Buchcover Arno Strobel: Abgründig

Der sechzehnjährige Tim verbringt seine Ferien im Bergcamp Grainau. Dort lernt er neben der hübschen...

Rezension von Julia Fränkle-Cholewa

Der sechzehnjährige Tim verbringt seine Ferien im Bergcamp Grainau. Dort lernt er neben der hübschen Lena und dem verschwiegenen Denis auch den überheblichen Ralf kennen. Dieser ist bereits volljährig und überredet Tim und seine neuen Freunde zu einer heimlichen Bergtour...

BuchtitelAbgründig
AutorArno Strobel
GenreKrimi & Thrill
Lesealter14+
Umfang236 Seiten
VerlagLoewe Verlag
ISBN978-3-7855-7864-3
Preis9,95 €

Der sechzehnjährige Tim verbringt seine Ferien im Bergcamp Grainau. Dort lernt er neben der hübschen Lena und dem verschwiegenen Denis auch den überheblichen Ralf kennen. Dieser ist bereits volljährig und überredet Tim und seine neuen Freunde zu einer heimlichen Bergtour. Zu neunt machen sich die Jugendlichen früh am Morgen auf den Weg zu einer Hütte. Nachdem Ralf die Gruppe über einen gefährlichen Anstieg geführt hat, geraten die Freunde in ein gewaltiges Unwetter und kommen vom Weg ab. Völlig erschöpft suchen sie Zuflucht in einer Berghütte und verbringen dort die Nacht. Am nächsten Morgen jedoch ist Ralf spurlos verschwunden und an Tims Händen und Gesicht klebt getrocknetes Blut, er kann sich allerdings an nichts erinnern. Ein schrecklicher Gedanke steigt in Tim hoch: Als Kind war er ein Schlafwandler und hat im Schlaf seine Mutter und sich mit einem Küchenmesser verletzt. Als Tim seinen Freunden von seiner Vergangenheit erzählt, scheint für die meisten die Sache klar: Tim hat Ralf verletzt, wenn nicht sogar ermordet. Nur der ‚Freak‘ Denis hält zu Tim und sogar Lena, in die Tim sich verliebt hat, scheint Angst vor ihm zu haben. Die größte Angst jedoch hat Tim vor sich selbst.

Dann war da noch Julia, anders als Jenny hatte sie ihn offen angeblickt. In ihren Augen hatte deutliche Angst gestanden. Angst vor ihm? Er linste zu ihr und entdeckte die Angst sofort wieder.
Tim spürte Lenas Hand an seiner. Fassungslos beobachtete er, wie er sie abschüttelte. Es war, als gehörte seine Hand nicht zu ihm, als hätte sie ein Eigenleben entwickelt. Schnell bat er Lena mit einem Blick um Verzeihung. Er verstand selbst nicht, warum er das gerade getan hatte, und er fand auch keine Worte, es ihr zu erklären.
Immer lauter wurde die unschöne Ahnung in ihm. Schließlich hatte sie sich so weit in sein Bewusstsein gedrängt, dass sich passende Worte dazu formten. Worte, die sich nun zu Sätzen aneinanderreihten: Vielleicht hast du es getan. Du weißt, dass du dazu fähig bist. Du hast schon einmal jemanden verletzt. Im Schlaf. Und du weißt auch, dass du jetzt nichts mehr davon wüsstest, wenn du es heute Nacht wieder getan hättest.
Tim griff sich mit beiden Händen an den Kopf und drückte die Handballen fest gegen die Schläfen. Er hatte das Gefühl, bald durchzudrehen. Wie war er nur in diese Situation gekommen? Alles schien gegen ihn zu sein. Es war, als sei eine durchsichtige Wand durch die Hütte gezogen worden. Auf der einen Seite stand die Gruppe, auf der anderen Seite er, ausgestoßen, nicht mehr dazugehörig.
Mit lautem Donner schlug etwas gegen die Hüttenwand. Nur wenige zuckten dabei noch zusammen. Sie hatten sich in den letzten Stunden an diese Geräusche gewöhnt.
(S. 157f.)

Arno Strobel, der bisher für seine Psychothriller für Erwachsene bekannt war, gelingt mit Abgründig ein spannendes Jugendbuchdebut. Durch die Verknüpfung mehrerer Gefahren- und Konfliktsituationen entstehen immer wieder neue Spannungskurven. In einer Parallelhandlung erzählt Arno Strobel außerdem sensibel die Liebesgeschichte zwischen den Jugendlichen Tim und Lena.

Der Fokus der Erzählung liegt zwar auf Tim, seinen Gefühlen und Ängsten, doch auch die übrigen Figuren stellen interessante Charaktere dar. Dabei gehören die Figuren den verschiedensten gesellschaftlichen und sozialen Schichten an, was eine interessante Gruppendynamik zur Folge hat. Durch die Darstellung unterschiedlicher Charaktere, die lernen müssen miteinander auszukommen und sich gegenseitig zu helfen, nimmt das Buch Bezug auf die alltägliche Lebenswelt eines jeden Jugendlichen.

Die Bemühungen, das Verschwinden Ralfs aufzudecken, verwickeln die Jugendlichen stetig in neue und immer aggressiver ausgehandelte Konflikte. Innerhalb der Gruppe führen Misstrauen, Angst und gegenseitige Verdächtigungen schließlich zum dramatischen Höhepunkt der Geschichte: Tim wird in einen verdreckten, stinkenden Nebenraum eingesperrt, damit er für die übrigen Jugendlichen keine Gefahr mehr darstellt.

Der Titel Abgründig verweist zum Einen auf die Gefahren während der Bergtour, zum Anderen auf die inneren Abgründe eines Menschen, denn Tim ist sich im Laufe der Geschichte selbst nicht mehr sicher, ob er Ralf nicht doch etwas angetan haben könnte.

Aufgrund der wendungsreichen Beschreibungen der Gruppendynamik und der psychischen Dramatik geht Abgründig über eine einfache Kriminalgeschichte hinaus. Gedanken und Gefühle der Figuren werden anschaulich vermittelt, ohne dass die Geschichte sie über die spannungsreiche Handlung stellt. Arno Strobels Jugendbuchdebut garantiert Nervenkitzel bis zu den letzten Seiten, auf denen eine unerwartete Auflösung und ein hoffnungsvolles Ende geschildert werden.