Rezensiert von Dominik Achtermeier
Von Robodog kann die Polizeihundestaffel noch viel lernen, doch werden die echten Hunde den Roboterhund überhaupt akzeptieren? Fest steht: Robodog ist die letzte, hoffnungsversprechende Waffe im Kampf gegen die einfallenden Superschurken. Dieser Lieblingsbuch verdächtige Roman ist ein Must-Read für alle, die nach der perfekten Mischung aus tierisch-guter Unterhaltung, mitreißenden Illustrationen und einem programmierten Helden suchen.
Buchtitel | Robodog |
Autor | David Walliams, übers. v. Bettina Münch, illustr. v. Adam Stower |
Genre | Abenteuer Fantastische Literatur |
Lesealter | 10+ |
Umfang | 318 Seiten |
Edition | 1. Auflage |
Verlag | Rotfuchs |
ISBN | 978-3-7571-0023-0 |
Preis | 18,00 € |
Erscheinungsjahr | 2024 |
In David Walliams‘ neustem Kinderroman Robodog steht der hochentwickelte und von der Polizei konstruierte Superhund im Mittelpunkt. Angesichts der steigenden Kriminalität in Tumult, einer der gefährlichsten Städte der Welt, wird der titelgebende Roboterhund in einem Labor mit künstlicher Intelligenz, komplexen sensorischen Wahrnehmungssystemen und außergewöhnlichen physischen Fähigkeiten ausgestattet, die ihn zu einem nahezu perfekten Werkzeug der Strafverfolgung machen. Die Polizeichefin verspricht sich mit diesem unverwüstlichen Rekruten, den ihre Frau entwickelt hat, die Polizeihundeschule auf Vordermann zu bringen. Denn die Polizeihunde sind alles andere als eine Unterstützung: Besonders die ‚Verlorenen Patrouille‘ – hierzu gehören der ängstliche Drücker, der faule Knorpel und die einfältige Honki – steht sinnbildlich für Chaos auf dem Paradeplatz und öffnet den Verbrechern geradezu Tür und Tor.
Das Schurkenduo Fledermausmann und Kater trickst derweil mithilfe raffinierter Technologien die Polizei stets aufs Neue aus und stürzt die Stadt in ein immer tieferes Chaos. Robodog wird auf sie angesetzt, doch schnell wird klar: Dies ist kein gewöhnlicher Auftrag. Im Laufe der Handlung muss sich Robodog nicht nur gegen zahlreiche Hindernisse behaupten, sondern auch mit moralisch komplexen Entscheidungen und der Frage nach Vertrauen, Freundschaft und Verantwortung auseinandersetzen. Besonders seine Interaktion mit den Menschen, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Polizei, fordert ihn auf unerwartete Weise heraus.
Eine Leseprobe ist verfügbar.
„Es ist Zeit, dass ihr die Zukunft der Polizeiarbeit kennenlernt: einen Polizeihund, der das Verbrechen in dieser geschlagenen Stadt hoffentlich für immer ausrotten wird! DAS IST ROBODOG!“ (S. 115) Mit diesen Worten stellt die Polizeichefin Robodog, die aus Waschmaschinenersatzteilen gebaute Erfindung, auf die sie all ihre Hoffnungen legt, ihrer Hundestaffel vor und demonstriert auch gleich dessen technischen Fähigkeiten. „Robodog kann hundertmal mehr als ein normaler Hund!“ (S. 119) Die Polizeihunde aus Fleisch und Blut reagieren – im Gegenteil zur Professorin und der Polizeichefin – wenig euphorisch, sind irritiert von seinem Namen, über den sie sich lustig machen, und all dem, was er besser kann. Die Leser:innen werden sich ohne Schwierigkeiten in die drei Hunde hineinfinden können und feststellen, dass Robodog den Hunden mit ihren individuellen Schwächen weit überlegen ist. Andererseits ist auch die blecherne Waffe der Polizeichefin vor Pannen nicht gefeit. So brennt der Hindernisparcours nach Robodogs erstem Lauf lichterloh. Diese irrwitzigen Zwischenfälle machen die Lektüre zu einem echten Lesevergnügen, welches dank der figuralen Interferenzen auch zu einer tieferen Auseinandersetzung über das Anderssein einlädt. Besonders überzeugend ist das auf Vielfalt angelegte Figurenspektrum, welches in Walliams’scher Tradition bereits auf den ersten Seiten des Romans durch kleine Porträts vorgestellt wird. Neben den (über)menschlichen lassen sich auch die tierischen Figuren recht schnell einer guten und einer bösen Seite von Handlungsträger:innen zuschreiben, ohne zu stereotypisieren. Adam Stower beweist mit seinen Illustrationen ein besonderes Geschick, Charaktereigenschaften jeder Figur auf der visuellen Ebene leicht erkennbar Ausdruck zu verleihen und somit zugänglich für Heranwachsende zu machen. In Kombination mit comicartigen, lautmalerischen Schriftzügen wie Explosionen oder Krachen werden auflockernde visuelle Akzente gesetzt.
