Buchcover Elys Dolan: Drache undercover. Voll verplant zum Ritterschlag

Dörfer fressen, Schätze bewachen und stricken – alles, was ein echter Drache können muss, beherrscht...

Rezensiert von Christina Gürth

Als Drache ist Lennart ein absoluter Versager, daher widmet er sich seiner wahren Bestimmung: dem Leben als Ritter. Dabei leistet ihm Das große Ritter-Handbuch für Anfänger wertvolle Dienste. Gemeinsam mit seinem Streitross Albrecht, einem gebürtigen Ziegenbock, stürzt sich Lennart kopfüber in eine mittelalterlich-komische, herrlich skurrile Abenteuerwelt. Ein Comic-Roman, dessen schräges Helden-Duo die Herzen seiner Leser*innen schnell erobern wird.  

BuchtitelDrache undercover. Voll verplant zum Ritterschlag
AutorElys Dolan
Lesealter8+
Umfang197 Seiten
Edition1. Auflage
VerlagUeberreuter
ISBN978-3-7641-5202-4
Preis12,95 €
Erscheinungsjahr2022

Dörfer fressen, Schätze bewachen und stricken – alles, was ein echter Drache können muss, beherrscht Lennart einfach nicht. So kommt es, dass er als erster Drache überhaupt durch die Drachenprüfung fällt und daraufhin seine Familie und die Drachenhöhlen für immer verlassen muss. Bei seinem Abschied stößt der Bücher liebende Lennart zufällig auf Das Große Ritter-Handbuch für Anfänger und beschließt, mit dieser Anleitung zukünftig ein Leben als Ritter zu führen. Auf der Suche nach einem geeigneten ‚Ross’ entdeckt er im nächsten ‚Gebrauchtrosshandel’ den sprechenden Ziegenbock Albrecht, der sich begeistert mit Lennart ins mittelalterlich-skurrile Abenteuerleben stürzt. Gemeinsam setzen die beiden Freunde alles daran, Lennarts Drachendasein zu verschleiern und ihm eine glanzvolle Zukunft als Ritter zu ermöglichen.  Dabei helfen ihnen nicht nur das Ritterbuch, sondern auch die pfiffigen Ideen des erfahrenen Weltenbummlers Albrecht und vor allem Lennarts eigene Stärke, die ihm auferlegten Prüfungen nicht mit Gewalt, sondern mit Worten zu lösen. So gelingt es ihnen, den Frieden im Dorf Burgenbüttel wiederherzustellen, die Prinzessin Rubella aus ihrem Tiefschlaf zu erwecken, ein Komplott gegen den König aufzudecken und das Königreich von der Schreckensherrschaft des bösen Ritters Garstig zu befreien.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Tausche Drachen gegen Ritterleben! Was kann man tun, wenn der vorgesehene Lebensweg so gar nicht zu einem passt? Mit der richtigen Ratgeberliteratur wagt man sich in ein neues Leben! Dafür entscheidet sich jedenfalls der Bücher liebende Lennart, der als Drache ein Versager ist und von einem Ritterleben träumt, seitdem ihm Das große Ritter-Handbuch für Anfänger in die Hände gefallen ist.

Immer an Lennarts Seite ist dabei der sprechende Ziegenbock Albrecht, offiziell sein ‚Ross’: Doch der abenteuerlustige und weitgereiste Bock ist eher Lennarts Mentor und schon bald sein bester Freund. Gemeinsam taucht das überaus witzige Heldengespann ein in eine von Elys Dolan erdachte und gezeichnete mittelalterlich-komische, mitunter recht skurrile Abenteuerwelt, in der sich Lennart erst bewähren muss, bevor er zum Ritter geschlagen werden kann. Zwar hat er anfangs vor, seinem Ritter-Anleitungsbuch Schritt für Schritt zu folgen, doch schnell zeigt sich, dass er vielmehr auf seine persönlichen Stärken vertrauen muss, um erfolgreich zu sein. Anfänglich ist es ein Missverstehen seiner Ritter-Anleitung, als Lennart – statt „die Fäuste sprechen“ (S.84) zu lassen – die ihm auferlegten Prüfungen mit einfachem Sprechen, also mit Worten, löst. Aber bald fällt seine besondere Fähigkeit, Problemen nicht mit Gewalt, sondern mit Worten zu begegnen, auch anderen Figuren positiv auf, und deshalb trauen sie ihm sogar zu, das Königreich zu befreien.

Unterstützt wird Lennart dabei durch allerlei gewiefte Tricks von Albrecht. Der weitgereiste Weltenbummler hält nicht allzu viel von reinem Buchwissen und hat in seinem reichen Erfahrungsschatz immer eine passende, meist abgedreht-witzige Idee parat, um auch auf die kniffligsten Herausforderungen zu reagieren.

Am Ende findet sich nicht nur Lennart in einem neuen Leben wieder, sondern auch zahlreiche Figuren schaffen es mit Hilfe der beiden sympathischen Protagonisten, sich ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuwenden: Der Dorfarzt zieht mit seinen dressierten Blutegeln fortan als Narr durch die Lande und die neben einem Medizinbücher-Stapel aufgewachsene bärtige Frau übernimmt zukünftig die medizinische Versorgung der Dorfbewohner. Und auch die Prinzessin muss nicht auf einen Königssohn warten, sondern darf mit ihrem Frosch beisammen bleiben…

Ein Happy End, bei dem jeder nach seiner Fasson glücklich werden darf.

