Buchcover Ursula Poznanski: Shelter

Benny (Barista und angehender Schauspielschüler) und seine WG erfinden aus einer Partylaune heraus...

Rezensiert von Franziska de Vries

Stellen Sie sich vor, Sie denken sich eine verrückte Geschichte aus und verbreiten sie auf Social Media: Aliens besuchen die Erde und möchten die Kontrolle über die Menschheit übernehmen! Eine Geschichte, die so irre ist, dass eigentlich niemand sie glauben sollte. Doch dann verlieren Sie die Kontrolle. Und plötzlich sind Sie in Lebensgefahr.  

Im rasanten Thriller von Ursula Poznanski steht der wahnsinnige Einfluss der Sozialen Medien im Mittelpunkt und macht die gefährliche Sogkraft von Verschwörungstheorien deutlich.  

BuchtitelShelter
AutorUrsula Poznanski
GenreKrimi & Thrill
Lesealter14+
Umfang432 Seiten
Edition1. Auflage
VerlagLoewe
ISBN978-3-7432-0051-7
Preis19,95 €
Erscheinungsjahr2021

Benny (Barista und angehender Schauspielschüler) und seine WG erfinden aus einer Partylaune heraus eine Verschwörungstheorie: angeblich sind feindliche Aliens für die Erderwärmung zuständig, mit der sie die Übernahme der Erde vorbereiten. Mit einer Social Media-Kampagne wollen sie herausfinden, wie viele Personen darauf einsteigen werden. Nach kurzer Zeit eskaliert das Projekt, als sich eine unbekannte Person einschaltet, die sich Octavio nennt und die entstandene 'Shelter'-Bewegung kapert. Benny geht die Entwicklung zu weit und er versucht, den Scherz aufzuklären. Dies führt jedoch dazu, dass er und die übrigen WG-Mitwohner*innen massiv angefeindet und bedroht werden. Zwei von ihnen verschwinden spurlos. Schließlich erpresst Octavio Benny dazu, ein Rätsel zu lösen, mit dem Benny ihn ausfindig machen kann. Es stellt sich heraus, dass Octavio in Wahrheit ein 14-jähriger Junge namens Felix ist, der gegen seinen erklärten Willen auf Veranlassung seiner Eltern in einer esoterischen Wunderheilungsklinik behandelt wird, anstatt eine lebenswichtige schulmedizinische Behandlung zu bekommen. Er veranlasst Benny dazu, ihn aus der Klinik zu entführen. Nach einer dramatischen Verfolgung durch den Wunderheiler und dessen Security gelingt es Benny und Felix zu entkommen. Felix erhält die notwendige Operation und gibt seine Social Media-Accounts frei, so dass Benny und seine WG-Kolleg*innen die 'Shelter'-Bewegung eindämmen können.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Inwiefern kann man im Internet Lüge und Wahrheit unterscheiden? Was passiert, wenn aus Spaß plötzlich Ernst wird? Und wie gefährlich sind Instagram & Co. wirklich? Ursula Poznanskis neuer Thriller Shelter zeigt: es braucht nicht viel, um Menschen von einer Lüge zu überzeugen und dann selbst die Kontrolle zu verlieren. Die Autorin, auch international bekannt für ihre Krimis und Thriller, begeistert mit einem absoluten Page-Turner, der die gefährliche Sogkraft von Verschwörungstheorien deutlich macht. 

Die Handlung um Benny, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, und seine Clique beginnt harmlos und entwickelt sich rasant. Am Anfang nur eine lustige Idee, glaubt keine*r wirklich daran, dass alles so aus dem Ruder zu laufen droht. Während zu Beginn v.a. Benny und Liv, die das Projekt für ihre Bachelor-Arbeit nutzen möchte, die ganze Sache noch ordentlich anheizen, merken sie relativ schnell: so irre die Verschwörungstheorie um feindliche Aliens sein mag, immer mehr Menschen scheinen genau darin den Ursprung ihrer Probleme zu finden. Und das ist gefährlich, denn während die ehrgeizige Liv keinen Grund sieht, das Projekt zu stoppen, äußert Protagonist Benny immer häufiger Zweifel. Obwohl er als angehender Schauspielschüler kein Problem hat, in andere Rollen zu schlüpfen und verschiedene Identitäten auf u.a. Facebook einnimmt, um mit der immer größer werdenden Zahl an Anhängern der 'Shelter'-Bewegung zu kommunizieren, wirkt sich die ursprüngliche Lüge besonders auf sein reales Leben aus. Nachdem er bedroht und auf dem Weg zur Arbeit mehrfach verfolgt wird, sieht er in jeder Person, die an ihm vorbeiläuft, eine mögliche Gefahr. Poznanski stellt damit in beeindruckender Art und Weise dar, welche Auswirkungen eine immer größer werdende Lüge auf einzelne Menschen und ihre Psyche haben kann. Vor allem durch Gegenspielerin Liv zeigt die Autorin, wie die Freundschaft der Clique durch die Verschwörungstheorie langsam, aber sicher zerbricht. Nando, ein Mitbewohner und Medizin-Student, wird von einer 'Shelter'-Anhängerin vergiftet und landet im Krankenhaus. Während Benny sich sorgt, beschreibt Poznanski Livs perfide Zufriedenheit über die Entwicklung des Projekts. Damit fordert sie heraus, dass sich der junge Leser selbst eine Meinung über Livs Handlungen bildet und sich mehr mit Bennys Verhalten identifizieren kann. 

