Buchcover Stephan Knösel: Jackpot. Wer träumt, verliert

Die Brüder Chris und Phil befinden sich in einer schwierigen Lage. Ihre Mutter ist gestorben, der...

Rezension von Andreas Seidler

Die Brüder Chris und Phil befinden sich in einer schwierigen Lage. Ihre Mutter ist gestorben, der Vater dem Alkohol verfallen und am Geld mangelt es vorne und hinten. Vor ihren Mitschülern versuchen sie noch, den sozialen Abstieg zu verheimlichen. In dieser Situation wird Chris Zeuge eines Unfalls, bei dem ein Wagen von der Autobahn abkommt und an einen Baum kracht. Im Auto findet Chris ein Mädchen und eine Tasche voller Geld.

BuchtitelJackpot. Wer träumt, verliert
AutorStephan Knösel
GenreKrimi & Thrill
Lesealter12+
Umfang268 Seiten
VerlagBeltz & Gelberg
ISBN978-3-407-81113-4
Preis13,95 €

Die Brüder Chris und Phil befinden sich in einer schwierigen Lage. Ihre Mutter ist gestorben, der Vater dem Alkohol verfallen und am Geld mangelt es vorne und hinten. Vor ihren Mitschülern versuchen sie noch, den sozialen Abstieg zu verheimlichen. In dieser Situation wird Chris Zeuge eines Unfalls, bei dem ein Wagen von der Autobahn abkommt und an einen Baum kracht. Im Auto findet Chris ein Mädchen und eine Tasche voller Geld. Diese unverhoffte Gelegenheit ergreift der Junge und nimmt die Tasche an sich. Danach ist aber nicht nur das Mädchen hinter ihm und seinem Bruder her, sondern auch die Polizei, eine Gruppe von Vorstadtschlägern und vor allem der brutale Verbrecher, der das Vermögen bei seiner Arbeit als Geldbote geraubt hat und nun vor nichts zurückschreckt, um es wieder zu erhalten. Daraus entwickelt sich ein spannender, actionreicher und letztendlich lebensgefährlicher Kampf um die Tasche, die mit vier Millionen Euro gefüllt ist.

„Es dämmerte bereits, doch das war Chris egal. Er lief jetzt auf einem noch schmaleren Trampelpfad parallel zur Autobahn, nur durch eine Böschung von der Fahrbahn getrennt. Er konnte nicht viel falsch machen. Er musste immer nur dem Weg folgen, und irgendwann würde ihn der Wald wieder ausspucken – und er würde am Rande eines der jetzt schneebedeckten Felder stehen. Von dort aus würde er die Mietshaussiedlung, in der sie wohnten, schon sehen können, zumindest die Lichter hinter den Fenstern.
Etwas unheimlich war es trotzdem in dem Wald. Aber auf eine angenehme Art. Wie wenn man vor jemandem davonläuft, und man weiß, man ist schneller. Dann passierte der Unfall.
Der Wagen kam rechter Hand von Chris von der Autobahn über die höher liegende Böschung, die ihn wie eine Sprungschanze in die Luft katapultierte. Für einen Augenblick schien der Wagen dort oben festgefroren: mit röhrendem Motor, als würde der Fahrer Gas geben, um tatsächlich zu fliegen.
Dann krachte der Wagen nur ein paar Schritte vor Chris gegen einen Baum – und zwar mit der linken Kühlerseite, sodass er sich noch einmal um die eigene Achse drehte, bevor er mit dem Heck an einen anderen Baum prallte.
Wieder schien der Wagen kurz in der Luft zu verharren. Die Bäume zitterten, und der Schnee, der sich oben in den Kronen gesammelt hatte, fiel auf ihn herab. Erst dann schien sich der Wagen selber wieder zu bewegen und landete mit zerberstender Windschutzscheibe auf den Waldboden, kurz nachfedernd – aber zu schwach, um noch mal abzuheben.
Chris hatte sich automatisch die Arme schützend vor den Kopf gehalten und war in die Knie gegangen. Jetzt starrte er, halb am Boden, auf das Autowrack ein paar Meter vor ihm, während sein Herz gegen seine Brust trommelte, als wollte es ausbrechen.“
(S. 12f.)

