Buchcover Cane Warriors – Niemand ist frei, bis alle frei sind

Moa (14) muss als Feldsklave jeden Tag bei sengender Hitze bis zur absoluten Erschöpfung Zuckerrohr...

Rezensiert von Tanja Hattermann

Jamaika, 1760: Der 14-jährige Sklave Moa fristet mit seiner Familie ein hartes Leben auf der Plantage. Hoffnung auf eine bessere Zukunft flammt auf, als der Sklavenaufstand beginnt und Moa sich kurzerhand den Zuckerrohrkriegern anschließt. Doch ist der Junge wirklich gewappnet für die tödlichen Gefahren und Herausforderungen des Freiheitskampfes? Cane Warriors ist ein spannender und kraftvoll erzählter Jugendroman über existenzielle Themen wie Freiheit, Macht und Würde – besonders empfehlenswert für geübte Leser*innen, die sich für den historischen Kontext rund um Kolonialismus und Sklavenrebellion interessieren.

BuchtitelCane Warriors - Niemand ist frei, bis alle frei sind
AutorAlex Wheatle, übers. v. Conny Lösch
GenreGegenwart & Zeitgeschichte
Lesealter14+
Umfang192 Seiten
Edition1. Auflage
VerlagKunstmann
ISBN978-3-95614-543-8
Preis20,00 €
Erscheinungsjahr2023

Moa (14) muss als Feldsklave jeden Tag bei sengender Hitze bis zur absoluten Erschöpfung Zuckerrohr schneiden. Der Alltag der Sklaven auf der Frontier-Plantage/Jamaika ist von Schmerzen, Hunger und brutaler Gewalt durch die weißen Sklaventreiber geprägt. Seine Familie kriegt Moa nur selten zu Gesicht, obwohl sie alle auf derselben Plantage arbeiten. Der Vater schuftet an der Zuckerrohrwalze, an die er bereits einen Arm verloren hat, während die Mutter Sklavin im Herrscherhaus ist und sich zudem noch um Moas kleine Schwester Hopie und das Waisenmädchen Hamaya kümmert. Moa lebt in ständiger Angst um seine Familie und sehnt sich nach einem freien, menschenwürdigen Leben für sie alle in dem sogenannten „Traumland“. 

Als die älteren Sklaven um Anführer Tacky einen Ausbruchsplan schmieden, kommt Moa dabei eine überaus entscheidende wie gefährliche Aufgabe zu: Er soll den verhassten Sklavenaufseher Mister Donaldson töten. Trotz anfänglicher Sorge vor möglichen Konsequenzen führt Moa den Auftrag zusammen mit seinem Freund Keverton aus. Getreu dem Motto „Niemand ist frei, bis alle frei sind“ ziehen die Zuckerrohrkrieger nach dem Ausbruch von einer Plantage zur nächsten, um möglichst viele Sklaven zu befreien, Waffen zu erbeuten und die weißen Peiniger zu töten. 

Nach den anfänglichen Erfolgen der Aufständischen wendet sich das Blatt, als die Kolonialregierung zwei Schiffe mit Soldaten zur Niederschlagung der Rebellion entsendet.  In der entscheidenden Schlacht fällt ein Großteil der Freiheitskämpfer, auch ihr Anführer Tacky wird ermordet. Moa und der verwundete Keverton können in den Busch fliehen, wo sich die Wege der Freunde trennen. Denn Keverton fordert Moa auf, sich allein auf den Rückweg zu seiner Familie zu begeben. Keverton dagegen zieht sich in eine Höhle an der Küste zurück, um sich dort nach dem verlorenen Kampf das Leben zu nehmen – diesen Schwur hatte er zuvor wie alle anderen erwachsenen Zuckerrohrkrieger vor den Akan-Göttern abgelegt. Zurück auf der Frontier-Plantage verabschiedet sich Moa von seiner Mutter und bricht gemeinsam mit dem Waisenmädchen Hamaya in die Ferne auf, auf der Suche nach einem Leben in Sicherheit und Freiheit. 


Die Leseprobe kann hier eingesehen werden. 

Alex Wheatles historischer Jugendroman über das Schicksal eines tapferen Jungen zur Zeit der jamaikanischen Sklavenrebellion begeistert nicht nur durch fesselnde Handlung und starke Figuren, sondern auch durch eine ungemeine sprachliche Kraft. Dank Wheatles großartiger Erzählkunst und der exzellenten Übersetzung von Conny Lösch entfaltet dieser Roman von Beginn an einen ganz besonderen Lesesog. Die erste Szene katapultiert die Leser*innen direkt hinein in die brodelnde Atmosphäre auf der Zuckerrohrplantage kurz vor Beginn des Sklavenaufstandes. 