Der Protagonist kann trotz seines Alters (er ist am Anfang seines Studiums) als eine Identifikationsfigur gelten. Poznanski zeichnet ihn mutig und sympathisch, so versucht er mehrfach, die 'Shelter'-Bewegung aufzuklären und die Anhänger zur Rede zu stellen – jedoch erfolglos, die Lüge breitet sich bereits über Deutschland hinweg aus. Benny vertraut auf seine eigene Meinung und lernt im Laufe der Geschichte auch, dieser und seinen Fähigkeiten mehr zu vertrauen. 

Poznanski lässt Ratlosigkeit und Ungläubigkeit mitschwingen: Warum glauben so viele Menschen an die Alien-Verschwörung, obwohl die Geschichte doch offensichtlich zu verrückt ist, um wahr zu sein? Diese Frage stellt einen guten Anknüpfungspunkt für Diskussionen im Klassenverband oder in Lesegruppen dar. Besonders die Verantwortung steht in Shelter im Mittelpunkt, denn im Laufe der Handlung werden immer mehr Menschen verletzt oder verletzen sich selbst, um der Verschwörung zu entkommen. Wer muss dafür Verantwortung übernehmen? Die Beantwortung dieser Frage überlasst Poznanski klug den Lesenden. 

Shelter überzeugt durch die sogartige Wirkung und durch den Bezug zur Lebenswelt der Zielgruppe. Die Kapitel sind überschaubar, im Durchschnitt ca. 12 Seiten lang, somit eignet sich das Buch eher für Leser*innen mit Leseerfahrung. Die leicht verständlichen Dialoge können für eine flüssige Leseerfahrung sorgen. Einzig und allein die eingeworfenen Theater-Monologe, die Benny regelmäßig probt, behindern teilweise den Lesefluss. Dies wird aber durch die ansonsten rasante und spannende Handlung ausgeglichen. Der Thriller ist voller Denkanstöße, die schockieren und junge Leser*innen definitiv packen werden. 


Shelter ist ein Thriller, der sich gut als Freizeitlektüre eignet. Durch die Thematisierung von Social Media finden junge Leser*innen einen direkten Bezug zur eigenen Lebenswelt und können sich mit den Fragen, die das Buch stellt, selbst auseinandersetzen. Das Buch ist für junge Menschen zu empfehlen, die anhand einer spannenden Handlung zur weiteren Lektüre motiviert werden können.. Da die Figuren zum großen Teil etwas älter sind, ist Shelter eher für Jungen ab 15+ zu empfehlen.  

Shelter sollte außerdem in keiner (Schul)Bibliothek fehlen. Besonders geeignet ist der Thriller in Auszügen für einzelne Betrachtungen von gesellschaftlichen Fragen im Klassenverband, v.a. in Bezug auf Medienkompetenz und Social Media: Wie unterscheidet sich meine Identität im Internet von der Realität außerhalb von Social Media? Wer trägt online Verantwortung? Wie kann ich in den Sozialen Medien Wahrheit und Lüge unterscheiden? Hierbei kann sich mit der Website zum Buch auseinandergesetzt werden. Dort finden sich u.a. ein kurzes Video sowie Landkarten, auf denen zu sehen ist, wie die Verschwörung sich weltweit ausbreitet. 

Es lohnt sich, anhand von Shelter in die Thematik der Verschwörungstheorien einzuführen. Dazu bietet sich eine fächerübergreifende Auseinandersetzung an, z.B. im Rahmen einer Projektwoche zu den Themen Verantwortung oder Soziale Medien.