Buchcover Jonathan Stroud: Die seufzende Wendeltreppe – Lockwood & Co

Seit einigen Jahrzehnten gibt es das Problem der Geister und es werden immer mehr. Nur entsprechend...

Rezension von Eva Maus

Seit einigen Jahrzehnten gibt es das Problem der Geister und es werden immer mehr. Nur entsprechend begabte Kinder und Jugendliche können die übersinnlichen Erscheinungen wahrnehmen und sich der Gefahr entgegenstellen. Zu ihnen gehört die junge Lucy, die in London einen Job bei der Agentur für übersinnliche Ermittlungen LOCKWOOD & CO findet. Anders als andere Agenturen arbeitet diese nicht mit erwachsenen Begleitern...

BuchtitelDie seufzende Wendeltreppe – Lockwood & Co 1
AutorJonathan Stroud (aus dem Englischen übersetzt von Katharina Orgaß, Gerald Jung)
GenreHorror & Grusel
Lesealter12+
Umfang432 Seiten
Edition1
VerlagCbj
ISBN978-3570156179
Preis18,99 €

Seit einigen Jahrzehnten gibt es das Problem der Geister und es werden immer mehr. Nur entsprechend begabte Kinder und Jugendliche können die übersinnlichen Erscheinungen wahrnehmen und sich der Gefahr entgegenstellen. Zu ihnen gehört die junge Lucy, die in London einen Job bei der Agentur für übersinnliche Ermittlungen LOCKWOOD & CO findet. Anders als andere Agenturen arbeitet diese nicht mit erwachsenen Begleitern. Die Jugendlichen George, Anthony Lockwood und Lucy nehmen es – bewaffnet mit Eisenketten, griechischem Feuer und Degen - auf eigene Faust mit den Geistern auf. Doch als sie ein Auftrag  in ein altes Haus führt, das sie von einer Erscheinung säubern sollen, unterläuft ihnen ein Fehler und das Haus brennt ab. Um die entstandenen Schulden zu bezahlen und um ihren angeschlagenen Ruf wieder herzustellen, haben sie keine andere Wahl als einen rätselhaften Auftrag anzunehmen, der nicht nur besonders gruselig, sondern auch überaus gefährlich ist.

Tatsächlich: Kaum hatte ich den Fuß auf die unterste Treppenstufe gesetzt, fing das Klopfen wieder an. Erst war es so leise wie zu Anfang. Tock – tock – tock, machte es, als würde jemand mit dem Knöchel gegen die Wand klopfen oder einen Nagel in ein Brett hämmern. Von Stufe zu Stufe wurde das Klopfen lauter. Das meldete ich auch Lockwood, der mir wie ein Schatten folgte.
„Kälter wird es auch,“ erwiderte er nur.
Tatsächlich sank die Temperatur mit jeder Treppenstufe, fiel erst von neun auf sieben und dann, auf halber Höhe der Treppe, auf sechs Grad. Ich blieb stehen und zog mit klammen Fingern den Reißverschluss meiner Jacke zu, den Blick unverwandt nach oben gerichtet. Am Ende der hohen, schmalen Treppe ballte sich die Finsternis. Ich verspürte den Drang, meine Taschenlampe anzuknipsen, beherrschte mich aber, weil mich das Licht nur geblendet hätte. Mit der Hand auf dem Degenknauf ging ich langsam weiter, dem anschwellenden Klopfen und der Eiseskälte entgegen.
Noch eine Stufe und noch eine. Tock – tock – tock! Das Klopfen hatte jetzt etwas Frenetisches, geradezu Wütendes. Sechs Grad, fünf Grad, dann nur noch vier.
Die Finsternis am Ende der Treppe war undurchdringlich. Die weißen Geländerstreben über mir glichen gebleckten Zähnen.
Ich hatte die letzte Stufe erklommen und stand oben…
… da hörte das Klopfen auf.
Das Thermometer zeigte immer noch vier Grad, elf Grad weniger als unten in der Küche, Bestimmte bildete mein Atem Wölkchen in der Luft.
Wir waren sehr nah dran.
Lockwood schob sich an mir vorbei. Er knipste kurz die Taschenlampe an und sondierte die Lage. Wie standen am Anfang eines Flurs. Tapezierte Wände, geschlossene Türen. Totenstelle. Ein Stickbild in einem breiten Rahmen. Verblasste Farben und in Schönschrift der Spruch: Trautes Heim, Glück allein. Ein Wandschmuck aus früheren Zeiten, als es daheim wirklich noch am schönsten und sichersten gewesen war und niemand auf die Idee gekommen wäre, über den Kinderbetten eiserne Amulette aufzuhängen. Vor dem Problem.
(S.26f.)

