Buchcover Benedict Wells: Hard Land

Sam (15) lebt mit seinen Eltern in der fiktiven Kleinstadt Grady/Missouri. Er ist ein ängstlicher,...

Rezension von Tanja Hattermann

„Hard Land“ ist eine bewegende Coming of Age-Story über Freundschaft, Liebe, Familie und Tod, die besonders durch ihre originellen Figuren und die dichte Erzählatmosphäre begeistert. Als Leser*innen begleiten wir den 15-jährigen Ich-Erzähler Sam ein Jahr lang auf der Suche nach der eigenen Identität, immer untermalt vom authentischen Soundtrack der 80er-Jahre.  In den Sommerferien jobbt der schüchterne Außenseiter in dem alten Kino seines Heimatortes in Missouri, um sich von den Sorgen um seine todkranke Mutter abzulenken. Als er dort auf die unkonventionelle Kirstie und ihre Freunde trifft, geht es in Sams Leben plötzlich turbulent zu. - Ein Roman über das Erwachsenwerden, der nicht nur Film- und Musikfans der Achtziger in den Bann zieht. 

BuchtitelHard Land
AutorBenedict Wells
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang343 Seiten
VerlagDiogenes
ISBN978-3-257-07148-1
Preis24,00 €

Sam (15) lebt mit seinen Eltern in der fiktiven Kleinstadt Grady/Missouri. Er ist ein ängstlicher, eher in sich gekehrter Junge, der gern Gitarre spielt und sich nach Gemeinschaft und Zugehörigkeit sehnt. Doch zunächst sieht Sam trostlosen Sommerferien entgegen: Sein einziger Freund ist nach Kanada gezogen, die Mutter unheilbar krank und der arbeitslose Vater verschließt sich gegenüber seinem Sohn. Einziger Lichtblick ist der Aushilfsjob im verstaubten Kino, wo Sam bald unverhofft Anschluss bei drei älteren Jugendlichen findet. Er verliebt sich in die geheimnisvolle Kirstie und freundet sich mit Hightower und Cameron an. Gänzlich unbeschwert ist dieser Sommer dennoch nicht: Sam spürt, dass der Abschied von der geliebten Mutter bevorsteht, zudem werden seine neuen Freude Grady bald verlassen, um an weit entfernten Colleges zu studieren. Wie im Rausch erlebt Sam einzigartige Ferienwochen mit emotionaler Achterbahnfahrt, Mutproben und ausgelassenen Partynächten. In der Nacht, als Sam mit der Kino-Clique seinen 16. Geburtstag feiert und von Kirstie geküsst wird, stirbt seine Mutter. Er macht sich große Vorwürfe, in ihren letzten Lebenswochen nicht mehr Zeit mit ihr verbracht zu haben. Auf der Trauerfeier spielt Sam einen Song von Billy Idol zu Ehren seiner Mutter auf der neuen E-Gitarre, die ein Geburtstagsgeschenk der Eltern war. Allein mit dem schweigsamen Vater zurückgelassen, hat Sam es zunächst schwer, mit seiner Trauer und Wut zurechtzukommen. Doch dank der Unterstützung seiner Freunde gelingt es ihm, sich der Herausforderung zu stellen. Sam schließt sich dem Theaterkurs an und schreibt eigene Songs für seine große Liebe Kirstie. Auch das Verhältnis zu seinem Vater entwickelt sich positiv. Und im darauffolgenden Sommer kehrt Kirstie überraschend nach Grady zurück… 

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Hard Land von Bestsellerautor Benedict Wells ist eine atmosphärisch dicht erzählte Coming of Age-Story über Liebe, Vertrauen und Verlust, die durch jugendliches Lebensgefühl begeistert. Es werden universelle Themen verhandelt, die vielfältige Bezüge auch zur Lebenswelt heutiger Teenager aufweisen, wie z.B. Liebeskummer, Abenteuer mit der Clique, Vater-Sohn-Verhältnis, Überwindung von Ängsten. 

