Buchcover Identity X – Wer ist Boston Coleman?, Frank Maria Reifenberg

Der 14-jährige Boston Coleman wird eines morgens vom FBI geweckt. Ihm werden mehrere Straftaten...

Rezensiert von Frank Münschke

Frank Maria Reifenbergs Itentity X – Wer ist Boston Coleman? baut ab der ersten Seite eine unglaubliche Spannung auf. Es geht um Zeitreisen, einen Klon aus der Zukunft und um die Rettung der Welt. Durch das nichtchronologische Erzählen, interessante Gedankenexperimente und mehrere tolle Plot Twists entsteht ein komplexes Storygeflecht, das aber nie zu kompliziert wird, da Reifenberg die Leser*innen an die Hand nimmt und geschickt durch dieses Zeiträtsel leitet – auch wenn am Ende nicht alle Fragen beantwortet werden können. Der Roman macht insgesamt große Freude und bietet sich vor allem als Lektüre für geübte Leser an.

BuchtitelIdentity X – Wer ist Boston Coleman?
AutorFrank Maria Reifenberg
GenreKrimi & Thrill
Science Fiction
Lesealter14+
Umfang256 Seiten
Edition1. Auflage
Verlagdtv
ISBN9783423740777
Preis12,95 €
Erscheinungsjahr2022

Der 14-jährige Boston Coleman wird eines morgens vom FBI geweckt. Ihm werden mehrere Straftaten vorgeworfen, unter anderem soll er einen Überfall auf einen Geldtransporter begangen haben. Die Beweise scheinen eindeutig und seine DNA-Spuren sind überall. Doch er hat ein wasserfestes Alibi und kommt deshalb wieder auf freien Fuß.

Boston findet heraus, dass er einen Doppelgänger namens Asher hat, der für die ganzen kriminellen Aktivitäten verantwortlich ist. Und damit nicht genug: Dieser kommt auch noch aus der Zukunft, hat es mit seiner Gang auf Boston abgesehen und setzt ihn unter Druck. Denn: Boston soll in die Zukunft bzw. genauer ins Jahr 2134 reisen, um die Menschheit vor einer tödlichen Pandemie zu bewahren. Boston weiß nicht, ob er ihnen glauben soll oder nicht. Auch nicht als er von Asher zwei Pillen ausgehändigt bekommt – eine, die ihn in die Zukunft bringt, und eine, die eine Zeitreise zurück ermöglicht. 

Boston wird mehrere Male von Asher bzw. seiner Gang festgehalten, kann aber immer wieder fliehen. Am Ende findet er sich in einer abgelegenen Hütte wieder. Doch wie sich herausstellt, ist er nun in der Vergangenheit und zwar im Jahr 1979 angekommen – er hat offensichtlich versehentlich die Pille genommen, die ihn aus der Zukunft in die Gegenwart zurückschicken sollte.  

Die Geschichte wird aus zwei Perspektiven erzählt: Einerseits berichtet Boston via Tonbandaufnahmen, die er in abgelegenen Hütte (also in der Vergangenheit) aufgenommen hat, von den Erlebnissen der Gegenwart. Andererseits wird parallel die Ermittlungsarbeit des FBI, genauer der beiden Ermittler*innen Rosalind und Gio, aus auktorialer Perspektive erzählt. Die beiden Erzählperspektiven bzw. die entsprechenden Kapitel wechseln sich dabei durchgängig ab.   

Über den Autor

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Boston Coleman ist ein durchschnittlicher Jugendlicher, der ohne eigenes Verschulden in eine Extremsituation gerät und dabei über sich hinauswächst. Dieser Figurentypus ist relativ typisch in vielen actionreichen Jugendbüchern und dennoch gelingt es Reifenberg, eine individualisierte Figur zu zeichnen, die – etwa durch ihre humorvoll-gewitzte Art – sowohl als handelnde Figur als auch als Erzählinstanz überzeugt. Dabei ist interessant, dass erst nach etwa einem Drittel des Romans offengelegt wird, dass es sich um einen afroamerikanischen Jugendlichen handelt. Das wäre ein gutes Spiel mit den Vorstellungen der Leser*innen gewesen – der Verlag hat dieses durch die Covergestaltung allerdings leider zunichte gemacht. 

Auch die FBI-Ermittlerin Rosalind ist eine interessante Figur: Sie ist schlau und empathisch – und beginnt mit der Zeit, an Bostons Unschuld zu glauben. Ihr Co-Ermittler Gio ist hingegen etwas stereotyp angelegt, funktioniert als Kontrastfigur (bad cop) zu Rosalind (good cop) allerdings sehr gut. 

Ausgelöst durch die wechselnden Erzählperspektiven und die damit einhergehenden unterschiedlichen Zeitpunkte des Erzählens – auch wenn die Haupthandlung grundsätzlich chronologisch erzählt wird – ist Identity X – Wer ist Boston Coleman? eine durchaus herausfordernde Lektüre: Die Leser*innen müssen immer aufmerksam sein. Reifenberg nimmt sie allerdings sehr gut an die Hand bzw. holt sie an den entscheidenden Stellen ab, sodass die verschiedenen Zeitebenen immer deutlich gemacht und auch Hintergrundinformationen geliefert werden. Daher: Der Roman ist zwar komplex, aber nicht kompliziert. Durch die beiden Erzählperspektiven gewinnt der Roman zudem auch auf sprachlicher Ebene an Reiz: In Bostons Berichten dominiert eine eher lockere Sprache, die Passagen um Rosalind sind dahingegen sehr nüchtern geschrieben. 

Die Plot Twists funktionieren allesamt, sorgen für neue Spannung und obliegen gleichzeitig immer einer erzählerischen Logik. Der Roman ist ein Page Turner, es gibt nur einzelnen Passagen, die sich leicht in die Länge ziehen. Dabei handelt es sich vor allem um Szenen, in denen Erläuterungen zu Zeitreisen von den Figuren vorgenommen werden. Diese haben allerdings konzeptionell ihre absolute Berechtigung, da die Erläuterungen für das Verständnis der Geschichte und des Rahmens notwendig sind. 

Identity X – Wer ist Boston Coleman? ist insgesamt ein spannendes und actionreiches Buch, das gekonnt Krimielemente mit dem Science-Fiction-Genre mischt und vor allem für geübte Leser*innen empfohlen wird. 


Der Roman kann im Unterricht zum Beispiel eingesetzt werden, um über nichtchronologisches Erzählen und Zeitreisen zu sprechen. Dabei bietet sich damit einhergehend auch eine Reflexion aktueller Jugendserien auf Netflix und Co. an, die diese Aspekte aufgreifen, etwa Dark oder in höheren Jahrgangsstufen auch Stranger Things.