Buchcover Tommy Greenwald: Charlie Joe Jackson – Lesen verboten

Der etwa 13-jährige Mittelstufenschüler Charlie Joe Jackson ist ein notorischer Nicht-Leser und...

Rezension von Tanja Hattermann

Der etwa 13-jährige Mittelstufenschüler Charlie Joe Jackson ist ein notorischer Nicht-Leser und äußerst stolz auf seinen Ruf als Bücher-Hasser. Eine Übereinkunft mit seinem Freund Timmy ermöglicht es ihm, sich auch in der Schule erfolgreich vor dem Lesen zu drücken: Charlie Joe spendiert Timmy regelmäßig Süßigkeiten, im Gegenzug versorgt Timmy ihn mit Inhaltsangaben der zu lesenden Bücher. Als Timmy urplötzlich in den Streik tritt, hat Charlie Joe ein großes Problem und muss sich schnell etwas einfallen lassen...

BuchtitelCharlie Joe Jackson - Lesen verboten
AutorTommy Greenwald
GenreAnti-Helden & Schelme
Lesealter10+
Umfang239 Seiten
VerlagBaumhaus Verlag Köln, 2013
ISBN978-3-8339-0182-9
Preis12,99 €

Der etwa 13-jährige Mittelstufenschüler Charlie Joe Jackson ist ein notorischer Nicht-Leser und äußerst stolz auf seinen Ruf als Bücher-Hasser. Eine Übereinkunft mit seinem Freund Timmy ermöglicht es ihm, sich auch in der Schule erfolgreich vor dem Lesen zu drücken: Charlie Joe spendiert Timmy regelmäßig Süßigkeiten, im Gegenzug versorgt Timmy ihn mit Inhaltsangaben der zu lesenden Bücher. Als Timmy urplötzlich in den Streik tritt, hat Charlie Joe ein großes Problem und muss sich schnell etwas einfallen lassen. Sein Versuch, Timmy als Mitverschwörer zurückzugewinnen, endet jedoch in einem großen Schlamassel und der Schwindel fliegt auf. Charlie Joe wird mit Hausarrest, Bibliotheksbesuchen und Handyentzug bestraft, außerdem leidet er unter Liebeskummer und die Freundschaft mit Timmy ist in Gefahr. Doch da die Abschlussprüfungen näher rücken, heckt er bereits den nächsten raffinierten Plan aus. Im Zusammenhang mit einem soziologischen Experiment über Schul-Cliquen gelingt es ihm, Hannah, das Mädchen seiner Träume, mit dem Bücherwurm Jake zu verkuppeln. Der Clou: Im Tausch für eine Verabredung mit der überaus beliebten Hannah wird Jake die Bücher für Charlie Joes Referat lesen und zusammenfassen. Doch zu Charlie Joes Leidwesen verlieben sich Hannah und Jake tatsächlich ineinander und geben auch nach Ende des Experiments ein glückliches Paar ab. Selbst die Freude über sein triumphales Referat  währt nicht lange, denn während des Abschlussballs kommt die Wahrheit über den Lesen-gegen-Mädchen-Deal  ans Licht und Charlie Joe sitzt erneut in der Klemme. Er hat nun die Wahl, als Strafmaßnahme entweder zehn Bücher während der Sommerferien zu lesen oder selbst ein Buch zu schreiben.

