Rezensiert von Florian Duchardt
Cassie findet keinen Anschluss – viele finden sie seltsam, komisch, sonderbar. Einzig mit Fitz, mit dem sie in einer Band spielt, versteht sie sich gut. Seit einiger Zeit hört Cassie ein seltsames Geräusch: Ein Dröhnen, das, so denkt sie, vermutlich von der Erde selbst kommt. Als Cassie plötzlich verschwindet, stellt ihr Freund Fitz Nachforschungen an, um sie zu finden. Eine kurze und spannend erzählte Geschichte über das Anderssein, die viele Heranwachsende ansprechen wird.
Buchtitel | Wut |
Autor | Marcus Sedgwick, übers. v. Julia Süßbrich |
Lesealter | 12+ |
Umfang | 164 Seiten |
Edition | 1. Auflage |
Verlag | Gulliver, Verlagsgruppe Beltz |
ISBN | 978-3-407-82436-3 |
Preis | 13,00 € |
Erscheinungsjahr | 2024 |
Der Roman handelt von Cassie Cotton und James Fitzgerald, der von allen einfach nur Fitz genannt wird. Cassie ist eine Außenseiterin, die bei ihren Eltern lebt; beide sind vermögend und widmen sich ganz und gar dem Naturschutz. Seit Fitz’ Mutter die Familie verlassen hat, lebt er gemeinsam mit seinem Vater in einem kleinen Haus. Er ist begeisterter Schlagzeugspieler und spielt gemeinsam mit Cassie und zwei anderen Freunden in einer Band.
An einem Abend während des Corona-Lockdowns chattet Fitz mit Cassie, die ihm anvertraut, dass sie seit einiger Zeit ein Geräusch hört: Ein Dröhnen, das, so denkt sie, vermutlich von der Erde selbst kommt. Allerdings scheint Cassie die einzige Person zu sein, die dieses Geräusch hören kann. Über mehrere Wochen tauschen sich Fitz und Cassie über ebendiese Geräusche aus, bis sie plötzlich verschwindet. Fitz, der für Cassie mehr als nur freundschaftliche Gefühle hegt, macht sich um seine verschwundene Freundin Sorgen und sucht nach ihr. Er geht mehreren Hinweisen nach, bis er schließlich herausfindet, dass sie an einen abgelegenen Ort geflüchtet ist. Gemeinsam mit seinem Vater begibt er sich schließlich auf eine Reise, um Cassie wiederzufinden.
Eine Leseprobe ist über die Verlagswebsite verfügbar.
Die Handlung wird aus der Sicht der Hauptfigur Fitz erzählt. Indem die Erzählinstanz männlich ist, wird ein entsprechendes Identifikationspotential für männliche Rezipienten angeboten. Die Figur ist für junge Leser*innen nachvollziehbar ausgestaltet; Fitz ist Schüler, schüchtern, spielt gerne Schlagzeug und hadert mit seinen Gefühlen für seine Freundin Cassie, die zwischen Freundschaft und Liebe changieren. Hervorzuheben ist, dass Fitz eine authentische Charakterentwicklung vollzieht: Er reflektiert sein Verhalten und übernimmt Verantwortung für sein Handeln. Hierdurch avanciert er zu einem Vorbild für männliche Lesende. Die Themen Umwelt, Naturschutz und (sensorische) Hypersensibilität werden über die zweite, weibliche Hauptfigur Cassie in die Handlung eingeführt. Gedanklich anknüpfen können Leser*innen auch an den Corona-Lockdown, mit dem sie real Erfahrung gemacht haben; dieser wird im Rahmen der Erzählung vielfach thematisiert. Motivisch greift der Roman Freundschaft, Liebe, Außenseitertum, Hypersensibilität, Natur, Umweltschutz sowie auch Musik auf. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei insbesondere die Motive Natur und Freundschaft.
Mit einem Lesbarkeitsindex von ca. 27 liegt eine geringe formale Textschwierigkeit vor. Die Satzlänge und -komplexität in Verbindung mit einer angemessenen Schriftgröße und -art machen den Text auch für solche Leser*innen gut bewältigbar, die noch nicht so geübt im Lesen sind. Da der Gesamttext mit ca. 160 Seiten recht kurz ist, bietet er sich gut für einen Einstieg in das Lesen etwas längerer Ganzschriften an. Auch die kurzen Kapitel des Romans erleichtern die Lektüre. Schwierig könnten für einige Leser*innen die Analepsen sein, die immer wieder Anwendung finden; der Flattersatz und die mitunter häufigen Absätze unterstützen gerade leseschwache Jugendliche in ihrem Leseprozess.
Der Roman bietet sich sowohl für die schulische als auch private Lektüre an. Die im Roman verhandelten Motive (Natur, Naturschutz, (sensorische) Hypersensibilität, Freundschaft, Liebe, Außenseitertum usw.) bieten vielfältige Potentiale für eine gehaltvolle Anschlusskommunikation. Um diese Aspekte im Unterricht jedoch adäquat zu behandeln, bedarf es einer entsprechenden Adressierung seitens der Lehrkraft. Bspw. sollten weiterführende Informationen gegeben werden, damit eine gewinnbringende Diskussion der Themen vor dem Hintergrund der Lektüre gelingt. Die Motive Außenseitertum und Hypersensibilität sollten überdies entsprechend einfühlsam in Lerngruppen adressiert werden. Der Text lässt sich vor diesem Hintergrund variabel in den Unterricht integrieren. Auch hinsichtlich Laut- und Vielleseverfahren (wiederholtes Lautlesen, kooperatives Lautlesen usw.) bietet sich der Roman an; durch seine geringe Textkomplexität ist er grundsätzlich für alle Leser*innen bewältigbar. Die Eingangskompetenz der Leser*innen hinsichtlich ihrer Dekodierungsfähigkeit und -genauigkeit muss nicht allzu hoch sein, um den Text grundlegend zu bewältigen, wodurch sich Leseerfolge schnell einstellen können, die zur Weiterarbeit motivieren. Auch andere Leseverfahren zur Förderung der Lesekompetenz sind denkbar.