Buchcover C. Alexander London: Wir werden nicht von Yaks gefressen* *hoffentlich

Die Eltern von Oliver und Celia sind von Beruf Entdecker - leider eine sehr gefährliche Tätigkeit....

Rezension von Thorsten Hadeler

Die Eltern von Oliver und Celia sind von Beruf Entdecker - leider eine sehr gefährliche Tätigkeit. So ist ihre Mutter schon seit mehreren Jahren auf der Suche nach der sagenhaften Bibliothek von Alexandria verschollen. Als plötzlich aus Tibet Hinweise darauf auftauchen, wo sie geblieben sein könnte, machen sich die Geschwister und ihr Vater auf den Weg in den Himalaya, um die Mutter zu suchen...

BuchtitelWir werden nicht von Yaks gefressen* *hoffentlich
AutorC. Alexander London (übersetzt von Petra Koob-Pawis)
GenreAbenteuer
Lesealter10+
Umfang276 Seiten
Edition2. Auflage 2011
VerlagArena Verlag, Würzburg
ISBN978-3-401-06670-7
PreisHardcover: 14,99 €, Broschur: 6,99 €

Die Eltern von Oliver und Celia sind von Beruf Entdecker - leider eine sehr gefährliche Tätigkeit. So ist ihre Mutter schon seit mehreren Jahren auf der Suche nach der sagenhaften Bibliothek von Alexandria verschollen. Als plötzlich aus Tibet Hinweise darauf auftauchen, wo sie geblieben sein könnte, machen sich die Geschwister und ihr Vater auf den Weg in den Himalaya, um die Mutter zu suchen. Dabei müssen sie es mit falschen Bergführern, hinduistischen Hexen, angriffslustigen Yetis und noch einigem anderen aufnehmen. Nun sind Oliver und Celia mit solchen Herausforderungen aufgewachsen, darum meistern sie diese gefährlichen Situationen mit einer gewissen Routine. Ihr größtes Problem ist eher ein Anderes: Sie hassen Abenteuer und möchten viel lieber ihre gesamte Zeit vor dem Fernseher verbringen...

Direkt hinter Oliver hing Lama Norbu am Seil. Celia merkte, dass das Gewicht, das an ihren Armen zerrte, nicht mehr so schwer war. Sie fühlten sich freilich immer noch an, als wären sie aus Fruchtgummi, aber ihr Bruder hatte ihr einen Teil der Last abgenommen. Celia atmete tief durch und lachte auf. Obwohl sie wie ein nasses Kleidungsstück an einer Wäscheleine hing, in atemberaubender Höhe über einem reißenden Fluss, war sie in ihrem ganzen Leben nie so erleichtert gewesen.
Aber dieser Glücksmoment dauerte nicht lange.
Mit einem schrillen Knirschen und einem starken Vibrieren begannen die Fasern des Drahtseils, das nun schon fast hundert Jahre lang die Schlucht überspannt hatte, zu reißen.
Pling! Pling! Pling!
Und mit jeder Faser, die riss, schnalzte und peitschte das Seil hin und her.
»Beeilt euch!«, schrie Lama Norbu, als sie alle, so schnell sie konnten, die andere Seite der Schlucht zu erreichen versuchten.
»Schneller!«, schrie Oliver.
Aber es war schon zu spät. Mit einem lauten Knacken, das sich entsetzlich anhörte, riss das alte Drahtseil ab und sie segelten durch die Luft wie Affen an einer Liane, nur dass sie viel zu schnell waren und geradewegs auf eine Felswand zu?ogen. Spitze Steine ragten daraus hervor wie die Nägel in dem Schrank des Grafen Wladimir, der zu Hause neben dem Kühlschrank stand. Wenn sie sich weiter an dem Seil festhielten, dann würden sie an der Felswand aufgespießt.
Celia blickte hinunter auf den tosenden Fluss und begriff, dass sie nur eine einzige Chance hatten. So verzweifelt, wie sie sich soeben noch festgehalten hatte, so verzweifelt ließ sie nun los. Oliver wurde gleich nach ihr vom Seil gerissen, Lama Norbu folgte hintendrein.
»Ahhh!«, schrien alle drei, als sie auf das schäumende Wasser zu?elen, aneinandergebunden und mit den Armen um sich schlagend wie Vögel, die noch nicht ?ügge sind.

