Buchcover Erin Jade Lange: Firewall

Eli (16) ist in der Schule unterfordert. Seine große Leidenschaft ist das Hacken, bei dem er zwar...

Rezension von Ines Heiser

Nichts wünscht sich der junge Hacker Eli mehr als an der Amerikanischen Cybersicherheitsmeisterschaft teilzunehmen: Dort kann er auf seine Skills als Programmierer aufmerksam machen und vielleicht bekommt er die Chance, bei einem großen Unternehmen als Cyber-Experte anzuheuern. Als Mouse und Seth ihn in ihr Wettkampfteam einladen, zögert er deswegen nicht lange. Aber schnell entwickelt das von ihnen vorbereitete Real-Life-Projekt immer eigenartigere Züge und bald ist sich Eli nicht mehr sicher, ob es den beiden wirklich nur um den Hacker-Wettbewerb geht... Ein echter Pageturner, der das aktuelle Thema Cybermobbing mit Fragen von Freundschaft und Integrität verbindet.

BuchtitelFirewall
AutorErin Jade Lange
GenreKrimi & Thrill
Lesealter14+
Umfang347 Seiten
Verlagmagellan
ISBN978-3-423-7348-5045-5
Preis16,00 €

Eli (16) ist in der Schule unterfordert. Seine große Leidenschaft ist das Hacken, bei dem er zwar keine bösen Absichten hat, aber nicht immer an die Folgen für andere denkt. Als er von zwei Schulkameraden, Seth und Mouse, mit einer spektakulären Schnitzeljagd aufgefordert wird, sich ihrer Hackermannschaft für die Amerikanische Cybersicherheitsmeisterschaften anzuschließen, zögert er nur ganz kurz: Da nur Dreierteams teilnehmen können, wird sein bester Freund Zach, mit dem er sein Hobby teilt, nicht dabei sein. Elis Neugier auf die Meisterschaften und sein Ehrgeiz siegen jedoch, zudem wissen Mouse und Seth von seinen problematischen Cyber-Aktivitäten und üben damit Druck auf ihn aus. Ein Bestandteil des Wettbewerbs ist ein Real-Life-Hack, ein Projekt im realen Internet, das vor Beginn der Meisterschaften durchzuführen ist. Nach einem aufsehenerregenden Suizid an Elis Highschool, bei dem sich ein Schüler in der Cafeteria selbst verbrannte, ist die Nutzung von Sozialen Netzwerken für Schüler*innen stark reglementiert, weil Cybermobbing als Ursache für das Ereignis gilt. Seth, Mouse und Eli richten daher eine Plattform ein, auf der in Gedenken an den toten Jordan auch ansonsten verbotene Inhalte gepostet werden können und schützen diese Seite vor den Kontrollbehörden. Das Projekt gerät jedoch schnell außer Kontrolle, als zunehmend bloßstellende Bilder und Videos dort auftauchen und bald stellt sich heraus, dass auch Seth und Mouse nicht nur ehrenwerte Ziele verfolgen.

Leseprobe; S. 12f.

Nachdem ich [auf dem Schulklo] endlich allein war, drückte ich aus purer Gewohnheit auf die Klospülung und wagte mich aus der Kabine […] Aber als ich vor dem Spiegel stand, sah ich gar nicht mich selbst. Sondern eine Zeile schwarzes Filzstiftgekritzel. 01000001 01000100 01010010 01000001 01010011 01010100 01000101 01001001 01000001 

Die meisten Leute hätten damit wahrscheinlich nichts anfangen können. Aber mein Gehirn legte sofort los und machte sich an die Übersetzung. Das war ein ganz simpler Binärcode, trotzdem konnte ich auf den ersten Blick nur das vorderste Päckchen entziffern, ein großes A. Für die anderen würde ich ein paar Minuten länger brauchen, die viel interessantere Frage war aber sowieso, warum der Typ mir überhaupt eine Nachricht hinterlassen hatte – noch dazu in einer Programmiersprache, die ich beherrschte. Kannte der mich etwa? Und wenn ja, warum hatte der Feigling mir dann bitteschön nicht geholfen, sondern sich in einer Klokabine verschanzt? […]

Ein warnendes Klingeln hallte durch das Gebäude. Mir blieb keine Zeit mehr zum Übersetzen, also schoss ich schnell ein Handyfoto von der Schrift und wischte sie mit einem nassen Papiertuch vom Spiegel. Oder verschmierte sie zumindest so, dass sie hoffentlich keiner mehr lesen konnte. Ich hatte nur noch eine Minute und musste mich selbst noch halbwegs präsentabel machen. 

