Rezensiert von Daniel Zonsius
Kenneth Moore, gefeierter Schuldirektor der Urban Promise, wird erschossen in seinem Büro gefunden und sofort geraten drei Schüler ins Visier: Ramón, J.B. und Trey befanden sich zum Zeitpunkt der Tat in der Schule und haben kein Alibi, dafür aber ein Motiv – und Zugang zur Mordwaffe. Waren sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Verdächtigt man sie wegen ihrer Hautfarbe? Oder ist einer von ihnen doch nicht so unschuldig, wie er behauptet? Eine spannungsgeladene Geschichte, die zum Miträtseln einlädt.
Buchtitel | Promise Boys – Drei Schüler. Drei Motive. Ein Mord. |
Autor | Nick Brooks, übers. v. Sabine Schilasky |
Lesealter | 14+ |
Umfang | 368 Seiten |
Edition | 1. Auflage |
Verlag | ONE |
ISBN | 978-3-8466-0215-7 |
Preis | 14,00 € |
Erscheinungsjahr | 2024 |
Benachteiligten Jungen aus armen Verhältnissen eine Karriere zu ermöglichen, so lautet das Versprechen der von Kenneth Moore gegründeten Urban Promise High School in Washington. Der Schulgründer Moore setzt dabei auf strenge Regeln und äußerste Disziplin, wofür ihn die Öffentlichkeit feiert – und die Schüler hassen. Als drei von ihnen, J.B., Ramón und Trey, nachsitzen müssen, weil sie an diesem Tag alle mit Moore aneinandergeraten sind, geschieht, womit trotz der Spannungen an der Schule niemand gerechnet hätte: Moore wird erschossen. Es scheint kein Zweifel zu bestehen, dass sein Mörder einer der drei Promise Boys gewesen sein muss, immerhin gelten sie als „Problemschüler“. Um ihre Unschuld zu beweisen, machen J.B., Ramón und Trey sich auf die Suche nach dem wahren Mörder – anfangs noch jeder für sich, denn sie trauen den jeweils anderen keinen Schritt über den Weg. Während sie die Umstände rekonstruieren, die zu Moores Ermordung geführt haben, erkennen sie nach und nach, dass sie zusammenarbeiten müssen, um die korrupten Machenschaften des ehemaligen Schulleiters aufzudecken, dessen Weste nicht so rein war, wie er die Welt glauben machte. Schließlich können sie den wahren Mörder überführen und die Urban Promise unter neuer Leitung endlich ihr Versprechen einlösen und eine Schule werden, die unterprivilegierten Jugendlichen eine wirkliche Zukunftsperspektive bietet.
Eine Leseprobe ist verfügbar.
Promise Boys wird allen empfohlen, die Freude an Karen McManus‘ Bestseller One of Us Is Lying gefunden haben. Tatsächlich weisen beide Romane deutliche Parallelen auf: der zentrale Handlungsort ist eine amerikanische Highschool, während des Nachsitzens kommt es zu einem Todesfall, verdächtigt werden die anwesenden Schüler*innen und deren Suche nach dem wahren Täter oder der wahren Täterin entfaltet sich uns als Leser*innen durch die Perspektive der unterschiedlichen Figuren. Dabei bleibt Promise Boys jedoch nicht nur ein spannender Krimi, sondern bietet auch einen wertvollen Einblick in die Lebensrealität Schwarzer und eingewanderter Jugendlicher in den USA.
Eine gehörige Portion Spannung verspricht bereits das in düsterem Rot gehaltene Cover. Die Farbgebung, die hohen Schließfächer hinter dem im Graffitistil gehaltenen Titel und die Portraits dreier Jugendlicher verweisen deutlich auf den zu erwartenden Inhalt des Romans und machen Lust auf die Lektüre.
Brooks zeichnet die Protagonisten mit großer Sorgfalt. Zu Beginn wirken J.B., Ramón und Trey wie typische „Problemschüler“, bei denen man sich nicht ganz sicher sein kann, ob einer von ihnen nicht doch schuldig ist. Gleichzeitig sind sie coole und angesehene Jungen, mit denen sich jugendliche Leser gerne identifizieren dürften. Doch durch eine geschickte Erzählweise – jedes Kapitel wird aus einer anderen Perspektive erzählt und jeder der drei Teile des Romans rückt jeweils einen der drei Jugendlichen in den Fokus – werden im Verlauf der Handlung dann Schicht für Schicht die persönlichen Hintergründe der Jugendlichen enthüllt und es stellt sich heraus, dass auch die selbstbewusst auftretenden Protagonisten mit ihren eigenen Herausforderungen kämpfen: familiären Problemen, Perspektivlosigkeit, der ersten großen Liebe, Träumen, die in einem hypermaskulinen Umfeld nur belächelt werden und einem Alltag, der von strukturellem Rassismus geprägt ist. Diese stetige Charakterentwicklung schafft eine emotionale Bindung zwischen den Leser*innen und den Protagonisten, bietet eine Folie für die Auseinandersetzung mit der Komplexität der eigenen Identität und trägt maßgeblich dazu bei, dass man den Roman nicht aus der Hand legen möchte.
Darüber hinaus ist der Roman auch stilistisch für jugendliche (Wenig-)Leser geeignet. Die Kürze der Kapitel hält den Spannungsbogen aufrecht, verlangt den Leser*innen nicht zu viel ab, sorgt aber für kontinuierliche Leseerfolge. Die Sprache des Romans ist nicht zu komplex gestaltet, besticht aber durch einen lebendigen, authentischen Erzählfluss, der auch in der Übersetzung von Sabine Schilasky überzeugt. Etwas anspruchsvoller gestaltet sich die multiperspektive Erzählweise: Die Handlung wird nicht nur aus Sicht der drei Protagonisten, sondern immer wieder auch aus der Perspektive von Nebenfiguren dargestellt. Mehrere parallel verlaufende Handlungsstränge gleichzeitig zu verfolgen und Zusammenhänge selbstständig herzustellen, bereitet kompetenten Leser*innen zweifellos Vergnügen, mit einer Portion Durchhaltevermögen können aber auch weniger geübte Leser*innen diese erzähltechnischen Herausforderungen bewältigen.
Nick Brooks‘ Promise Boys reiht sich in das etablierte und beliebte Genre des spannungsgeladenen Highschool-Krimis ein, dessen Handlungsort und -logiken Jugendlichen nicht nur aus Büchern, sondern auch aus Serien und Filmen bekannt sein dürften, erweitert dies aber um eine wertvolle sozialkritische Ebene. Auf diese Weise schafft der Roman es nicht nur, Jugendliche zur Lektüre zu animieren, die sonst eher wenig lesen, sondern sensibilisiert nebenbei auch noch für aktuelle gesellschaftliche Themen.
Promise Boys ist eine gute Wahl für die private Freizeitlektüre ab 14 Jahren, an der sowohl Leseanfänger*innen als auch geübtere Leser*innen Vergnügen haben dürften.
Im schulischen Kontext bietet sich der Roman an, um im Rahmen der freien Lektüre die Lesemotivation zu fördern. Auch der Einsatz als Klassenlektüre in leseschwächeren Lerngruppen ist denkbar. Hier bieten sich etwa die Auseinandersetzung mit der Erzählperspektive und die Arbeit mit kreativen Texttransformationen an. Fächerübergreifend könnte die Lektüre darüber hinaus durch eine Behandlung der soziokulturellen Aspekte im Fach Englisch ergänzt und vertieft werden.