Buchcover Kevin Wignall: When we were lost

Ein Flugzeug stürzt über dem Amazonas-Gebiet ab und nur 19 Jugendliche überleben. Die Jungen und...

Rezension von Frank Münschke

Ein Flugzeugabsturz abseits der Zivilisation, nur eine Gruppe Jugendlicher überlebt. Dieses Sujet ist innerhalb der Jugendliteratur altbekannt und dennoch gelingt es Kevin Wignall, den Leser ab der ersten Seite zu fesseln. When we were lost ist ein spannungsgeladener Survival-Thriller, der voller Überraschungen steckt und den der Leser nicht aus der Hand legen möchte.

BuchtitelWhen we were lost
AutorKevin Wignall
GenreAbenteuer
Lesealter14+
Umfang352 Seiten
Verlagcbt
ISBN978-3-570-31329-9
Preis13,00 €

Ein Flugzeug stürzt über dem Amazonas-Gebiet ab und nur 19 Jugendliche überleben. Die Jungen und Mädchen besuchen alle dieselbe Schule, aber kennen sich größtenteils nur flüchtig. Schon kurz nach der unfreiwilligen Ankunft im Dschungel überschlagen sich die Ereignisse: Es kommt zu Angriffen von wilden Tieren, die Essensvorräte werden knapp, die Hitze ist erdrückend und als es dann doch Hoffnung auf Rettung gibt, entpuppen sich die Hütten im Dschungel als Drogenlabore. Nur mit Glück und Geschick (und unter Anwendung einer Schusswaffe) können zwei gefangene Jugendliche aus den Fängen der Drogenhändler wieder befreit werden. Unter den Jugendlichen bilden sich neue Allianzen und Freundschaften, gleichzeitig spitzen sich Konflikte immer mehr zu. Am Ende scheint es aber tatsächlich Rettung zu geben und die Jugendlichen entdecken einen Fluss: Sie bauen zwei Flöße und wollen auf diesen flussabwärts fahren. Doch das Gewässer birgt Gefahren. Unter höchster körperlicher Anstrengung gelingt es ihnen allerdings, eine Siedlung zu erreichen. 

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

Die Ausgangssituation des Romans erinnert stark an den Jugendliteraturklassiker Herr der Fliegen von William Golding. Hierauf wird auch mehrere Male direkt und indirekt angespielt. Kevin Wignall gelingt es allerdings, sich von diesem literarischen Vorbild zu lösen. Auch wenn – ähnlich wie bei Golding – gesellschaftliche und sozialpsychologische Aspekte verhandelt werden, stehen eindeutig Abenteuer und Spannung im Zentrum. Der Autor nutzt das vertraute Setting, um einen actionreichen Survival-Thriller zu erzählen, bei der es um Leben und Tod geht. 

Auf den ersten Seiten werden zwar relativ viele Figurennamen genannt, der Fokus wird im weiteren Verlauf aber auf eine überschaubare Anzahl an Figuren gelegt und im Zentrum steht der 17-jährige Tom, der als Reflektorfigur dient. Tom bietet sich als Identifikationsfigur für jugendliche Leser*innen an: Ist er zu Beginn ein sympathischer aber eher antriebsloser Junge, der im Schulalltag nicht auffällt und auch nicht auffallen möchte, entwickelt er sich im Laufe des Handlung zu einer aktiven Figur, die Verantwortung übernimmt, über sich hinauswächst und dabei durchweg sympathisch bleibt. Wignall kann sich bei der Zeichnung der Nebenfiguren zwar nicht immer von Stereotypisierungen freimachen, die Lesefreunde leidet darunter allerdings nicht. 

Toms Entwicklung geht auch mit interessanten gruppendynamischen Prozessen einher: Es bilden sich neue Freundschaften (etwa zwischen Tom und der taffen Alice), es entstehen gleichzeitig Konflikte unter den Jugendlichen und es kommt zur Umkehrung der Rollenverhältnisse. Die Nerds der Schule sind nun überlebenswichtig für die Gruppe, die coolen Schüler (etwa Joel) übernehmen zwar Verantwortung, treffen aber auch falsche Entscheidungen. Am Ende gelingt den Jugendlichen nur gemeinsam der Weg zurück in die Zivilisation. 

Im Prolog und Epilog stehen Überlegungen zum Schmetterlingseffekt im Zentrum. Die Ausführungen sind dabei durchaus interessant, für das Verständnis der Handlung sind diese aber nebensächlich und der Roman bekommt dadurch keine zusätzliche Bedeutungsebene. 

Insgesamt ist Kevin Wignalls When we were lost ein spannungsreicher Pageturner, der durch ein gelungenes Setting, eine tolle Hauptfigur und viele ungeahnte Wendungen aufwartet und sich sowohl für Lesemuffel als auch für leidenschaftliche Leser*innen eignet.

Für die Arbeit im Unterricht bietet sich besonders ein Vergleich mit William Goldings Herr der Fliegen an. Es ließen sich etwa Parallelen und Unterschiede (auf narrativer Ebene, auf Figurenebene, etc.) herausarbeiten. Eine solche Unterrichtseinheit könnte wie folgt aussehen: 1. Unterrichtslektüre von und Textarbeit mit When we were lost, 2. Präsentation/Referat zu Herr der Fliegen, um intertextuelle Verweise/Übernahmen aufzuzeigen.  

Damit einher geht auch, dass – ebenso wie in Herr der Fliegen – in When we were lost gesellschaftliche Systeme wie Demokratie verhandelt werden. Es böte sich also auch eine fächerübergreifende Beschäftigung mit dem Roman oder den Romanen an, in der verschiedene Gesellschaftssystem vorgestellt bzw. herausgearbeitet und mit der Romanhandlung bzw. den Romanhandlungen zusammengebracht werden. 

When we were lost soll 2023 in die Kinos kommen, im Unterricht kann bereits vor der Verfilmung filmdidaktisch gearbeitet werden, etwa indem in der Klasse ein Casting durchgeführt wird und neben der Rollenbesetzung auch die wichtigsten Positionen, die für die Produktion eines Films benötigt werden (Regie, Kamera, Beleuchtung, etc.), verteilt werden.

When we were lost kann mit Nachdruck auch lesefaulen Jugendlichen als Privatlektüre empfohlen werden.