Rezensiert von Dr. Eva Maus
Melvins geliebter, großer Bruder Otis wird absichtlich totgefahren. Als Melvin kurz darauf in einem verlassenen Haus einen Durchgang findet, mit dem er 45 Jahre in die Vergangenheit und wieder zurück in die Gegenwart reisen kann, beginnt ein spannendes und komplexes Abenteuer auf der Suche nach Antworten: Warum wurde Otis ermordet? Kann Melvin in der Vergangenheit die Zukunft verändern und ihn retten?
Buchtitel | Re-Place |
Autor | Mirjam Mous, übers. v. Verena Kieder |
Genre | Krimi & Thrill Fantasy |
Lesealter | 12+ |
Umfang | 300 Seiten |
Verlag | Arena |
ISBN | 978-3401810935 |
Preis | 18,00 € |
Erscheinungsjahr | 2024 |
Melvin junior steigt mit seinem geliebten, großen Bruder Otis gern in verlassene Gebäude ein, um dort Fotos und Videos für Otis‘ Social Media-Kanal aufzunehmen. Als sie zu einer solchen Expedition aufbrechen wollen, wird Otis angefahren und stirbt an seinen Verletzungen. In seiner Trauer beschließt Melvin junior den geplanten Einstieg in ein Jägerhaus im Wald allein durchzuziehen. Dort entdeckt er einen Zeittunnel, der ins Jahr 1977 führt. Nachdem er diese Unmöglichkeit verstanden hat, und die Polizei in 2022 von einem gezielten Mordanschlag auf Otis ausgeht, fasst Melvin junior den Entschluss, durch sein Eingreifen in die Vergangenheit, seinen Bruder zu retten. Dabei lernt er seinen Vater Melvin senior kennen, der 2022 schon seit 14 Jahren tot ist, 1977 aber 16 Jahre alt – genau wie Melvin junior. Nach und nach muss entschlüsselt werden, warum und vom wem Otis umgebracht wurde, wer für was den Zeittunnel nutzt und wie Otis – und vielleicht auch Melvin senior? – gerettet werden können. Die Eingriffe in die Vergangenheit führen jedoch mehr als einmal zu fatalen Folgen im Heute und es bedarf einigen Herumprobierens, bis Melvin junior einen für sich akzeptablen Weg findet, der allerdings die Zerstörung des Zeittunnels beinhaltet.
Eine Leseprobe ist verfügbar.
Re-Place ist ein spannender Thriller, der trotz einiger kleinerer Längen im Mittelteil als Page-Turner für geübte Lesende gut funktioniert. Er bietet viel Spannung, die sich langsam aufbaut, fesselt aber auch emotional involviert. Direkt ins Geschehen um Otis‘ Tod geworfen, fällt die Identifikation mit dem verwirrten, überforderten und bald trauernden Melvin junior nicht schwer, der im Verlauf der Handlung immer aktiver und selbstwirksamer wird. Dabei muss er nicht nur Mut entwickeln, Risiken einzugehen, sondern auch die (bisherigen) eigenen Schwächen sehen und angehen. Größere Herausforderungen hält der Text durch seine Seitenstärke bereit, durch schwierige Produkt-, Orts- und Eigennamen sowie eine Handlung, die auf zwei Zeitebenen interessante, aber eben auch komplexe Gedankenexperimente verhandelt: Nicht jeder Plan, wie durch ein Eingreifen in der Vergangenheit das Heute positiv verändert werden kann, geht auf. Manche gut gemeinten Eingriffe in die Zeit haben fatale Wirkung. Re-Place bietet dabei kein großes World-Building oder eine Erklärung für die Existenz des Zeittunnels und behält dadurch den Fokus auf Melvin juniors Geschichte.
Wer mit dem Lesen von Ganzschriften überfordert ist, findet somit in Re-Place keinen günstigen Einstieg. Wer Spaß an einem Thriller mit mehreren Twists und einem Protagonisten hat, der über sich hinauswachsen muss, kann bei dieser Lektüre auf hohen Spannungs- und Unterhaltungswert zählen.
Als gemeinsame Klassenlektüre ist Re-Place eher ungeeignet. Die Lektüre ist relativ anspruchsvoll und die emotionale Involviertheit, die bei Lesenden ausgelöst werden kann, lädt ohnehin eher zur individuellen Lektüre ein. Als Lesefutter für Bücherwürmer in der Schul- oder Klassenbibliothek sowie für Viel-Leseverfahren ist der Roman durch seine hohe Spannung empfehlenswert und lädt zum Philosophieren über Zeit, Schicksal und Moral ein.