Jake hatte Hannah vor zwei Tagen in der Mittagspause um ein Date gebeten, und es dauerte knapp acht Minuten, bis die ganze Schule es wusste. Man könnte sagen, dass die Reaktionen zwischen Schock und Ungläubigkeit lagen.
Hannahs Freunde waren schockiert, und Jakes Freunde waren einfach nur sprachlos vor Ehrfurcht.
Ihr erstes Date war auf Kellys Party. Ihr könnt euch die Reaktionen sicher vorstellen.
Sie knutschten nicht rum, aber sie machten etwas fast genauso Schockierendes. Sie redeten und lachten miteinander. Und während die anderen sie anstarrten, schien es, als könnten Jake und Hannah nicht aufhören, einander anzustarren.
Ich bemerkte, dass ich keinen der beiden jemals hatte so viel lachen und gleichzeitig reden sehen.
Ganz klar, dass ich bei diesem Anblick eher gemischte Gefühle hatte.
Einerseits war ich begeistert, dass mein Experiment so super funktionierte.
Andererseits war ich am Boden zerstört, dass mein Experiment so super funktionierte.
***
Allein schon der Gedanke, dass die Obercheerleaderin Hannah Spivero und der Oberbücherwurm Jake Katz zusammen auf einer Party abhingen, war mehr, als die meisten verkraften konnten.
Als sie jedoch auch noch anfingen zu tanzen, kam die Party zu einem abrupten Stillstand.
Zuerst hörten alle auf zu reden und starrten sie mit offenem Mund an. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Dann ging ein Raunen durch die Menge, eine Art aufgebrachtes Geflüster, überall hörte ich »Oh mein Gott« und Ähnliches.
Es war Kelly Dunns kleine Schwester, die mal wieder mit einem ihrer Spionageaufträge unterwegs war und mit genau dem herausplatzte, was jeder dachte.
»Heilige Scheiße! «, rief sie.
Und es war Teddy Spivero - Hannahs widerlicher, nerviger Zwillingsbruder - , der genau das ausplauderte, was ich dachte.
»Hey Jackson, was ist passiert? Die ganzen Jahre hechelst du schon hinter meiner Schwester her, und der kleine Jake Katz kriegt sie? Aber Kopf hoch, vielleicht bist du auch eines Tages dran! «
Er nahm einen tiefen Schluck von seinem Punsch. »Na ja, eines Tages im Jahr ZWEITAUSEND-UND-NIE! « Alle schmissen sich weg.
Sogar ich musste zugeben, dass der nicht schlecht war.

(S.162 ff.)

Charlie Joe weist zentrale Merkmale eines typischen Anti-Helden auf, er ist jedoch kein totaler Außenseiter. Denn er hat durchaus Freunde, die er allerdings durch seine riskanten Aktionen immer wieder verprellt. In seinem sozialen Umfeld ist er von Bücherfreunden umgeben, so dass er in Bezug auf seine negative Einstellung zum Lesen tatsächlich eine Außenseiterposition einnimmt. Charlie Joe ist faul, bequem (Lieblingsbeschäftigung: Nichtstun) und leichtsinnig, legt jedoch ein hohes Maß an Originalität und Beharrlichkeit an den Tag, wenn es darum geht, seine persönlichen Vorteile zu verteidigen. Dabei geht es ihm ausschließlich darum, seinen Status als stolzer Nicht-Leser aufrechtzuerhalten. Seine Handlungsmotive sind von Egoismus geprägt, Charlie Joe setzt sogar Freundschaften aufs Spiel und blamiert  – wenn auch versehentlich – seinen Freund Timmy vor der gesamten Schülerschaft. Bei dem Versuch, sich nach Timmys Streik weiterhin vor dem Lesen zu drücken, stolpert Charlie Joe von einem Missgeschick zum nächsten und merkt zu spät, dass seine auf den ersten Blick brillanten Ideen ihn in immer größere Schwierigkeiten bringen. Letzten Endes scheitern all seine Vorhaben kläglich.
Auch in Bezug auf Mädchen ist Charlie Joe alles andere als erfolgreich. Zwar prahlt er vor dem Leser damit, dass ihm dreißig Mädchen einfielen, mit denen er zum Abschlussball gehen könnte. Schlussendlich verbringt er den Abend jedoch mit seinen trotteligen Kameraden. Die arrogante Eliza, das hübscheste Mädchen der High School, ist angeblich in ihn verknallt, aber Charlie Joe hat nichts für sie übrig. Stattdessen ist er schon seit Jahren in die populäre Cheerleaderin Hannah verliebt, die ihn jedoch immer wieder abblitzen lässt. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet im Zuge des von Charlie Joe initiierten Experiments erobert der unscheinbare, strebsame Bücherwurm Jake tatsächlich Hannahs Herz.
In der Schule wird Charlie Joe von Teddy, Hannahs fiesem Zwillingsbruder, verhöhnt und auch die Erwartungen der Lehrer machen ihm zu schaffen.  
In der Familie fühlt Charlie Joe sich im Großen und Ganzen wohl, selbst wenn er sich regelmäßig mit den Bildungsambitionen seines Vaters sowie etlichen Strafmaßnahmen (Hausarrest, Küchendienst, Medienentzug) konfrontiert sieht. Eine wichtige Rolle spielt seine große Schwester Megan. Sie liebt Bücher und nur Dank ihrer Unterstützung kann Charlie Joe an seinem Vorhaben, das Lesen um jeden Preis zu vermeiden, zunächst festhalten. Eine weitere Helferfigur ist seine beste Freundin Katie, die für fast jedes Problem eine Lösung parat hat und Charlie Joe immer wieder aus der Patsche hilft.
Am Ende steht Charlie Joe als Loser da: Die „Liebe seines Lebens“ ist unerreichbarer denn je. Auch seine Tricksereien sind aufgeflogen, er erhält wieder einmal Hausarrest und muss die Sommerferien damit verbringen, ein Buch über das Nicht-Lesen zu schreiben.
Doch selbst im Angesicht dieser katastrophalen Niederlage verliert Charlie Joe nichts von seinem unerschütterlichen Optimismus und tüftelt bereits an neuen Strategien, um so wenig wie möglich zu lesen.