Neben einer spannenden äußeren Handlungsstruktur rund um die Freiheitskämpfe steht auch die Gedanken- und Gefühlswelt des 14-jährigen Moa im Zentrum des Romans. Trotz der enormen zeitlichen und thematischen Distanz zur heutigen Lebenswelt fiebern die Leser*innen bereits nach wenigen Zeilen mit dem jugendlichen Protagonisten mit. Moa überzeugt als glaubwürdiger, vielschichtig gestalteter Charakter und kann daher als Identifikationsfigur für männliche Leser dienen. Er ist mutig, furchtlos und übernimmt Verantwortung für sich und andere (z.B. für das Waisenmädchen Hamaya). Als jüngster Krieger der Gruppe ist Moa fest entschlossen, unter Einsatz seines Lebens für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen. Selbst als er von einer Muskete getroffen und schwer verwundet wird, lässt er sich nicht unterkriegen. Doch der Junge erlebt auch immer wieder Momente der Überforderung und Verzweiflung, in denen er Halt bei seinem etwas älteren Freund Keverton findet. Aufgrund des personalen Erzählverhaltens können die Leser*innen an Moas Zweifeln und Gewissenskonflikten (Ist er bereit, für den Preis der Freiheit Menschen zu töten?) unmittelbar teilhaben und werden dadurch zur reflektierten Auseinandersetzung mit universellen Themen wie Leben und Tod, Freiheit und Unrecht angeregt. Erwähnenswert ist, dass Wheatle auch die Nebenfiguren als Individuen gestaltet, allen voran den als eine Art Mentor fungierenden Keverton. Insgesamt wirkt das Beziehungsgeflecht der Figuren vor dem realhistorischen Hintergrund sehr authentisch. 

Angesichts der ernsten Thematik handelt es sich um eine durchaus herausfordernde Lektüre, zumal Wheatle auch die Kampf- und Gewaltszenen schonungslos offen erzählt. Dadurch kann das Gefühl der Betroffenheit aufseiten der jugendlichen Rezipient*innen verstärkt werden. Aufgrund der historischen Distanz zu den realen Ereignissen erscheint dies für einen Jugendroman durchaus angemessen zu sein. Für einige Jugendliche könnte eine Begleit- oder Anschlusskommunikation durch Erwachsene dennoch angezeigt sein, um sich über die Leseerfahrungen mit diesem intensiven Buch auszutauschen. 

Ein großer Pluspunkt des Romans ist zweifelsohne in der Erzählweise und der bildgewaltigen Sprache zu sehen. Viele dialogstarke Szenen (z.B. zwischen Moa und Keverton) ziehen beim Lesen in den Bann. Auch die eingefügten Akan-Ausdrücke (z.B. „Kwan so Dwoodwoo“, S. 41) tragen zu einem ganz eigenen Sound bei. Für ungeübte Leser*innen könnten sowohl die literarische Sprache als auch die eingestreuten Anspielungen auf Geschichte, Kultur und Religion der Akan (z.B. Ahnenglaube) den Einstieg in die Lektüre erschweren. Wenn die Jugendlichen diese Hürde jedoch nehmen und sich auf das Buch einlassen, werden sie mit einem mitreißenden Lektüreerlebnis belohnt, das noch lange nachwirkt. 

Die Covergestaltung der deutschen Ausgabe ist überaus stimmig gelungen. Durch die Abbildung einer gesprengten Kette verweist das Buchcover im Zusammenspiel mit dem Untertitel direkt auf den Freiheitskampf der Sklaven. Ein aufschlussreiches Nachwort liefert weiterführende Informationen zum historischen Kontext der Sklavenrebellion und verdeutlicht eindrücklich die persönliche Relevanz der Thematik für den Autor, dessen Vorfahren aus Jamaika stammen. 


Aufgrund der inhaltlichen Schwerpunktsetzung (Sklavenaufstand, Kolonialismus) und der Verknüpfung mit existenziellen Fragen (Freiheit, Unterdrückung, Menschenwürde) bietet sich das Buch Cane Warriors als Unterrichtslektüre z.B. im Rahmen eines fächerübergreifenden Projektes (Deutsch, Geschichte, Ethik) an. Ebenfalls gut vorstellbar ist ein Einsatz des Romans in offenen Leseformaten, z.B. in schulischen Leseecken, Bibliotheken oder themenspezifischen Bücherkisten. 

Als Privatlektüre eignet sich Cane Warriors besonders für erfahrene Leser*innen sowie historisch interessierte Jugendliche, die sich auch gern auf Texte auf einem hohen literarischen Niveau einlassen. Wem dieser fesselnde Roman über die Sklavenrebellion in Jamaika zusagt, der kann sich bestimmt auch für Mein Name ist nicht Freitag von Jon Walter begeistern.