Die seufzende Wendeltreppe – Lockwood & Co überzeugt durch viel intelligente Spannung und einer gelungenen Balance zwischen Action und Grusel sowie den Darstellungen der sympathischen und interessanten Figuren. Ein Muss für Grusel-Fans und eine vielversprechende Einstiegs-Lektüre für alle, die sich an Fantasy sonst nicht herantrauen!

Woher die Geister kommen und warum sie seit Jahrzehnten die Menschen terrorisieren ist unbekannt. Viele andere Dinge dagegen sind bereits erforscht. Lucy unterrichtet den Leser über Gefährlichkeit und Gestalt der unterschiedlichen Erscheinungs-Typen, über die anzuwendenden Waffen und die richtigen Taktiken, um die eigene Angst in Schach zu halten. Auch die Geschichte der Geisterjäger-Agenturen und ihre berühmtesten Akteure und Erfindungen werden erwähnt. Damit wird das Fantastische fast realistisch und der Leser findet sich schnell in der detailreichen, gruseligen Realität des Buches zurecht. Dazu trägt zudem bei, dass  Lockwood, Lucy und George in einem London leben, das dem realen, heutigen London ähnelt, sich der neuen Gefahr jedoch angepasst hat: Geisterlampen und Schutzamulette sollen die Erscheinungen fern halten und der Alltag spielt sich ausschließlich im Tageslicht ab, wenn die Geister der Toten ruhen. Nur ausgebildete Kinder und Jugendliche streifen durch die nächtlichen Straßen – wie die junge Lucy, die Geister hören und sich in sie hineinfühlen kann. Doch auch ihr droht die tödliche Geistersieche, wenn es einer übersinnlichen Erscheinung gelingt, sie zu berühren.

Lockwood und seine Mitstreiter werden gebucht, um unliebsame Gäste in Garagen, Gärten und Häusern aufzuspüren und ihre Quellen unschädlich zu machen. Das ist manchmal schnell erledigt, manchmal aber auch höchst gefährlich,  knifflig und verlangt immer wieder kriminalistisches Geschick. Bei ihrer letzten Aufgabe im ersten Band der Reihe haben es die drei gleich mit einer ganzen Horde blutdurstiger Geister zu tun, die schon viele Menschenleben gefordert haben.

Neben diesen Aufgaben – die an  die der „Ghostbusters“ erinnern – plagen Lucy, George und Lockwood aber auch ganz weltliche Probleme. Sie leben gemeinsam in Lockwoods großem Haus und schlagen sich mit den üblichen WG-Streitigkeiten herum. Zudem haben sie mit finanziellen Sorgen und ihrer Auftragslage zu kämpfen. Und schließlich sind da noch Rivalitäten mit anderen Geisterjägern und die strenge BEBÜP (Behörde zur Erforschung und Bekämpfung Übersinnlicher Phänomene).

Die jungen Helden von Lockwood & Co sind fein gezeichnet. Anthony Lockwood ist ein etwas rätselhafter, aber sehr starker und sympathischer Charakter. Der übergewichtige George kann Lucy zwar nerven,  aber auch brillant recherchieren. Einen besonderen Reiz bietet das Buch, weil das Geschlecht der Ich-Erzählerin Lucy erst relativ spät thematisiert wird. Ihre Weiblichkeit spielt eine so geringe Rolle, dass die Tatsache einer weiblichen Protagonisten männliche Leser nicht abschrecken dürfte. Gemeinsam bilden sie ein unschlagbares, loyales Team. Ihre Jugend und ihre Unabhängigkeit von Erwachsenen stellt dabei eine große Stärke dar. Die Geisterjäger wachsen an ihren Aufgaben und in ihrer Gemeinschaft und behaupten sich gegen alle übersinnlichen und weltlichen Gefahren und Widerstände. Auch ihre ganz persönlichen Dämonen und Schuldgefühle kann Lucy so nach und nach besiegen.  In einigen Situationen werden ihre Abenteuer sehr spannend und gruselig. Da die übersinnliche Bedrohung aber in dem klar umrissenen Rahmen der Aufträge bleibt, sind die Schilderungen für junge Leser angemessen, ebenso wie die schöne Sprache des Autors.

Das Buch ist in fünf Einheiten unterteilt, die in sich chronologisch in mehreren Kapiteln  erzählt werden. Das Cover bleibt zwar schlicht gehalten, macht aber neugierig auf den Inhalt – und das zu Recht.

Das Buch bietet durch seine Spannung großes Potential für eine gelungene Lesemotivation und stellt eine Bereicherung für jede Klassenbibliothek o.ä. dar. Es ist für Viellese-Verfahren geeignet.

Gute Ideen für "Lockwood & Co" im Unterricht in Klasse 7-8: www.stiftunglesen.de/download.php