Rezension von Barbara Reidelshöfer
Ein japanischer Künstlerroman? Für Jungs? Aber ja: als Manga! Blue Giant Supreme zeigt die ersten Schritte Dais in München. Im Gepäck hat er zwar kein Wort Deutsch, dafür aber eine große musikalische Begabung, einen unerschütterlichen Willen und jede Menge Sehnsüchte, Träume und Fragen. In Japan der absolute Kassenschlager – kein Wunder, denn bei diesem Manga stimmt alles: eine packende Geschichte, sympathische Charaktere und genial gezeichnet!
Buchtitel | Blue Giant Supreme |
Autor | Shinichi Ishizuka |
Genre | Coming of Age Comic & Graphic Novel |
Lesealter | 14+ |
Umfang | 192 Seiten |
Verlag | Carlsen Manga |
ISBN | 978-3-551-78864-1 |
Preis | 8,00 € |
Dai, ein junger japanischer Saxophon-Spieler, bricht alleine nach München auf, um endlich ein Weltstar zu werden. Doch zunächst muss er überhaupt einmal Publikum generieren. Das ist nicht so einfach, in einer fremden Stadt und Kultur, die nicht gerade auf ihn gewartet hat. Ohne Sprach- und Ortskenntnisse versucht Dai, sich durchzuschlagen und endlich eine Aufführungsmöglichkeit zu finden: Doch alle Jazzbars, die er nach und nach abklappert, haben kein Interesse an ihm. Von seinen Musikkünsten, die er spontan auf der Straße zur Schau stellt, sind nicht alle begeistert. So erlebt Dai in den ersten Tagen, die doch mit hochfliegenden Träumen begonnen haben, auch etliche Enttäuschungen. Ob ihm in Deutschland überhaupt jemand eine Chance geben wird? Auf einmal lernt er Chris, einen Studenten kennen, der ihm Kost und Logis anbietet. Chris unterstützt den Musiker, wo er nur kann, und findet schließlich die langersehnte Bühne für den Auftritt. Aber wird zu seinem ersten Konzert überhaupt jemand kommen? Und werden die wenig begeisterungsfähigen Deutschen überhaupt seine Art der Musik verstehen? Kann Dai tatsächlich mit seiner Kunst überzeugen? Oder ist Dais unerschütterlicher Glaube an sich selbst letztlich doch nur Selbstüberschätzung? Diese Fragen beschäftigen einen als Leser*in sehr. Man hofft, dass das Unmögliche wahr werden wird und der junge Saxophonist berühmt wird. Dies geschieht zwar (noch) nicht im ersten Band, aber tatsächlich wird sein erster öffentlicher Auftritt nicht zuletzt dank Chris zum vollen Erfolg und Dai ist einen großen Schritt weiter auf seinem Weg als Künstler.
Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.
Mit Blue Giant Supreme liegt ein Manga vor, der vor allem Jugendliche ansprechen dürfte, die selbst ein Talent in sich tragen und davon träumen, dieses zu verwirklichen. Aber selbst wenn man kein begnadeter Künstler ist, unterhält einen diese Geschichte gut, denn es geht nicht nur um das Berühmtwerden, sondern vor allem auch um die Ankunft in einem fremden Land. Der Blick Dais auf Deutschland fokussiert mit kleinen, durchaus auch erheiternden Szenen die Kommunikationsprobleme ebenso wie typisch deutsche Verhaltensweisen. So gibt es kleine Anstöße, über sich selbst, die eigene Kultur und deren Wahrnehmung zu reflektieren. Unterhaltsam ist dieser Manga vor allem auch deswegen, weil er es schafft, Spannung ohne Action aufzubauen: Denn als Leser*in will man einfach wissen, wie es mit Dai weitergeht, ob er es tatsächlich schafft, der berühmteste Saxophonspieler der Welt zu werden und wie er die diversen Hindernisse aus dem Weg schafft. Lesespannung wird hier also weniger über Handlungsspannung und rasante, actionbetonte Wendungen erreicht, sondern über das Mitfiebern mit einem Protagonisten und das Erleben eines Lebensentwurfs. Denn die Träume und Sehnsüchte, die Dai in sich trägt, dürften jedem Jugendlichen bekannt sein, unabhängig davon, ob er*sie selbst ein Musikinstrument spielt oder nicht. Denn nach Anerkennung strebt jede*r und die Probleme, die dabei oft im Weg stehen, mögen bei Dai andere sein als bei einem*r deutschen Durchschnittsjugendlichen. Die Hilfe, die er von einem zunächst Fremden, dann aber Freund erhält, stehen für den universellen Wert von menschlicher Zuwendung und Freundschaft und zeigen deutlich, was fürs Berühmtwerden, aber vor allem fürs Leben wichtig ist .
Dass man an dieser Geschichte dennoch auch als Jugendlicher dranbleibt, liegt aber nicht nur an der Coming-of-Age Thematik und den sympathischen Protagonisten, sondern vor allem auch an den detailgetreuen und hervorragenden Zeichnungen. Diese werden Manga-Fans sicherlich zu würdigen wissen, aber sie erleichtern die Lektüre auch den Jugendlichen, die bisher noch nicht mit diesem Genre zu tun hatte und von der ungewohnten Leserichtung sich vielleicht überfordert fühlen. Hat man sich erst einmal daran gewöhnt, kennt man sich im Universum Dais sehr schnell und gut aus, denn dank der expressiven Zeichnungen weiß man ganz genau, wie es in seinem Inneren aussieht.
Mit Blue Giant Supreme liegt ein Manga vor, der Jugendliche, die sich auf Genre und Thema einlassen können, in seinen Bann ziehen wird. In Japan ist der Titel bereits ein absoluter Kassenschlager. Aber auch in Deutschland geht die Geschichte von Dai weiter: Band 2 und 3 sind bereits bei Carlsen Manga! erschienen und weitere sind in Planung. Und eines sei verraten: Es geht darin nicht nur um sein Saxophon!
Blue Giant Supreme ist für die offenen Leseförderung geeignet und sollte in einer gut sortierten Schul- bzw. öffentlichen Bibliothek nicht fehlen. Man kann sich den Manga auch sehr gut in einem Comic-Projekt der Mittel- und Oberstufe vorstellen. Sicherlich bietet er auch Potential, um fächerübergreifend (Musik-Kunst-Deutsch) eingesetzt zu werden. Auch ein innovatives didaktisches Unterrichtssetting zum Thema Künstlerroman vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart ließe sich mit diesem Manga umsetzen („Tonio Kröger meets Dai“).