Firewall beginnt dramatisch: mit einer Erinnerung Elis an den Moment, als Jordan Springer sich in der Cafeteria der Schule verbrennt. Eine große Dramatik und die schnelle Abfolge immer neuer Wendungen sind charakteristisch für Langes Roman: Eli erhält eine geheimnisvolle Botschaft in Binärcode, er muss sich entscheiden, ob er gegen seine eigentlichen Loyalitäten mit den beiden Außenseitern Seth und Mouse an dem Wettbewerb teilnehmen will. Im Verlauf des Projekts wird er immer mehr zum Getriebenen, da Seth und Mouse immer drastischere Inhalte auf die Wettbewerbswebsite stellen und auch nicht davor zurückschrecken, mit illegalen Methoden selbst belastenden Content zu produzieren. Es entspinnt sich eine temporeiche Thrillerhandlung, die um die Frage kreist, warum Seth und Mouse, die – soweit in der Schulöffentlichkeit bekannt ist – wenig mit Jordan zu tun hatten, sich so engagiert in eine Aktion verbeißen, die vorgibt, seine Mobber zur Rechenschaft ziehen zu wollen und um die unklaren Auslöser für dessen Suizid. Begleitet wird diese äußere Handlung durch eine starke innere Handlungsebene: Eli steht selbst zwar ebenfalls eher am Rand der Schulgemeinschaft und ist riskanten Hacks durchaus nicht abgeneigt, solange er sie in eigener Regie und zu eigenen Bedingungen durchführen kann. Gleichzeitig ist er aber eine faire und integre Person und er schreckt davor zurück, Mitschüler*innen gezielt zu demütigen. 

Durch die von Lange authentisch gestaltete Ich-Erzählung lassen sich Elis zunehmende Irritation und sein immer größer werdendes Misstrauen gegenüber seinen beiden Teamkollegen direkt mitverfolgen. Die zunehmend ins Zentrum rückenden Fragen nach der Verhältnismäßigkeit bestimmter Mittel, nach der Rechtmäßigkeit von Selbstjustiz und der Grenze zwischen Rache und Gerechtigkeit stellt sich der*die Lesende so selbst – es handelt sich dabei um Themen von hoher Alltagsrelevanz, die nicht nur Heranwachsende dieser Altersstufe und nicht nur Cyberaktivitäten betreffen. Die entsprechenden moralischen Konflikte entwickelt Lange zwar am Beispiel einer Hacker-Geschichte, es sind für die Lektüre aber keine einschlägigen Fachkenntnisse erforderlich, da technische Details eher am Rande eine Rolle spielen und allgemeinverständlich erklärt werden. Im Kern erzählt Lange über integres Verhalten und Loyalitätskonflikte in Mobbingfällen, so dass ein besonderes Interesse an der Hackerszene den Zugang zum Roman zwar erleichtert, Firewall aber auch eine spannende Lektüre für Personen darstellt, die damit wenig zu tun haben. 

Es gelingt Lange, ihre Hauptfiguren vielschichtig und glaubwürdig wirken zu lassen. Zu kritisieren ist hier allerdings, dass dies nur für die männlichen Protagonisten gilt, während die wenigen ausführlicher dargestellten weiblichen Nebenfiguren – Elis Stiefmutter Misty und sein Schwarm Isabel – ziemlich stereotyp erscheinen. Auch ansonsten greift Lange teils auf typische Elemente des Genres der Highschool-Geschichte zurück, sie arrangiert diese aber auf frische, intelligente Art und Weise, so dass sie einen unterhaltsamen Hintergrund für die Thrillerhandlung bieten.      

Einen leichten Zugang zu Firewall finden sicher insbesondere Leser*innen, die sich für die Hackerszene interessieren. Die Cybermobbing-Thematik und die Diskussion um angemessenes Verhalten in sozialen Netzwerken ist dagegen für alle Heranwachsenden aktuell und relevant. Aufgrund dieser breiten Zielgruppe passt Firewall – nicht zuletzt auch wegen des attraktiven Covers – gut in jede Schulbibliothek.

Der Roman eignet sich außerdem für Bildungsprojekte zum Thema Mediensicherheit oder – etwas breiter gefasst – zur allgemeinen Mobbingprävention. Hier kann er als (Teil-)Lektüre, als Tipp zur Weiterarbeit oder auch als Bestandteil einer Lesekiste zum Thema verwendet werden.

Falls im Rahmen des regulären Deutschunterrichts mit Firewall gearbeitet werden soll, sollte die stereotype Genderkonzeption wenigstens kurz explizit aufgegriffen werden. Ansonsten bietet der Roman auch hier durchaus einige interessante Arbeitsmöglichkeiten, z.B. im Bereich der Reflexion von Sprache, da relativ breit Chatkommunikation dargestellt wird.