Buchcover Conrad Mason: Die Dämonenwache – Kampf um Port Fayt

Der Koboldmischling Joseph Grubb lebt in Port Fayt, einer betriebsamen Hafenstadt, in der Menschen,...

Rezension von Lina-Sophie Raith

Der Koboldmischling Joseph Grubb lebt in Port Fayt, einer betriebsamen Hafenstadt, in der Menschen, Elfen, Trolle, Oger, Wichtel, Feen und andere Geschöpfe friedlich zusammenleben. Als Küchenjunge in der "Beinlosen Nixe", einer schmierigen Spelunke, ist er den Demütigungen seines Onkels ausgesetzt und träumt davon, aus der Taverne zu fliehen. Als ein betrunkener Schmugglerkapitän und ein rätselhaftes, in Samt eingewickeltes Päckchen in der "Beinlosen Nixe" auftauchen, erfüllt sich sein Wunsch schneller, als ihm zunächst lieb ist.

BuchtitelDie Dämonenwache – Kampf um Port Fayt
AutorConrad Mason
GenreFantasy
Lesealter12+
Umfang352 Seiten
EditionHardcover 2013 (1. Auflage)
VerlagRowohlt
ISBN978-3-499-21658-9
Preis16,99 € (Hardcover)

Der Koboldmischling Joseph Grubb lebt in Port Fayt, einer betriebsamen Hafenstadt, in der Menschen, Elfen, Trolle, Oger, Wichtel, Feen und andere Geschöpfe friedlich zusammenleben. Als Küchenjunge in der Beinlosen Nixe, einer schmierigen Spelunke, ist er den Demütigungen seines Onkels ausgesetzt und träumt davon, aus der Taverne zu fliehen. Als ein betrunkener Schmugglerkapitän und ein rätselhaftes, in Samt eingewickeltes Päckchen in der Beinlosen Nixe auftauchen, erfüllt sich sein Wunsch schneller, als ihm zunächst lieb ist: Er gerät in ein Abenteuer, das zwei Nummern zu groß für ihn scheint. Auf der Flucht vor mysteriösen Unbekannten und während er versucht, das Rätsel um das Päckchen zu lösen, schließt sich Joseph Grubb der berühmten Dämonenwache und dem blauhaarigen Mädchen Tabitha an. Gemeinsam müssen sie verhindern, dass das Päckchen in die falschen Hände gerät, und kämpfen dabei nicht nur mit übereifrigen Ordnungshütern, sondern auch mit einem erschöpften Gouverneur, einer abgrundtief bösen Hexe und am Ende sogar gegen ein leibhaftiges Seemonster.

Das Schicksal der gesamten Stadt liegt nun in den Händen des Jungen und der Dämonenwache – können sie Port Fayt vor dem Untergang bewahren?

KRRRRRABUMM!

Grubb wirbelte herum. 

Phineus Claggs Tisch lag umgekippt in einiger Entfernung von dort, wo er eben noch gestanden hatte. Der Kapitän selbst lag benommen daneben, den zerbrochenen Stuhl unter sich begraben und die Aale auf seinem ganzen Hemd verteilt.

Grubb stockte der Atem. Über dem Gestürzten ragte eine gewaltige Gestalt auf, die größer war als alle anderen in der Schänke. Ihr kahlgeschorener Kopf berührte die Decke. Der muskulöse Oberkörper war nackt und die dunkelbraune Haut mit verschlungenen schwarzen Tätowierungen bedeckt. In der Faust hielt der Oger einen riesigen Säbel.

„Überraschung!“, sagte der Oger.

Die Klinge des Säbels schwebte nur wenige Zentimeter über Claggs Nacken.

In der Beinlosen Nixe war es ganz still geworden. Oger waren nicht gerade alltäglich, nicht einmal in Port Fayt, und Grubb selbst hatte noch nie einen gesehen, der so groß war wie dieser.

„Captain Phineus Clagg, wenn ich mich nicht irre“, sagte der Oger. Er sprach mit einem harten, fremden Akzent, den Grubb nicht wiedererkannte. „Du kommst mit mir.“

„Na, na“, sagte Phineus Clagg vom Boden aus. Seine Augen huschten durch den Raum und suchten nach einer Möglichkeit zur Flucht. „Wenn das nicht mein, äh… guter alter Freund Tuck ist. Hör mal, Kumpel, ich bin zufällig gerade beim Essen, es ist also nicht unbedingt das, was man einen passenden Zeitpunkt nennen würde.“

„Keine Sorge“, sagte Tuck. „Da, wo du hingehst, gibt’s jede Menge Aale.“

„Und wo ist das?“, fragte Clagg, dessen Miene sich ein wenig aufhellte.

„Auf’m Meeresboden.“

Der Oger gluckste – mit einem kehligen, dröhnenden Laut, der mehrere Gäste zusammenfahren ließ.

(Die Dämonenwache, S. 17 f.)

Eine alte Frau blickt auf die Kulisse einer Stadt, auf die ein Unwetter herniedergeht. „Port Fayt. Wie sehr sie diese Stadt hasst. Bald wird es damit vorbei sein – endlich.“ (S. 8)

So beginnt das erste Kinderbuch des Briten Conrad Mason, ein phantastisches Abenteuer um das Schicksal von Port Fayt. Diese ersten Worte versprechen eine hochgradig spannende Geschichte, in der es um das ganz große Unheil geht. Und nicht nur der Prolog schafft Neugierde: Beim Aufschlagen des Buches fällt einem eine Landkarte des phantastischen Reiches in die Hände, das die Heimat der menschlichen und phantastischen Protagonisten darstellt. Diese Karte, typisch für das Abenteuer-Genre, ist mit Piratenschiffen und magischen Wesen versehen und gibt so bereits einen Einblick in das, was kommt: eine Geschichte, in der das Phantastische die Normalität darstellt und in der ein schmächtiger Mischlingsjunge den Untergang einer ganzen Stadt verhindern kann. 

