Buchcover Jennifer Bell: Wonderscape – Wettlauf gegen die Zeit

Die drei Jugendlichen Arthur, Ren und Cecily kennen sich nur flüchtig vom Schulflur und haben...

Rezension von Kristina Schmitt

Gaming hautnah – durch einen Unfall befinden sich die drei Jugendlichen Arthur, Ren und Cecily im Jahr 2473 in einem futuristischen Abenteuerspiel namens ‚Wonderscape‘. Um sich aus dem Spiel zu befreien, müssen sie als Team innerhalb von 57 Stunden die schwierigsten Challenges verschiedener Realms schaffen, den verschollenen Weltenschlüssel finden und gegen die Spieleentwickler antreten. Ein gefährlicher Wettlauf gegen die Zeit – Action pur!

BuchtitelWonderscape – Wettlauf gegen die Zeit
AutorJennifer Bell
GenreAbenteuer
Fantasy
Lesealter12+
Umfang414 Seiten
ISBN978-3-96129-185-4
Preis15,99 €

Die drei Jugendlichen Arthur, Ren und Cecily kennen sich nur flüchtig vom Schulflur und haben normalerweise nichts miteinander zu tun. Als sie jeweils durch den ruhigen Vorort zur Schule gehen, kreuzen sich ihre Wege, denn sie werden von einem lauten Knall erschreckt: Eine Explosion in dem leerstehenden Haus 27, die Arthur zu Boden wirft und Ren und Cecily herbeieilen lässt. Während sie die Polizei rufen, hören sie in dem zerstörten Haus das Jaulen eines Hundes. Cecily zögert nicht lange und folgt dem Winseln. Arthur und Ren wollen sie aufhalten und laufen ihr hinterher. In einem Zimmer finden sie den kleinen weißen Hund – „Cloud“ lesen sie auf der Hundemarke – doch auf einmal können sie den Raum nicht mehr verlassen. Auf mysteriöse Weise ist die Türe verschlossen, dann sogar ganz verschwunden. Der Raum verändert sich immer mehr und es dauert eine Weile, bis sie verstehen, dass sie nicht mehr im Haus 27 sind, sondern durch ein Zeitportal direkt in ein Videospiel und damit in eine virtuelle Welt der Zukunft des Jahres 2473 katapultiert worden sind. Gemeinsam mit dem Hund Cloud sind die drei Jugendlichen in dem Spiel ‚Wonderscape‘ gefangen und auf der Suche nach dem Portal, das sie zurück nach Hause bringt, durchkreuzen sie verschiedene Welten des Spiels, sog. Realms. In jedem Realm, das sich je einem*r Held*in der Zeitgeschichte widmet, müssen sie Challenges bestehen, um weiterzukommen. Dabei sitzt ihnen die Zeit im Nacken, denn sie haben nur 57 Stunden, sonst gibt es keinen Weg zurück mehr und die Körper der drei Jugendlichen werden durch die Gesetze des Universums automatisch zu Protoplasma, also Zellschleim. Doch es wird immer kniffliger, denn um zurückkehren zu können, benötigen sie einen Weltenschlüssel, den nur die Spielentwickler*innen besitzen. Die drei Gründer*innen, die das Spiel ‚Wonderscape‘ gemeinsam entwickelt haben, sind Milo, Valeria und Tiburon – adoptierte Geschwister, die jeweils für unterschiedliche Innovationen innerhalb des Spiels verantwortlich sind. Für Arthur, Ren und Cecily ist vor allem Milo, der Jüngste des Trios, von Bedeutung, denn er hat die Weltenschlüssel erfunden. Doch ausgerechnet dieser ist seit vier Jahren verschwunden. Auf der Suche nach Milo und dem Weltenschlüssel entlarven die Jugendlichen den Konflikt der drei Geschwister und enttarnen die Entführung von Milo durch den älteren Bruder Tiburon. Um Milo und sich selbst zu retten, müssen sie gemeinsam mit Cloud und allen Held*innen des Spiels gegen Tiburon und die Schwester Valeria antreten und den Frieden in ‚Wonderscape‘ wiederherstellen.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden. 

Wonderscape ist ein temporeiches Action-Abenteuer, das nicht nur Fans von Videospielen in seinen Bann zieht. Jennifer Bell hat mit dem virtuellen Hxperion Universum, in welchem die drei Jugendlichen gefangen sind, faszinierende Welten kreiert, die durch die verschiedenen Held*innen der Zeitgeschichte eine besondere Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft schaffen. 

Das „In-Reality Adventure Game“ (S. 73), das in der Zukunft im 25. Jahrhundert als Rollenspiel in einer virtuellen Realität die Spieler*innen real agieren lässt, ermöglicht das Reisen in verschiedene Welten, sog. Realms, die durch Weltenportale zugänglich werden. Hier hat sich die Autorin an bekannten Strukturen von Videospielen orientiert, diese jedoch mit der futuristischen In-Reality Aktion weitergesponnen. Durch den verwendeten Wortschatz wie Realm, Loot, Coins, Skills usw. und die detailreichen Symbole wie die Hollogramme, die beim Betreten jeder Welt mit Spielanweisungen erscheinen, wird an die Muster von Videospielen und damit an das Vorwissen der jungen Leser*innen angeknüpft. Dies erleichtert das Hineinversetzen in die fantastische Welt von ‚Wonderscape‘, welches die Strukturen der diversen Spielewelten, die die jugendliche Zielgruppe im eigenen Spielen selbst durchlebt, aufgreift und damit den Leseprozess entlastet. 

