Buchcover Reinhard Kleist: Knock out!

Die in Bilder gesetzte Geschichte des amerikanischen Boxweltmeisters Emile Griffith erzählt vom...

Rezension von Ina Brendel-Kepser Die packende Graphic Novel des Erfolgsautors Reinhard Kleist erzählt die tragische Geschichte des mehrfachen Box-Weltmeisters Emile Griffith, der einen Gegner im Ring totgeschlagen hat. Wie es dazu gekommen ist, zeigt Knock out in einer ausdrucksstarken Dramaturgie.

BuchtitelKnock out!
AutorReinhard Kleist
GenreComic & Graphic Novel
Lesealter14+
Umfang160
VerlagCarlsen
ISBN978-3-551-73363-4
Preis18

Die in Bilder gesetzte Geschichte des amerikanischen Boxweltmeisters Emile Griffith erzählt vom Leben eines jungen Schwarzen, der als Hutmacher arbeitet, als Boxer weltberühmt wird und 1961 den Weltmeistertitel erringt. Aufgrund seiner Homosexualität ist er Zeit seines Lebens homophoben Übergriffen ausgesetzt, die sein Schicksal letztlich besiegeln. In der Begegnung im Ring mit Benny Pareth 1962 kommt es zum Konflikt, als dieser ihn beleidigt und als Schwuchtel beschimpft. Griffith schlägt so hart zu, dass der Gegner später seinen Verletzungen erliegt. Dieses Ereignis verfolgt Griffith ein Leben lang und die damit verbundenen Schuldgefühle werden zum Auslöser einer Rückschau, die sich dem Betrachter als ergreifende Lebensbeichte in Wort und Bild präsentiert. 

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden: bit.ly/2Pud4iI

„Wie seltsam das ist… Ich töte einen Mann, und die meisten Leute verstehen das und verzeihen mir. Hingegen, ich liebe einen Mann, und so viele halten das für eine unverzeihliche Sünde, die mich zu einem schlechten Menschen macht. Wenn ich auch nicht im Gefängnis gelandet bin, so war ich trotzdem fast mein ganzes Leben lang eingesperrt.“

Diese Worte des schwarzen Boxweltmeisters Emile Griffith, der aufgrund seiner Hautfarbe und seiner Homosexualität lebenslangen Demütigungen ausgesetzt war, umreißen den zentralen Konflikt und locken als Klappentext in die Geschichte.

Ein Mann wird beim Verlassen einer Schwulenbar auf offener Straße zusammengeschlagen und erzählt einem Unbekannten, der hinzukommt und ihm hilft, seine Lebensgeschichte: von den Anfängen der Arbeit in einer New Yorker Hutfabrik bei Mr. Albert, der sein Boxtalent entdeckt, und von Clancy, dem unerbittlichen Trainer, an dessen Seite der junge Mann einen Titel nach dem anderen erringt und Weltmeister wird. Dass es sich bei dem unbekannten Zuhörer um seinen ehemaligen verstorbenen Gegner Benny Paret handelt, erschließt sich dem Leser nicht sofort. Dieser geschickte Kunstgriff des fiktiven Gesprächs und einem Erzählen auf zwei Zeitebenen gestattet aber, den schicksalsträchtigen Boxkampf mit tödlichem Ausgang ins Zentrum der Geschichte zu rücken. Der K.O.-Schlag wird auf einer zu Dreiviertel geschwärzten Doppelseite präsentiert - danach ist alles anders. Gefangen in Selbstzweifeln und Schuldgefühlen und gesellschaftlich stigmatisiert, findet der einstige Champion nicht mehr zu seiner alten Schlagkraft zurück und wird fortan von anderen besiegt.

Dass die schwule Identität Ursache seines Scheiterns wird, erzählt die Geschichte eher beiläufig. Denn der Protagonist ist ein Held mit vielen Facetten: Nicht nur versteht er sich aufs Hutdesgin und begeistert die Damenwelt mit raffinierten Entwürfen, sondern er ist auch ein exaltierter Lebemann, feiert gerne Partys und hat eine innige Beziehung zu seiner Mutter, die er Mommie nennt. Eigentlich wäre Griffith sowieso lieber Tischtennisprofi oder Baseballspieler geworden, was aber als Schwarzer im US-Profisport der 1950er Jahre nicht möglich gewesen wäre. Und so bleibt der Boxsport, bei dem er mächtige Unterstützer findet und in Windeseile zum Sieger aufsteigt, bis es zum Wendepunkt kommt.

Die ausdrucksstarken schwarz-weißen Tuschezeichnungen von Reinhard Kleist lassen das faszinierende Porträt eines außergewöhnlichen Menschen und Sportlers entstehen. Unterschiedliche Panelgrößen und -formate, perspektivische Variationen, textlose Panels, vielfältige Soundwords und die beeindruckende Dynamik der Körperkonturen der boxenden Männer erzeugen einen großen Sog in die spannende Geschichte. Die leichte Lesbarkeit auf der Schrifttextebene kommt leseschwächeren Rezipient*innen entgegen, die ineinandergreifenden Erzählebenen erfordern dagegen größere Aufmerksamkeit beim Verstehensprozess. Das Cover, das in den Signalfarben rot und blau einen Boxer in der typischen Pose zeigt, weckt Aufmerksamkeit und kann vermutlich gerade auch männliche Leser in den Bann ziehen. Ein informatives Nachwort von Tatjana Eggeling unter dem Titel „Emile Griffith – Doppeltes Durchboxen“ greift das Thema Homosexualität und Homophobie im Boxsport auf und liefert knappe biografische Notizen über weitere lesbische Boxerinnen und schwule Boxer. 

Knock out! ist für die Anschaffung in Schul-/ Klassenbüchereien zu empfehlen. Das Buch eignet sich zur Buchvorstellung, für freie Lesezeiten, aber ebenso im Rahmen einer Unterrichtssequenz zu Graphic Novels oder zum Thema Sport und Homophobie oder Sport in der Literatur.

Der Trailer zum Buch und die Booktube-Rezension von Flix (https://www.rbb-online.de/rbbkultur/themen/literatur/rezensionen/comic/2019/Kleist-Knock-Out.html) können SchülerInnen zur medialen Anschlusskommunikation anregen.