Buchcover Kim Fupz Aakeson: Hugo & Hassan

Hugo ist stinksauer, weil er mit seinem Rad nur auf dem öden Hof und nicht auf der (aus Sicht seiner...

Rezension von Stefanie Boor

Heftig und voller Power – so tritt der neue Comic Hugo & Hassan auf. Als sich die beiden Jungen im Hinterhof kennenlernen, fliegen gleich die (Wort-)Fetzen. Und sofort sind sie beste Looser-Freunde. Der Ton bleibt rau und so manches Treffen endet in einer Klopperei. Gamen, Arschbombe vom 10-Meterturm, Fußball oder Ramadan: Was die Jungs gemeinsam erleben, ist stinknormaler, lebensnaher Quatsch und herrlich frei von allzu pädagogisch-bemühten Erwachsenen. Für die Reaktionen von Hugos Mama, dem Schwimmmeister oder Karatelehrer gilt hier meist: Bilder sagen mehr als Worte. Das Zusammenraufen gelingt den beiden vielleicht gerade deshalb so zuverlässig.

BuchtitelHugo & Hassan
AutorKim Fupz Aakeson
GenreHumor & Komik
Lesealter8+
Umfang103 Seiten
VerlagKlett Kinderbuch
ISBN978-3-95470-238-1
Preis15,00 €

Hugo ist stinksauer, weil er mit seinem Rad nur auf dem öden Hof und nicht auf der (aus Sicht seiner Mama) gefährlichen Straße herumfahren darf. An diesem Tag trifft er jedoch im Hof auf Hassan – und nach einem kleinen Wortgefecht startet ihre neue Freundschaft. Die beiden Jungen wachsen in etlichen Alltagssituationen und mit allerhand Quatsch zusammen.

Natürlich steht an erster Stelle ihre gemeinsame Lieblingsbeschäftigung: Zocken am Computer. Da sind die Spielideen von Hugos Opa erst einmal uninteressant. Stichwort Traditionen: Was Ramadan ist und ob Hugo seinen Freund Hassan nicht doch mit einer saftigen Rosine verführen kann, machen die beiden Jungs letztlich mit einer kleinen Prügelei unter sich aus. Hugos Mama scheint dabei erstmals leicht zu verzweifeln. Und so geht’s weiter.

Auch andere Erwachsene sind teils genervt, wenn die beiden Jungs sich in ihre Alltagsabenteuer stürzen. Ob Schwimmmeister, Karatelehrer oder neuer Freund der Mutter – Hugo und Hassan haben die verrücktesten Ideen im Kopf. Leicht größenwahnsinnig stolpern sie von einem Abenteuer zum nächsten, um letztlich immer wieder auf dem Boden der Tatsachen zu landen. Mitunter fliegen auch schon mal die Fetzen, ob nun mit Worten oder Fäusten. Das Wichtigste ist dabei jedoch, dass die beiden Jungen untereinander am Ende immer einer Meinung sind und sich zusammenraufen. Meist sitzen sie in trauter Zweisamkeit auf dem Sofa und lächeln Hugos erstaunte Mutter an oder schlürfen gemeinsam Kakao in Hugos Küche. 

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden. 

Die witzig-wilden Geschichten von Hugo und Hassan sind ein fetziger Comic, der jungen Lesern hohes Identifikationspotential bietet. Das gelingt auf mehreren Ebenen: sowohl textlich und inhaltlich als auch bildsprachlich. Natürlich bietet die literarisch-künstlerische Ausdrucksform Comic gerade für kleine Lesemuffel oder Leseanfänger eine wunderbare Brücke zwischen erstem Lesen und längeren Geschichten. Hinzu kommt, dass viele Kids komplexe Inhalte durch Filme oder schnelle Bilder durch Computerspiele kennen. Sie sind spannende Stories gewohnt, können von der eigenen Lesekompetenz her aber vielleicht nur allzu pädagogischen oder wenig aufregenden Erstlesegeschichten folgen. Die (eigenen) Erwartungen werden enttäuscht. Schnell kann so Lesefrust statt Leselust entstehen.

Hugo & Hassan bieten das Gegenteil von Frust oder Langeweile. Im Text sowie in den Bildern geht es rund. Ganz im Sinne der klassischen Comic-Machart starten die zehn Kapitel jeweils mit einem Splash-Panel über die ganze Seite. Diese Opening-Splashs ziehen den Leser sofort emotional in das Geschehen hinein und machen neugierig auf mehr. Die einzelnen Kapitel umfassen meist nicht mehr als acht Seiten und bilden von der Seitenarchitektur her einen eher ruhigen Kontrast zu Inhalt und Bildern. Die meisten Seiten umfassen nur vier Panels mit gleichzeitig großzügig breit angelegtem Rinnstein. Dieser breite Rand zwischen den Bildern lässt dem jungen Leser ausreichend Spielraum für das eigene Kopfkino – und jeder kann so den aufregenden, fetzigen Abenteuern der beiden Jungen seiner eigenen Erfahrungswelt entsprechend folgen.