Mit ordentlich Klamauk und viel Humor wird das ungleiche Heldenpaar für zahlreiche Lacher beim lesenden Publikum sorgen. Der Roman wartet zusätzlich mit einer ganzen Reihe von skurrilen Figuren und Handlungsorten auf, die für kurzweiligen und abwechslungsreichen Lesepaß sorgen. Die herrlich schrägen Abenteuer, die das verrückte Ritter-Duo besteht, bieten allerhand Anspielungen auf Märchen oder Sagenmotive, die ins Komische gewendet werden. Und so erinnert auch nicht nur die Frage, ob Ritterbücher als Anleitung für das ‚wahre‘ Ritterleben taugen, an einen prominenten literarischen Vorgänger, den Don Quijote.

Der Roman weist jedoch einige Merkmale auf, die für literarisch unerfahrene Leser*innen durchaus eine Herausforderung darstellen können. So ist es nicht immer leicht, den Überblick über die Vielzahl an präsentierten Figuren und Handlungsorten zu behalten. Außerdem wird die Handlungsführung wiederkehrend durch Einschübe unterbrochen, in denen der Ziegenbock Albrecht im Rückblick Abenteuer aus seinem früheren Leben erzählt. Und die wiederholt eingefügten Abbildungen aus Das Große Ritter-Handbuch für Anfänger verlangen beispielsweise von den Lesenden eine differenzierte Unterscheidung der Erzählebenen. Die grafische Darstellung unterstützt dabei das Textverständnis aber sehr gut.

Absolutes Highlight des Buches sind die witzigen Illustrationen, die ein besonderes Lesevergnügen bereiten und so zahlreich sind, dass man von einer Art Comic-Roman sprechen kann. Diese sorgen für reichlich Abwechslung und auf einige eher textlastige Seiten folgen regelmäßig Abschnitte mit vielen Zeichnungen, in denen Text und Bild gemeinsam erzählen, so dass immer wieder auch schnellere Leseerfolge möglich sind. Das Cover des Buches scheint sich gestalterisch an ein etwas jüngeres Publikum zu richten, was die Zielgruppe hoffentlich nicht davon abhalten wird, nach dem Buch zu greifen und das Innere zu entdecken.

Die verwendete Schriftgröße ist angenehm lesbar, die sprachliche Ebene weist aber zum Teil einige Herausforderungen im Wortschatz und auch im Satzbau auf, so dass Drache undercover für das eigenständige Lesen etwas geübterer Leser*innen geeignet ist, die zudem die nötige Ausdauer aufbringen, um die immerhin knapp 200 Seiten bewältigen zu können.

Elys Dolan hat mit Drache undercover einen witzigen und überaus unterhaltsamen Kinderroman geschaffen, der durch das gelungene Zusammenspiel von Text und Bild überzeugt und sofort Lust macht, sich gemeinsam mit dem verrückt-sympathischen Ritter-Ross-Duo ins (Lese-)Abenteuer zu stürzen.

Das Buch ist für etwas erfahrenere Leser*innen für die private Lektüre und für den Einsatz in freien Lesezeiten, z.B. im Rahmen von Vielleseverfahren geeignet. Zudem ist es bei Antolin gelistet.

Wie in Elys Dolans Gesamtwerk nehmen die Illustrationen auch in Drache undercover einen zentralen Stellenwert ein. Daher ist das Vorlesen (z.B. in einer größeren Gruppe) zwar prinzipiell möglich, erfordert aber einige Vorbereitung, weil den Zuhörenden auch ein Teil der Bilder zugänglich gemacht werden muss.

In der Auseinandersetzung mit dem Roman bieten sich produktionsorientierte Verfahren an (szenisches Spiel, Erzählen, Schreiben). So fordert der Text förmlich dazu auf, eigene Abenteuer-Episoden für das sympathische Heldengespann zu erfinden. Hier könnten beispielsweise auch die am Ende des Buches eingefügten Ritter-Rabatt-Coupons zum Einsatz kommen.

In Klassen, in denen die Kinder mit den im Text erwähnten Märchen- und Sagenmotiven bereits vertraut sind, könnten diese den Ausgangspunkt für eigenes Erzählen bilden, indem traditionelle Motive in ausgedachten Geschichten neu kontextualisiert oder z.B. ins Komische gewendet werden.

Im Zusammenhang mit produktiven Verfahren kann der Text auch genutzt werden, um an das für das literarische Lernen wichtige Nachvollziehen von Figurenperspektiven heranzuführen. Die Ritterwelt aus der Perspektive eines Drachen wahrgenommen, kann Lesende dazu anregen, in einem Gedankenexperiment beispielsweise einmal völlig gegensätzliche Perspektiven einzunehmen.

Für eine kreative Form der Leseflüssigkeitsförderung und die Übung ausdrucksvollen Vorlesens können die im Text angelegten, oft sehr witzigen Dialoge auszugsweise in Lesetheater-Skripte umgewandelt und für das Einüben in Kleingruppen aufbereitet werden. Dabei ist ggf. eine sprachliche Anpassung notwendig, um sicherzustellen, dass auch ungeübte Leser*innen die Textauszüge gut bewältigen können.

Drache undercover eignet sich auch als Ausgangspunkt für das gemeinsame Entdecken der Buchgattung ‚Ratgeberliteratur‘. Dass für den Protagonisten Lennart diese Buchgattung besonders wichtig ist, zeigt auch ein Blick ins englische Original, welches den Ratgeber prominent im Titel führt: Knighthood for Beginners. Zudem sind in englischer Sprache bereits weitere Lennart-Abenteuer erschienen, die einem ähnlichen Prinzip folgen. So erlebt Lennart (Dave) mit Albrecht noch mehr Abenteuer im mittelalterlichen Setting (Wizarding for Beginners und King Dave: Royalty for Beginners) – zunächst aber nur im englischen Original [vgl. elysdolan.com].