In wechselnden Erzählperspektiven kommen in "Die Dämonenwache - Kampf um Port Fayt" nun unterschiedlichste Charaktere zu Wort. Der Held und die eigentliche Identifikationsfigur, der Küchenjunge Joseph Grubb, strauchelt anfangs mehr schlecht als recht durch allerlei Schwierigkeiten, denen er kaum gewachsen zu sein scheint. Aber während sich aus den verschiedenen Erzählsträngen eine zusammenhängende Handlung entwickelt, indem die Protagonisten aufeinandertreffen und ihre eigentlichen Motive enthüllen, nimmt die Geschichte deutlich an Fahrt auf. Mason schafft es durch allerlei Fallstricke und unerwartete Wendungen, den Leser außer Atem zu halten, bis die Spannung in einem fulminanten Finale auf See kulminiert. Doch auch anschließend bricht die Spannung nicht ab – ein kurzer Epilog dient als quälender Cliffhanger, der die jungen Leser gleich im Anschluss nach dem nächsten Band greifen lassen wird - sobald dieser auf Deutsch erschienen ist. 

Die Hauptfigur, die von Selbstzweifeln geplagt ist, gleichzeitig aber beherzt handelt und Möglichkeiten, die sich auftun, kurzerhand nutzt, eignet sich sowohl als Identifikations- wie auch als Projektionsfigur für jugendlich-männliche Leser. Im weiteren Verlauf der Geschichte entwickelt Joseph Tapferkeit und eine Prise Aberwitz, die es ihm im Kampf um die Rettung der Stadt ermöglichen, über seine geringe Körpergröße hinauszuwachsen.

Das Besondere dieser Welt ist, dass stereotype Figureneigenschaften anderer Phantasieabenteuer oftmals nicht greifen: Feen sind nicht zauberhaft und gutmütig, sondern gewalttätig, Trolle sind entweder urkomisch oder kochen nachthemdentragend die besten Pasteten der Stadt und auch die restlichen Protagonisten sind nicht eindeutig gut oder böse, sondern vielschichtig und mit nachvollziehbaren Motiven ausgestattet. 

Auf dieser Grundlage der Fehlbarkeit des Guten und der Nachvollziehbarkeit des Bösen baut der Autor eine überraschend tiefgehende und hintergründige Moral auf, die diskret genug ist, dass sie junge Leser nicht abschrecken wird: Dass das friedliche Nebeneinander aller Lebewesen bedroht und beschützenswert ist. 

Port Fayt als das letzte Refugium, in dem dieses Nebeneinander noch möglich ist, kann nur existieren, weil es weitab der Alten Welt liegt, in der sich Die Liga des Lichts formiert: eine Gruppierung, die alles Nichtmenschliche für nicht lebenswert hält. Gerüchte und Geschichten über die Vernichtung ganzer Arten gelangen über das Meer nach Port Fayt. Hinter dem Kampf einer Gruppe sympathischer Raufbolde mit der bösen Hexe kommt also eine abstraktere Bedrohung zum Vorschein, die sich im Epilog in den Schiffen der Liga manifestiert: 

„Eine Armada. 

Mit Kurs nach Westen. 

In Richtung Klaffende Wunde. 

In Richtung Port Fayt.“ (S. 247)

Dass aber die vorläufige Rettung des Refugiums Port Fayt ohne Gewalt nicht auskommt, das ist innerhalb des Abenteuergenres zu erwarten. Während der Held ängstlich seine Augen verschließen kann, sobald es blutig wird, wird dem Leser geschildert, wie Handgranaten explodieren, Musketen und Armbrüste sinnvoll zum Einsatz kommen können und in einem Haifischbecken ein blutiger Kampf stattfindet. Diese mörderischen Szenen werden zwar einerseits durch den Widerwillen des Helden abgemildert und durch den Sprachwitz des Erzählers und der Figuren teilweise ad absurdum geführt, andererseits fällt aber auf, dass eine friedliche Lösung von Konflikten an keiner Stelle in Betracht gezogen wird – unbekümmert drauf los, scheint das Motto des jungen Autors zu sein, was dem Geschmack junger Leser aber durchaus nicht zuwider laufen muss.

Dieser abenteuerliche Roman mit seiner ereignisreichen und atemlosen Handlung, seinen sympathischen Charakteren und seiner Liebe zur gewaltvollen Auseinandersetzung wird vor allem jüngere Jungs in seinen Bann ziehen. Dank einer intelligenten zweiten Ebene und erheblichen Anforderungen an die Vorstellungskraft, die zur Lösung der Rätsel und zum Hineindenken in die phantastische Welt taugen muss, ist das Buch aber auch eine empfehlenswerte Lektüre für etwas geübtere Leser.

"Die Dämonenwache"eignet sich für etwas geübtere, vor allem männliche Leser ab zwölf Jahren und kann bei Interesse an Abenteuergeschichten und Fantasy auch schon früher angeboten werden. 

Dadurch, dass durch die zweite Ebene Problembewusstsein für ein Thema wie "Rassenhygiene" geschaffen wird, ist trotz des typischen Abenteuercharakters des Buches, der eine oberflächliche, ereignisreiche Handlung verspricht, die Thematisierung tiefergehender Probleme möglich.