Die Leser-Perspektive ist auf Augenhöhe mit dem jungen Leser. Die Zeichnungen selbst, mit klaren kontrastreichen Farben, schaffen es, den Alltag der beiden Jungen cool und authentisch darzustellen. Dabei führen so manche Anordnung von Sprechblasen oder Panelgestaltung durchaus behutsam in eine komplexere Comicgestaltung über. 

Der Text ist frech und bietet zahlreiche Identifikationsmöglichkeiten. Der Inhalt der Sprechblasen ist knackig-kurz und wunderbar übersetzt. Die Schrift selbst ist serifenlos und locker gesetzt. Auch für Comic-Anfänger ist intuitiv erkennbar, ob Hugo und Hassan flüstern oder schreien. Hinzu kommt eine Lebendigkeit in den Episoden, die auch durch die vielen Dialoge zustande kommt – es gibt keinen Blocktext für einen Erzähler, das Tempo entsteht hauptsächlich durch die Gespräche der Figuren und natürlich durch die Bildsprache.

Die Geschichten in den zehn Kapiteln sind einzelne Episoden aus dieser wunderbaren Freundschaft. Die jungen Leser müssen sie nicht nacheinander lesen. Durch den Witz und die Kürze der Abenteuer entsteht ein großes Lesevergnügen, bei dem der Leser mit Stolz feststellen kann, schon wieder ein Kapitel beendet zu haben. Diese Erfolgserlebnisse sind für junge Leser unglaublich wichtig.

Inhaltlich sind die Abenteuer absolut alltagsauthentisch. Gaming, kulturell-religiöse Diversität, Sport, alleinerziehende Mutter – das sind Schlagworte, die die hier dargestellte Lebenswelt der beiden Jungen beschreiben. Hugo und Hassan dürfen ihre eigenen Erfahrungen machen und werden von den Erwachsenen – sofern überhaupt – nur ganz am Rand unterstützt. Der Opa schlägt zwar Mensch-ärgere-dich-nicht-Spielen vor und scheitert mit seiner Idee am PC-Ballerspiel der beiden Protagonisten. Doch nur zunächst. Ohne pädagogische Keule entspannen die beiden Freunde schließlich beim Spielen draußen. Überhaupt gilt: Jeder Quatsch, jede Erfahrung und jeder Streit der beiden Jungen endet damit, dass sie gemeinsam einer Meinung sind und sich vertragen. Was für die Erwachsenen teils nicht nachvollziehbar ist, machen Hugo und Hassan einfach: Sie leben ihre Freundschaft.

Hier müssen keine Bleiwüsten bewältigt werden, um Spannung, Emotionen sowie komplexere Themen zu transportieren. So kann das Heranführen an längere Geschichten auch für leseschwächere Kids gelingen!

Das Buch eignet sich hervorragend, um leseschwächere Kinder und kleine Leseprofis gemeinsam zu begeistern. Hier kann die Bildlesekompetenz in den Vordergrund gestellt werden, bei denen Kinder oftmals geschickter als manche Erwachsene sind. So können verschiedene Leseniveaus miteinander verknüpft werden, ohne dass sich jemand schämen muss. Ein Comic kann zum wirklich gemeinsamen Leseerlebnis auch in heterogenen Klassen werden.

Als klassische Maßnahme findet sich zu diesem Titel Material auf der Plattform Antolin.

Um das Selbstvertrauen leseschwächerer Schüler*innen zu stärken, ist, könnte dieser Titel im Rahmen eines Bücher-Castings mit anderen altersgerechten Comics präsentiert werden. Dabei werden fünf Comics verpackt und nummeriert vorgestellt. Titel und Cover dürfen nicht erkannt werden. In verschiedenen Runden wird jeweils pro Buch ein einzelner Hinweis gegeben: Der Ort, an dem die Geschichte spielt, der allererste Satz, der Name der Protagonisten oder es wird eine Seite aus dem Buch gezeigt. In jeder Runde stimmen die Schüler*innen mit roten und grünen Karten ab, ob sie auf das jeweilige Buch neugierig geworden sind. Das Buch mit den wenigsten grünen Karten fliegt in der Runde raus, bis am Ende ein Titel als Gewinner übrig bleibt. Nun dürfen natürlich alle Comics begutachtet und ausgeliehen werden. Nach einem festgelegten Zeitraum können die Kinder erneut abstimmen, welcher Comic ihnen am besten gefallen hat – ähnlich wie bei einer Klassensprecherwahl. Oder sie fertigen Steckbriefe mit ihrer jeweiligen Beschreibung und Meinung zu einem der Titel an. Tipp: Auf den Internetseiten von boys and books finden sich jede Menge Comic-Empfehlungen für diese Methode.

Eine weitere Möglichkeit ist, die Reihe Mira, auch vom Zeichner Rasmus Breghnhøi, als einen eher „mädchenorientierten“ Titel mit Hugo & Hassan zu vergleichen: Was sind eher Interessen von Mädchen, was von Jungen? Gibt es überhaupt eine klare Trennung und ist das notwendig? Warum gibt es offensichtlich Bücher, die jeweils scheinbar eher für Mädchen oder Jungen geschrieben sind? Was sind die Hauptthemen in Mira, was bei Hugo & Hassan? Wie sehr unterscheiden sich die Zeichnungen?