„Euphancholie“ – diese von Kirstie geprägte Wortschöpfung aus Euphorie und Melancholie beschreibt die Stimmung dieses unvergesslichen Sommers und gleichzeitig den Erzählton des Buches überaus treffend. Im Zentrum des Romans steht weniger eine spannende äußere Handlungsstruktur als vielmehr die Identitätssuche des Protagonisten. Sam, aus dessen Perspektive erzählt wird, fungiert als Identifikationsfigur für jugendliche Leser, da er im Lauf der Geschichte wichtige Schwellensituationen bewältigt und eine gut nachvollziehbare Entwicklung durchlebt. Aufgrund des personalen Erzählverhaltens können die Leser*innen unmittelbar an seinen ambivalenten Gefühlen und inneren Konflikten teilhaben und werden gleichzeitig in Sams Alltagsleben in dem amerikanischen Provinzkaff hineingezogen. So sind wir als Rezipient*innen ganz nah dran, wenn Sam mit seinen Freunden im Kino abhängt, am See feiert oder in Hightowers Pick-up „Bruce-Mobil“ durch die Umgebung cruist. Besonders eindrücklich ist das Verhältnis von Sam und Kirstie gestaltet. Er verliebt sich Hals über Kopf, während die ältere Kirstie zunächst auf Distanz bleibt und auf eine freundschaftliche Beziehung pocht. Sam ist zugleich fasziniert und irritiert von dem unberechenbaren Mädchen und versucht, seine Gefühle und Hoffnungen in selbst komponierten Songs auszudrücken. Zugleich ist es in erster Linie Kirstie, die ihm durch Mutproben zu mehr Selbstbewusstsein verhilft, nach dem Tod der Mutter Halt gibt und Sam auf ihre ganz eigene Art bei der Trauerbewältigung zur Seite steht. Die behutsame Annäherung zwischen Vater und Sohn nach dem Verlust der Mutter wird ebenfalls überzeugend erzählt. Auch Sams leicht verschrobene Freunde Hightower und Cameron sind nuanciert gezeichnete Charaktere mit Ecken und Kanten. 

Das Covermotiv, ein Ölgemälde eines zeitgenössischen Künstlers, wird jugendliche Leser*innen eher nicht von sich aus zum Buch greifen lassen. Der Titel eröffnet einerseits Raum für unterschiedliche leserseitige Assoziationen und verweist andererseits auf den Gedichtband Hard Land, der Pflichtlektüre in Gradys Highschool ist und auch von Sam interpretiert werden muss.

Der Roman ist in fünf Teile und 49 kurze Kapitel gegliedert, in Anlehnung an die „49 Geheimnisse von Grady“. Die gewählte Schriftgröße ist recht klein, die Seiten sind eng bedruckt. Dies könnte eine formale Hürde für ungeübte Leser*innen darstellen. Obwohl der Diogenes-Verlag primär ein erwachsenes Publikum adressiert, zeichnet sich dieser Roman durch eine insgesamt leicht zugängliche Sprache sowie glaubhafte und teils auch sehr witzige Dialoge zwischen den Jugendlichen aus. Es gibt zahlreiche Anspielungen und Verweise auf Filmklassiker und Songtitel, deren Kenntnis für den Nachvollzug der Handlung allerdings nicht erforderlich ist. Die Fülle an popkulturellen Bezügen sollte sich somit zumindest bei erfahrenen Leser*innen nicht störend auf den Lesefluss auswirken. Möglicherweise werden jugendliche Rezipient*innen sogar dazu angeregt, die im Roman erwähnten Filme wie „Zurück in die Zukunft“ oder „American Graffiti“ begleitend anzuschauen. Zudem besteht die Option, sich die eigens vom Autor zusammengestellte Playlist mit dem Soundtrack der Achtziger herunterzuladen. 

Fazit: Als Freizeitlektüre ist der Roman besonders für etwas ältere Jugendliche (ab 15+) zu empfehlen, die bereits versierte Leser*innen sind sowie Interesse an adoleszenten Themen wie Identitätsfindung und/oder der amerikanischen Popkultur der 80er-Jahre haben. 

Aufgrund der Reichhaltigkeit an universellen Themen (u.a. erste Liebe, familiäre Konflikte, Trauerbewältigung) eignet sich das Buch gut als Unterrichtslektüre ab 9./10. Klasse. Mit Kirstie hätten auch die Mädchen eine starke Identifikationsfigur. Auf die popkulturellen Verweise könnte anhand ausgewählter Filme oder Musiktitel im Unterricht eingegangen werden. Hierfür bietet sich die von Benedict Wells erstellte Playlist mit dem Soundtrack zum Roman sehr gut an.

Unter folgendem Link stehen vielfältige Unterrichtsideen zur Verfügung, die von Studierenden der PH Bern in Zusammenarbeit mit dem Autor konzipiert wurden und insbesondere die Förderung des literarischen Lernens in den Blick nehmen. Auch kurze Videoclips mit Benedict Wells im Interview sind hier abrufbar: 

Des Weiteren ist der Einsatz des Buches in freien Leseformaten denkbar, z.B. als Bestandteil von Schulbibliotheken, genrespezifischen Bücherkisten (Coming of Age) oder im Rahmen von Buchvorstellungen.