Der in Großbritannien gefeierte Kinderbuchautor und bekannte Schauspieler Walliams bricht immer wieder bewusst mit Rollenzuschreibungen und überholten Klischees. Beispielsweise ist die Polizei nicht männlich besetzt, sondern wird von einer kleinen rundlichen Frau, der Polizeichefin, geleitet. Sie ist mit einer Wissenschaftlerin verheiratet, die sie in ihrem Vorhaben, die Stadt sicherer zu machen, tatkräftig unterstützt. Mit dem Motiv der Feindschaft zwischen Katzen und Hunden spielt Walliams gekonnt, indem er die Katzen Velma, Schlitzer, Zausel und Pavarotti in die Gruppe der Schurken einbindet. Im düsteren Stadtpark schmieden sie finstere Pläne und wollen Robodog ein für alle Mal ausschalten. Dieser steht vor seiner ersten großen Mission: Er soll den sicheren Transport von einer Milliarde Dollar quer durch die Stadt gewährleisten. Doch zwei gefährliche Gegner sind ihm auf den Fersen – das berüchtigte Verbrecherduo Giga-Grips und Hammerhand. Der ebenfalls künstlich erzeugte Superschurke Giga-Gips ist körperlos, einzig sein Megahirn schwebt in einer Glaskugel auf Rädern umher. Hammerhand ist eine weibliche Superschurkin, die als dessen Gehilfin niemals davor zurückschreckt, ihre Hammerhände zu benutzen. Unter anderem gehört auch die Maskierte Gurke, eine Frau die Feuer furzt, zum irrwitzigen Kabinett der wenig angsteinflößenden Gegenspieler. Altersgerechten Humor und Komik finden junge Leser:innen auf der Figurenebene also garantiert.
Während die übrigen Hunde ihn ablehnen, findet Robodog in dem Straßenbewohner Ratti einen unerwarteten Freund. Ratti, der aussieht wie eine Ratte, wie eine Ratte riecht und sich wie eine Ratte verhält, aber darauf besteht, eine Maus zu sein, zeigt ihm, was es bedeutet, echte Gefühle zu empfinden, wovon ein Roboterhund natürlich nichts wissen kann. Damit thematisiert der actionreiche Roman auf unterhaltsame Weise neben Freundschaft und Individualität auch ethische Implikationen der Nutzung künstlicher Intelligenz sowie die potenziellen Konsequenzen technologischer Entwicklungen auf soziale Strukturen.
Trotz eines Umfangs von 318 Seiten wirkt das Buch durch die großzügige Typografie und die Vielzahl an Bildern sehr zugänglich. Neben den zahlreichen Charakterdarstellungen erleichtern auch eine Übersichtskarte der fiktiven Stadt Tumult sowie comicartige Sequenzen (vgl. S. 166f.) das Eintauchen in und das Erleben der von Bettina Münch sehr liebevoll ins Deutsche übersetzten Geschichte. Die vielen kurzen Kapitel fördern zusätzlich die Lesemotivation, da sie regelmäßig kleine Leseerfolge ermöglichen.
Der fantastische Roman Robodog ist weit mehr als ein actionreicher Kinderkrimi mit Tierfiguren, sondern unterhält insbesondere Leseanfänger*innen, die sich visuell gestützt an längere Texte heranwagen möchten. Es fällt nicht schwer sich vorzustellen, wieviel Spaß Walliams beim Entwickeln und Schreiben dieses irrwitzigen wie sinnstiftenden Romans hatte. Dass er Jungen wie Mädchen mit seinem mitreißenden Leseabenteuer das Eintauchen in den Genuss von Literatur ermöglicht, steht außer Frage.
Der Roman Robodog von David Walliams eignet sich zur privaten Lektüre. Er empfiehlt sich ebenso für den Einsatz in der angeleiteten Leseförderung von Kindern im Grundschul- oder frühen Sekundarstufenalter. Die Lesemotivation kann vielseitig aufgebaut und verstärkt werden. Bereits über den Titel und/oder die (Cover)Illustrationen lassen sich vor dem Lesen Vermutungen anstellen: „Was könnte ein Robodog sein?“; „Wie stellst du dir einen Roboter vor, den die Polizei zur Verbrechensbekämpfung einsetzt?“; „Ist es sinnvoll, Robotertiere zu haben?“
Im fächerübergreifenden Unterricht kann das Lesen oder Hören einzelner Kapitel – unterstützt durch das von Thomas Nicolai eingesprochene und im Argon Verlag veröffentlichte Hörbuch – sinnvoll erweitert werden: etwa durch eine kreative Umsetzung den Heranwachsenden wichtig erscheinender Handlungsstellen im Kunstunterricht, eine vertiefende Beschäftigung mit den Chancen und Risiken künstlicher Intelligenz im naturwissenschaftlichen oder informatischen Kontext oder durch eine ethische Diskussion darüber, was einen Menschen eigentlich ausmacht. David Walliams Romane erfreuen sich spätestens seit Gangsta Oma (2016) oder Banditen-Papa (2019) – zu letzterem Roman liegt ebenso eine Rezension von boys & books vor – großer Beliebtheit, sodass ein Lesetisch mit anderen der über 25 Kinderbücher des Autors mit niedrigschwelligen Angeboten wie kreativen (Schreib)Impulsen zur Erstellung kleiner Rezensionen oder Buchtrailer zur Bewerbung von Robodog und Co eine positive Wirkung auf die literarische Anschlusskommunikation entfalten können. Ideen zur mediengestützten Produktion eines Buchtrailers finden Sie hier: www.boysandbooks.de/bookster-boys-girls/.