Ein besonderes Highlight des Romans sind die verschiedenen Held*innen, die in jedem Realm eine wichtige Rolle spielen und Arthur, Ren und Cecily auf ihrem Weg unterstützen. Dies gibt dem futuristischen Setting in Verbindung mit dem Wiedererkennen berühmter Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, die vom 12. bis zum 25. Jahrhundert (mit fiktiven Charakteren) die unterschiedlichsten Epochen und Nationalitäten abdecken, eine besondere Spannung – so erklärt zum Beispiel Isaac Newton (1643-1727) den drei Jugendlichen die technischen Neuerungen aus dem Jahr 2473. Die Disziplinen und Fähigkeiten der Held*innen spiegeln sich auch in den Challenges wider: So müssen die Spieler*innen z. B. in dem Realm mit der Umweltaktivistin Wangari Maathai (1940-2011) den Regenwald aufforsten oder die Geschicklichkeit der japanischen Samurai-Kriegerin Tomoe Gozen(1157-1247), die viele Jugendliche aus Mangas kennen, in einem Rennen anwenden. Am Ende arbeiten sogar alle Held*innen zusammen und treffen sich in der Welt von Mary Shelley (1797-1851), Autorin von Frankenstein, um mit Arthur, Ren und Cecily den ältesten Bruder des Spielentwickler-Trios zu entlarven, der das Spiel heimlich manipuliert, seinen Bruder entführt und seine Schwester belogen hat. Durch die vielen verschiedenen Themen, die von der Physik über die japanische Geschichte und Literaturwissenschaft bis zum Umweltschutz reichen, können die Interessen zahlreicher junger Leser*innen angesprochen werden. Für Experten in den jeweiligen Bereichen sind auch Insider und Zusatzinformationen angeführt, die allerdings für das Verständnis nicht erforderlich sind. Der Fokus der Handlung liegt auf den Abenteuern, die man auch ohne Wissen über die jeweiligen Held*innen verfolgen kann und die dadurch alle Leser*innen ansprechen.

Die Spannung setzt gleich zu Beginn mit der Explosion ein und bleibt bis zum Ende aufrechterhalten. Besonders die gefährlichen actionreichen Challenges wie das Autorennen über Klippen, die Verfolgungsjagd der Roboter, das nervenaufreibende Labyrinth sind nichts für schwache Nerven. Die temporeiche Erzählweise und die Wechsel der verschiedenen Welten treiben die Spannung immer weiter an. Auch der stetig wachsende Zeitdruck und die Gefühlswelt der Jugendlichen, deren Nervosität und Angst immer mehr steigt, lassen die Leser*innen so sehr mitfiebern, dass man das Buch kaum aus den Händen legen kann.  Damit kommt die Lektüre von Wonderscape dem Sog und der Schnelligkeit von Videospielen schon sehr nahe.

Überzeugend ist auch die Darstellung der Protagonist*innen. Im Zentrum steht der 13-jährige Arthur, der als authentische Identifikationsfigur dienen kann. Besonders spannend ist aber die Konstellation mit Ren und Cecily – drei völlig unterschiedliche Jugendliche, die auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben. Während des Spiels lernen sie, als Team zu agieren und wachsen nach und nach zusammen. Durch ihre „WonderCAPES“, Umhänge, die von allen Spieler*innen getragen werden, erhält die Figurenentwicklung eine weitere Dimension: die drei Jugendlichen erhalten über die Capes Superkräfte, die sie jeweils erst entdecken müssen und zu ihrer Persönlichkeitsentwicklung beitragen. 

Zudem ist der Hund Cloud, der sich als Roboter entpuppt und diverse Tiergestalten annehmen kann, ein konstanter Begleiter und trägt mit seinen Fähigkeiten nicht nur zur Rettung, sondern auch zum Zusammenhalt der Teenager bei. So ist Wonderscape mit all der Action und den Abenteuern vor allem eine Geschichte über Freundschaft und Mut, die die Leser*innen nicht unberührt lässt.

Wonderscape bietet zahlreiche Anknüpfungspunkte sowohl als Freizeitlektüre, Leseempfehlung in der Klassen-/Schulbibliothek als auch als Klassenlektüre.

Die verschiedenen Themengebiete wie Physik, Umweltschutz, Japan, Frankenstein usw. eignen sich für eine fächerübergreifende Behandlung des Romans. Auch Videospiele lassen sich in einem symmedialen Ansatz anhand von Wonderscape reflektieren, analysieren und mit dem Buch vergleichen (z.B. Aufbau, Wortschatz, narrative Strukturen, wiederkehrende Elemente, etc.).

Zudem bieten sich Diskussionen und Projekte zum Thema technischer Fortschritt der Zukunft und Virtual und Augmented Reality an.