In Abenteuerbüchern wird in der Regel der Eindruck vermittelt, Abenteuer seien etwas ganz Tolles und Erstrebenswertes. Schließlich ist Alltag langweilig, und jede Gelegenheit, zur Abwechslung mal etwas Spannendes zu erleben, wird gerne ergriffen.

Was aber, wenn das Abenteuer keine Abwechslung mehr ist, sondern der Alltag? Wenn man gezwungen ist, ein Abenteuer nach dem anderen zu erleben, und sich die Spannung dementsprechend abgenutzt hat?

Auf dieser witzigen Paradoxie baut C. Alexander London seine Geschichten um die Geschwister Oliver und Celia Naval auf. Sie haben das Pech, dass ihre Eltern sozusagen professionelle Abenteurer sind, nämlich Entdecker. Schon als kleine Kinder mussten die Geschwister in jeden Ferien mit ihren Eltern an die abstrusesten Orte der Welt verreisen und sich in irgendwelchen Urwäldern von Eidechsen beißen lassen. Sie wohnen sogar in New York im Haus des "Clubs der Entdecker". Und nach all dieser unerwünschten Entdeckerfreude müssen sie nun auch noch damit fertig werden, dass ihre Mutter seit mehreren Jahren auf einer ihrer Reisen verschwunden ist und sie in der ständigen Angst leben, dass sie sie vielleicht niemals wiedersehen.

Diesem Angstpotenzial versuchen die beiden Heranwachsenden durch Vermeidung zu entgehen. Sie flüchten sich in die Scheinwelt des Fernsehens, verbringen jede freie Minute vor der Glotze und schaffen sich so eine Parallelwelt, in der sie sich sicher fühlen können.

Doch eines Tages werden sie von den Erwachsenen wieder gezwungen, diese Scheinwelt zu verlassen und sich der Realität zu stellen. Zu ihrem Leidwesen ist dies aber keine friedliche Realität, zum Beispiel ein heiles Familienleben, sondern erneut ein Abenteuer, in das sie hineingezogen werden. In dem Bewusstsein, dass es keinen Ausweg daraus für sie gibt, meistern sie alle Aufgaben, die sich ihnen stellen, mit einer erstaunlichen Abgebrühtheit und Routine. Ob sie aus mehreren tausend Fuß Höhe aus dem Flugzeug geworfen werden, in einem hinduistischen Kloster ihre Verfolger abschütteln müssen oder ihren Vater vor dem sicheren Tod durch eine Vergiftung retten müssen, Oliver und Celia lassen sich durch nichts aus der Ruhe bringen - immer in der Hoffnung, dass sie vielleicht bei ihrer Rückkehr nach New York als Belohnung den lang ersehnten Kabelanschluss mit hunderten von Fernsehprogrammen geschenkt bekommen.

Das ist natürlich alles höchst absurd, aber gerade aus diesem ständigen Kontrast zwischen vom Autor genial spannend beschriebenen brenzligen Situationen und der genervten Ablehnung des Abenteuers durch die Geschwister bezieht dieses Buch einen sehr eigenen Reiz. Als Leser beobachten wir sozusagen die Lebensgefahr der Protagonisten mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Da könnte vielleicht, wenn man in der Auslegung sehr weit gehen will, der eine oder andere reifere Leser dann auch schon mal ins Grübeln kommen und anfangen, über sich selber eben in dieser Rolle als Leser nachzudenken. Darf man denn das, über jemanden lachen, der in höchster Gefahr ist? Ist das nicht unmoralisch?

Aber von einem jungen Leser wäre das natürlich schon sehr viel verlangt, so weit muss man bei weitem nicht gehen. Und darum geht es bei „Wir werden nicht von Yaks gefressen“ auch nicht eigentlich. Vor allem ist es ein einziger großer Spaß, dieses Buch zu lesen. C. Alexander London ist hier ein mitreißendes Leseerlebnis gelungen, das sofort Lust auf Mehr macht. Und zum Glück gibt es dieses Mehr auch in drei weiteren Abenteuern mit Oliver und Celia.

„Wir werden nicht von Yaks gefressen“ ist insbesondere für das Lesen zu Hause, für die mitfiebernde Lektüre geeignet und dient damit der Lese-Animation. Damit kann es dann auch gut in Vielleseprogrammen eingesetzt werden. Mit den in der Rezension angedeuteten psychologischen und moralischen Aspekten finden sich in Familien auch Ansätze für tiefer gehende Gespräche.