Rezension von Eva Maus
Dass Joshua von zwei Jungen in der Schule schikaniert wird, ist noch sein kleinstes Problem, denn seine Eltern sind Superschurken und versuchen regelmäßig die Welt zu zerstören. Die Folgen sind häufige Identitäts- und Schulwechsel sowie absolut peinliche Begegnungen in bedrohlichen Untergangsszenarien. Ein Familienleben zwischen heimtückischen, botanischen Züchtungen, im Keller gehaltenen Zombies und lebensgefährlichen Erfindungen sind weitere unangenehme Nebeneffekte des Berufs seiner Eltern. Zudem entwickelt Joshua selbst eine schwer zu kontrollierende Superkraft...
Buchtitel | Joshua Shreck |
Autor | Lee Bacon (übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn) |
Genre | Fantasy |
Lesealter | 10+ |
Umfang | 272 Seiten |
Verlag | Fischer KJB |
ISBN | 978-3596855025 |
Preis | 12,99 € |
Dass Joshua von zwei Jungen in der Schule schikaniert wird, ist noch sein kleinstes Problem, denn seine Eltern sind Superschurken und versuchen regelmäßig die Welt zu zerstören. Die Folgen sind häufige Identitäts- und Schulwechsel sowie absolut peinliche Begegnungen in bedrohlichen Untergangsszenarien. Ein Familienleben zwischen heimtückischen, botanischen Züchtungen, im Keller gehaltenen Zombies und lebensgefährlichen Erfindungen sind weitere unangenehme Nebeneffekte des Berufs seiner Eltern. Zudem entwickelt Joshua selbst eine schwer zu kontrollierende Superkraft. Die neue, sympathische Mitschülerin Sophie entpuppt sich dann auch noch als Tochter des Superhelden Captain Saubermann - dem Erzrivalen seiner Eltern. Doch Sophie und Joshua entdecken bald, dass sie auf derselben Seite kämpfen. Als die Jugendlichen von mordlustigen Roboter-Raufbolden mit Feuerhintern verfolgt werden und rätselhafte Rauchwesen zahlreiche Superschurken – darunter auch Joshuas Eltern – entführen, versuchen sie gemeinsam mit Joshuas Freund Milton, die Anschläge aufzuklären und die Entführten zu retten. So stürzen sie sich in ein gefährliches Abenteuer mit einem übermächtigen Gegner.
„Während Sophie und Milton den Eingang sicherten, sprintete ich durch die Cafeteria. Direktor Sloanes Stimme dröhnte aus den Lautsprechern: „Zeugen haben berichtet, dass möglicherweise ein Zombie gesehen wurde. Alle Schüler und Lehrer werden aufgefordert, sofort die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.“
Wir hatten in den vergangenen Jahren ab und zu mal eine Zombie-Übung gehabt, aber jetzt war es für die Schüle zum ersten Mal Realität. Im Grunde genommen war die Übung nicht anders als die Tornado-Übung oder die Übung zum Thema „Schreck-Duo hat eine Sachlammlawine ausgelöst, die direkt auf uns zukommt“. Alle krochen unter ihre Tische. Und im Fall Zombies schaute der Lehrer nach, ob die Türen abgeschlossen waren.
Zwischen den Horden aufgescheuchter Schüler schlängelte ich mich im Eiltempo durch die Cafeteria. Die Küchenfrauen kauerten unter den Tischen. Eine schrie und hielt ihren Pfannenwender wie ein Schwert.
„Wenn du Nachschlag willst, musst du später noch mal wiederkommen!“ rief sie.
„Deshalb bin ich nicht hier.“ Ich schoss durch die hüfthohe Schwingtür, die in die Küche führte. „Ich brauchte – das hier!“
Ein großer Topf Überraschungsfleisch stand auf dem Herd. Nachdem ich mir zwei Topflappen geschnappt hatte, die auf dem Boden lagen, hob ich den Bottich an und trug ihn durch die Cafeteria zurück.
Als ich den Aufgang zum Schulhof erreichte, blieb ich für eine Sekunde stehen. Durch die Glasscheibe sah ich den Zombie, der wie ein hawaiianischer Cowboy mit Sinn für teuren Schmuck aussah. Er trug eine Holzbank auf den Schultern und torkelte auf eine Fensterreihe zu. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was wohl passieren würde, wenn er durchs Fenster in einen der Klassenräume eindrang.
