neue Identität Cirrus gegenüber erfolgreich aufrecht zu erhalten. Im Verlauf der Handlung wird die Täuschung allerdings zunehmend komplexer und so wird der Einsatz, um den es für Sunny geht, immer höher, bis schließlich die Gefahr besteht, nicht nur einen Flirt, sondern auch seine besten Freunde und vor der gesamten Schule das Gesicht zu verlieren.

Positiv zu bewerten ist ebenfalls, dass zwar ein komödientypisches Happyend angeboten wird, dieses aber nicht schnell und platt-schematisch, sondern erst nach einer verzögernden Reflexionsphase erfolgt: Auf Sunnys Enttarnung reagiert Cirrus zuerst mit einem Rückzug, da sie sich ihrer Gefühle für ihn unter den anderen Bedingungen nicht sicher ist. Sunnys große romantische Geste, bei der er nachts vor ihrem Fenster ein Lied für sie singt, läuft zunächst ins Leere, weil unerwarteterweise niemand zuhause ist und so nur eine ältliche Nachbarin Sunny für sein Talent lobt. Erst einige Zeit später erfolgt eine – nun echte und tiefgehende – Versöhnung der beiden: Cirrus, die sich inzwischen intensiv mit Sunnys Nerd-Seite befasst hat, sucht ihn auf einer Rollenspielmesse auf und signalisiert dort über ein selbst aufwändig erstelltes Kostüm mit technischen Effekten, dass sie an Sunny seine tatsächlichen Interessen, nicht nur sein falsches Image schätzt.

Für Personen, die mindestens ein mittleres Maß an Leseflüssigkeit mitbringen, ist der Roman also ein unterhaltsamer Spaß: Die Kapitel sind mit maximal 15 Seiten eher kurz und immer wieder durch Chat-Kommunikationen, die Wiedergabe von Plakatinhalten oder Songtexten u.ä. aufgelockert, ein Inhaltsverzeichnis am Beginn und die Untergliederung des Romans in fünf Teile erleichtern auch schwächer Lesenden die Orientierung. Das Zurechtfinden innerhalb der Handlung wird zusätzlich dadurch unterstützt, dass Yoon für Highschool-Erzählungen typische Elemente aufgreift, die aus anderen Romanen oder Filmen als bekannt vorauszusetzen sind, um sie schließlich leicht zu variieren. So besteht z.B. am Beginn die für das Genre klassische Konstellation, dass Gunner und dessen Sportkumpane sich einen Spaß daraus machen, Sunny und seine Freunde vor anderen schlecht dastehen zu lassen, während sich Gunnar später aktiv darum bemüht, in die Nerd-Clique aufgenommen zu werden und sich dort auch konstruktiv einbringt. Die zunächst bekannt erscheinende Struktur erhöht so gleichzeitig die Zugänglichkeit, während die vorgenommenen Abwandlungen zum Aufbau von Leseerfahrung und zur Unterhaltung beitragen. Positiv für den Aufbau von Lesemotivation ist außerdem, dass der Roman zwar einerseits sehr viele komische Szenen enthält, andererseits aber genauso durch die absurde Handlungskonstellation Spannung erzeugt.

Aufgrund der thematisch guten Zugänglichkeit und der leichten Erzählweise bietet sich Yoons Roman als Anschaffung für Bibliotheken und Schulbüchereien an. Er kann auch gut in eine Empfehlungsauswahl für Buchvorstellungen oder Bookslams aufgenommen werden oder in ein Angebot für freie Lesezeiten.

Soll stärker themenbezogen gearbeitet werden, so passt Super Fake Love Song in Projekte zu Themenbereichen wie Identitätsfindung, Selbst- und Fremdbild oder auch Freundschaft und Familie, da Sunnys Beziehung zu seinem älteren Bruder Gray und zu seinen Freunden Milo und Jamal ein breiter Raum in der Erzählung eingeräumt wird. Trotz des in dieser Hinsicht etwas irreführenden Titels ist eine Lektüre als Liebesroman dagegen weniger ergiebig – im Fokus steht hauptsächlich Sunnys Frage nach seiner eigenen Identität und danach, wer er für andere sein kann. Die Beziehung zu Cirrus bahnt sich dagegen erst an und ist als solche beinahe ein blindes Motiv – auch wenn der Roman mit einer Frage beginnt, die sich auf diese Thematik bezieht („Was ist das Peinlichste, was du je aus Liebe getan hast?“, S. 11).

Der Roman spricht sicherlich besonders Personen an, die das Genre der Nerd-Comedy mögen (prominent vertreten z.B. durch die Fernsehserie The Big Bang Theory), kann aber auch an Lesende empfohlen werden, die sich allgemein für Geschichten mit Highschool-Setting interessieren.