Rezension von Christine Garbe
Im Reich der Wikinger herrschen raue Sitten: Wikingerhäuptling Alarik lädt seinen Rivalen Ragnar Drachentöter zum Wettkampf, doch dessen junger Begleiter Halvdan und seine neue Freundin Meia entdecken, dass mit unfairen Mitteln gekämpft werden soll. Als sie Häuptling Ragnar warnen wollen, geraten die Kinder selbst in tödliche Gefahr… Das spannend erzählte und faszinierend illustrierte Abenteuer wird junge Leser*innen fesseln.
Buchtitel | Halvdan der Wikinger |
Autor | Martin Widmark |
Genre | Abenteuer |
Lesealter | 8+ |
Umfang | 121 |
Verlag | Ueberreuter |
ISBN | 978-3-7641-5184-3 |
Preis | 11,95 |
Vor fast tausend Jahren leben zwei Wikingerstämme verfeindet an den beiden Ufern eines großen Flusses: In Ostby herrscht Wikingerhäuptling Ragnar Drachentöter, dessen Stamm an die germanischen Götter glaubt. In Westby glauben König Alarik und sein Volk an Jesus Christus. Eines Tages lädt Alarik den ‚primitiven‘ Rivalen von der anderen Flussseite zu einem Wettkampf ein, bei dem die Mannschaften beider Häuptlinge um wertvolle Preise und ihre Ehre kämpfen. Ragnar und seine Mannschaft werden begleitet vom Wikingerjungen Halvdan, der trotz eines körperlichen Handikaps ein pfiffiger Kerl ist und gemeinsam mit dem Wikingermädchen Meia (aus dem gegnerischen Dorf) einen bösen Verdacht entwickelt: Offenbar soll auf Seiten der Gastgeber in Westby mit unfairen Mitteln gekämpft werden. Gemeinsam stellen sie Erkundigungen an und geraten in große Gefahr. Der böse Mönch Eivind und ein Wächter entführen die beiden Kinder und setzen sie gefesselt und geknebelt in ein Boot, das aufs offene Meer hinauszutreiben droht. Doch die Kinder können sich befreien und zurück zu Häuptling Ragnar gelangen, der seinen kostbaren Glaskelch in dem unfairen Wettbewerb verloren hat. Mutig deckt Halvdan den Betrug auf und erreicht, dass Ragnar seinen Glaskelch zurück bekommt und obendrein die Streitaxt von König Alarik erhält, da seine Ostby-Krieger die eigentlichen Sieger des Wettbewerbes waren.
Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden: amzn.to/2JwGwke
Die Abenteuergeschichte aus dem Wikingerreich ist auf 121 Seiten mit vielen schönen Illustrationen knapp erzählt, hat von Anfang an einen plausiblen Spannungsbogen und charakterisiert ihre Figuren humorvoll und – im Hinblick auf die Häuptlinge – augenzwinkernd respektlos. Halvdan, der männliche (10-jährige) Protagonist, ist als kleiner Junge nach Ostby gekommen und dort ohne seine Eltern beim örtlichen Schmied aufgewachsen, da er aufgrund eines Unfalls einen Fuß gebrochen hatte und nun durch einen hinkenden Fuß behindert ist. Doch Halvdan ist pfiffig, mutig und aufrichtig; und seine hervorstechendste Eigenschaft ist die Fähigkeit zum Stegreif-Reimen, die ihm viel Zuspruch einträgt. Er entwickelt sich im Laufe der Handlung zum Helden, dem es – mit Hilfe seiner neuen Freundin Meia, der Nichte des feindlichen Häuptlings Alarik – gelingt, die hinterhältigen Machenschaften der Westby-Bewohner aufzudecken (während die Ostby-Herrscher Ragnar und Frida zwar naiv und aufbrausend, doch im Kern ehrlich sind). Halvdan wirkt zunächst nicht unbedingt wie eine Identifikationsfigur; ähnlich wie Harry Potter wächst er als Waisenkind auf und ist noch dazu eher klein, unscheinbar und körperlich behindert; doch im Laufe der Handlung zeigt sich sein aufrichtiger Charakter und er meistert – zusammen mit seiner ebenso gerechtigkeitsliebenden neuen Freundin Meia – sogar große Gefahren und Herausforderungen. Auch die weibliche Protagonistin Meia ist ein beeindruckend mutiges, pfiffiges und unerschrockenes Mädchen, und die beiden kindlichen Held*innen machen zugleich deutlich, wie lächerlich absurd die alten Stammesfehden der Erwachsenen sind; insofern enthält die Geschichte durchaus auch aktuelle gesellschaftskritische Bezüge.
Die Kapitel sind kurz und prägnant in auktorialer Perspektive erzählt; zahlreiche lustige Episoden, in denen die Wikingerhäuptlinge nicht allzu gut wegkommen, sorgen für ein heiteres Lesevergnügen. Das Hardcover-Buch ist sehr aufwändig gestaltet und verfügt auf jeder Seite über wunderschöne, textunterstützende farbige Illustrationen. Gleich zu Beginn gibt es eine Kapitelübersicht sowie eine bebilderte Vorstellung der sechs Haupt-Protagonist*innen. Ein witzig-ironischer einleitender Brief des Autors spricht die jungen Leser*innen direkt an und motiviert zum Lesen.Das Buch gibt einen guten Einblick in die Gepflogenheiten des Wikingerlebens und ist als eine historische Abenteuergeschichte für junge (auch ungeübte) Leser*innen ebenso wie für erwachsene Vor- oder Mitleser*innen ohne Einschränkung zu empfehlen.
Da das vorliegende Buch zu einem großen Teil seine Wirkung durch die zahlreichen ansprechenden Illustrationen entfaltet, eignet es sich nur bedingt zum Vorlesen, dafür aber umso besser für junge Leser*innen im Übergang vom Bilderbuch zum Kinderbuch. Eltern, Lese¬mentor*innen oder Erzieher*innen können dies Buch mit einem Kind oder einer kleinen Gruppe von Kindern jedoch sehr gut im Modus des gemeinsamen Bilderbuch-Anschauens (und Vorlesens der Textpassagen) erschließen, sicherlich auch schon mit jüngeren Kindern.
Im Hinblick auf Themen und Genre ist „Halvdan, der Wikinger“ vor allem ein unterhaltsames Buch, das nicht unbedingt im Unterricht besprochen werden muss; es kann daher sehr gut in offenen Formaten der Leseförderung eingesetzt werden, etwa in Viellese-Formaten (Lese-Olympiade, freie stille Lesezeiten, unterstützte stille Lesezeiten, vgl. Rubrik „Leseförderung“) oder in Formaten der Leseanimation. Es ist sicher gut geeignet, in Klassenbibliotheken oder Leseecken in der Grundschule angeboten zu werden; im Rahmen von Buchvorstellungen im Deutschunterricht kann dazu etwa ein Poster oder eine Leserolle (http://www.boysandbooks.de/lesefoerderung/) gestaltet werden.
Für eine Besprechung im Unterricht wäre das Thema Wikinger für ein Projekt im Deutsch- und Sachkunde- bzw. Geschichtsunterricht geeignet; hier könnten weitere Quellen und Sachtexte zum Leben der Wikinger hinzugezogen werden.