Spannend, actionreich und voller Wendungen ist "Jackpot", das zweite Jugendbuch des Autors Stephan Knösel, der bereits mit seinem Erstling "Echte Cowboys" einen Treffer bei Kritik und Publikum landete.
Im Zentrum des Geschehens steht dabei eine Gruppe Jugendlicher, die in den Kampf um die 4 Millionen Euro Beute aus einem Raubüberfall verwickelt werden. Dabei konkurrieren nicht nur verschiedene Jugendliche miteinander, sondern sie geraten auch in Konflikt mit dem Verbrecher und mit der ebenfalls nicht immer mit sauberen Methoden arbeitenden Polizei. Zwischen den verschiedenen Interessengruppen kommt es dabei zu mehrfach wechselnden Allianzen.
Während im traditionellen Jugendkrimi die Heranwachsenden meist als reine Vertreter der Gerechtigkeit in einer korrumpierten Welt der Erwachsenen ermitteln, geraten in "Jackpot" alle Beteiligten in Konflikt mit Recht und Moral. Gerade dadurch aber erscheint die Auseinandersetzung mit der Hoffnung auf das große Geld und der Frage, was man dafür zu tun bereit ist, glaubhaft.
Die Liste persönlicher und gesellschaftlicher Probleme, die der Autor seinen jugendlichen Protagonisten dabei auflädt, klingt zunächst einmal erdrückend: Eine bei einem Verkehrsunfall gestorbene Mutter, ein dem Alkohol verfallener Vater, sozialer Abstieg, das Leben in einer sozialen Brennpunktsiedlung, sexuelle Übergriffe durch Erwachsene, drohende Abschiebung. Das sind die Bürden, die Knösel auf die mehr oder weniger schmalen Schultern einer Handvoll Jugendlicher verteilt. Umso bemerkenswerter ist es, dass die spannende Geschichte unter dieser Problemlast nicht erstickt. Dafür ist der Wille der jugendlichen Protagonisten, sich selbst auch mit zweifelhaften Mitteln aus ihrer Lage zu befreien, zu stark, und die Gefahr, in die sie sich dabei bringen, zu groß.

Das Cover mit den drei angeschnittenen Fotografien jugendlicher Gesichter könnte auch als Filmplakat dienen. Nicht nur darin zeigt sich, dass das Buch sich an der Ästhetik des Films orientiert, um seinen Lesern und Leserinnen ein zeitgemäßes und faszinierendes Unterhaltungsangebot zu machen.
Das Ziel des Autors ist es offensichtlich, mit Jackpot ein Lesevergnügen auch für solche Heranwachsende zu bieten, die durch Tempo und Actionreichtum des Mediums Film sozialisiert sind. Dabei macht sich bemerkbar, dass Knösel hauptberuflich als Drehbuchautor arbeitet. Die Erzählung verläuft nicht streng chronologisch, sondern verwendet Vor- und Rückblenden. Die Orientierung der Leser wird dabei durch Datums- und Zeitangaben zu Beginn der Kapitel unterstützt. Knösel bedient sich einer schnörkellosen Sprache, ohne dabei zu versuchen in anbiedernder Weise einen Jugendslang zu imitieren.
Für ungeübte Leser ist das Buch mit knapp 270 Seiten recht umfangreich. Der Text wird aber durch Absätze mit doppelter Leerzeile, die ungefähr alle zwei bis sechs Seiten eingefügt sind, in überschaubare Einheiten gegliedert.
Das Buch mit der Altersempfehlung ab 13 Jahren stellt Gewalt drastisch dar und thematisiert Sexualität explizit. Auch hierbei will die Literatur offensichtlich dem nicht nachstehen, was andere Medien ihrem jugendlichen Publikum zumuten bzw. zutrauen.


"Jackpot" ist ein gelungenes Beispiel für zeitgemäße Jugendliteratur, die ihrem Zielpublikum den Reiz des Lesens auch unter den Bedingungen der Medienkonkurrenz erschließen will.

Für Vielleseverfahren geeignet