Lee Bacon hat mit seinem ersten Buch eine herrlich witzige Parodie auf Superheldengeschichte geschrieben, in dem Helden und Schurken mit übermenschlichen Fähigkeiten zwar weiterhin Strumpfhosen, Masken und Capes tragen, aber zusätzlich Zielgruppen-Analysen und Image-Berater benötigen, Pressekonferenzen geben und spezielle Messen besuchen. Der Kapitalismus hat spürbar die Super-Gemeinde durchdrungen: Der dümmliche Superheld Captain Saubermann ist eher alberne Werbefigur für Feuer-Flakes, Rauchfleisch und diverser anderer Produkte als Retter und Helfer. Ein Firmenboss, der aus wirtschaftlichen Interessen handelt, wird als Oberschurke entlarvt. Auch die zweifelhafte Rolle der Medien wird thematisiert. Trotzdem kommt dieser Aspekt des actionreichen Romans weder zu didaktisch ambitioniert noch platt daher, sondern integriert sich nahtlos in die spannungsgeladene Handlung.
Dass Superhelden und –schurken, Zombies und fast-Weltuntergänge zum ganz normalen Alltag der dargestellten Welt – sogar im verschlafenen Sheepsdale – gehören, birgt genauso viel Komik wie die Tatsache, dass die Erwachsenen mit Superkräften alles andere als perfekt sind. Gemeinsam mit Joshua kann der Leser nicht einmal genau bestimmen, wer moralischer handelt: Der Superheld, der saftige Werbeeinnahmen einfährt und selbst in brenzligen Situationen seinen Narzissmus pflegt oder die Superschurken, die zwar die ganze Welt als Geisel nehmen und für ihren Sohn wenig Aufmerksamkeit übrig haben, aber den Protz von Captain Saubermann ablehnen und sich selbst als eine Art Revolutionäre sehen. Sie wollen die Großen und Mächtigen aus ihrer Selbstgerechtigkeit reißen und die Welt „rebooten“.
Doch neben dieser sehr unterhaltsamen Seite von Joshua Schreck hält das Buch auch jene Themen bereit, die eine klassische Superhelden-Geschichte ausmachen: Joshua schlägt sich mit dem Erwachsenwerden, Schulhierarchien und -gerüchten, seiner geheimen Identität und der komplizierten Beziehung zu Sophie herum. Er entdeckt seine Superkraft und arrangiert sich zögerlich mit seiner Rolle als mutiger Kämpfer. Nur widerwillig outet er sich gegenüber seinen Freunden als Schreck-Duo-Sohn. Trotzdem bleibt sein Freund Milton, der Captain Saubermann-Fan ist, ihm gegenüber loyal und Sophie folgt ihm sogar noch, als ihr Vater zum Hauptverdächtigen wird.
Nachdem Joshua bei der ersten Konfrontation mit den rätselhaften Rauchwesen noch gerettet werden muss und flieht, stellt er sich wenig später den Raufbolden mit Feuerhintern zum Kampf. Als seine Eltern entführt werden, nimmt er schließlich mit seinen Freunden die Verfolgung des Bösewichts auf. Nach dem finalen Kampf, den die Freunde gemeinsam gewinnen, kann er selbstbewusst und gestärkt in seinen Schulalltag zurückkehren.
Der etwas farblose, aber sympathische Protagonist eignet sich dabei hervorragend als Identifikationsfigur beim Hineinfinden in diese turbulente Welt. Die Kombination aus einfacher, chronologischer Handlung, umgangssprachlicher Erzählweise und viel schneller Action lädt auch solche Leser ein, die gewöhnlich eher Comics oder Actionfilme rezipieren. Auch die gelungene Ästhetik des Buchcovers lehnt sich an diese Formate an.
Insgesamt ist Joshua Schreck also ein sehr unterhaltsames Buch, das die Möglichkeit – nicht aber den Zwang – zum Weiterdenken bietet. Auch wenig lesegeübte Superhelden-Fans und alle, die Spaß an augenzwinkernder Action haben, werden dieses Buch lieben!
Durch die verschiedenen Ebenen auf denen das Buch gelesen werden kann, eignet sich Joshua Schreck gut für den Einsatz in der Leseförderung. Viel Action, einfache Jugendsprache und witzige Details sowie das Superhelden-Genre versprechen Lesemotivation auch für Leseschwächere. Gleichzeitig verbergen sich verschiedene Themen in der kurzweiligen Geschichte, die auch eine genauere Beschäftigung mit dem Text möglich und lohnenswert machen.