Es handelt sich um eine autobiographische Ich-Erzählung, die durch unzuverlässiges Erzählen gekennzeichnet ist. Rückblickend schildert Charlie Joe seine Nicht-Lesen-Erlebnisse des letzten Schuljahres und gibt zwischendurch detaillierte Tipps zum erfolgreichen Vermeiden von Lektüre. Gleich zu Beginn wendet sich der Ich-Erzähler direkt an den Leser, stellt  klar, dass es sich bei dem Buch um eine Anleitung zum Nicht-Lesen handelt und erklärt sich solidarisch mit allen widerwilligen Lesern.
Charlie Joes Sprachgestus ist durch Coolness geprägt, dadurch erscheint er selbstbewusst und großspurig. Der coole Sprachstil steht jedoch in einem krassen Widerspruch zu seinen zum Scheitern verurteilten Plänen und wirkt somit komisch.
Elemente der Situationskomik und comicartige, karikierende Illustrationen verstärken das Lesevergnügen. Die selbstironischen und teilweise satirischen Kommentare sowie die direkte Leseransprache sorgen dafür, dass der Leser von Anfang an Sympathie für Charlie Joe entwickelt und seine missglückten Aktionen mitfühlend begleitet. Dazu trägt auch bei, dass Charlie Joe durchaus über positive Charakterzüge verfügt. Denn als es hart auf hart kommt und Jake ihn durch eine Falschaussage decken will, wirft er all seine Prinzipien über Bord und sagt die Wahrheit. Er hat ein schlechtes Gewissen und schämt sich, weil er seine Eltern blamiert und seine wohlmeinende Lehrerin durch den Betrug enttäuscht hat.

Das Cover zeigt Charlie Joe hinter einem Bücherstapel, umrahmt von einem roten Verbotsschild. Besonders zu Beginn sind die Kapitel sehr kurz gehalten. Im Verlauf werden sie etwas länger, doch der Ich-Erzähler entschuldigt sich anschließend sofort beim Leser und gelobt Besserung. Die eingeflochtenen Tipps zum Nicht-Lesen sind auch optisch abgesetzt: Sie sind in einer anderen Schriftart abgedruckt und zeigen einen Schreibblock im Hintergrund. Die Schriftgröße und der in weiten Teilen umgangssprachlich geprägte Sprachstil erleichtern ungeübten Lesern die Lektüre.

„Charlie Joe Jackson – Lesen verboten“ ist besonders gut für das lustvolle Unterhaltungslesen geeignet, die Lektüre kann im Rahmen von Viellese-Verfahren auch Wenig-Leser zur Lektüre animieren.

Hier handelt  es sich um Band 1 einer Serie, die weiteren Bände sind:
Bd.2: Charlie Joe Jackson – Einschleimen erlaubt (2014)
Bd.3: Charlie Joe Jackson – Streber auf Zeit (2015)