Buchcover Neil Patrick Harris: Die magischen Sechs. Mr Vernons Zauberladen

Der Waisenjunge Carter landet auf der Flucht vor seinem kriminellen Onkel Sly, der Carters Talent...

Rezension von Sebastian Tatzel

Eine diebische Rummelplatzbande, sechs mutige Freunde und eine Menge Magie: Neil Patrick Harris erzählt in seinem Kinderbuchdebut die Geschichte des Waisenjungen Carter, der ein besonderes Talent für Zaubertricks hat und im kleinen Städtchen Mineral Wells fünf andere junge Magier kennenlernt. Gemeinsam sind sie „die magischen Sechs“, die die Bewohner der Kleinstadt vor den Betrügereien des fiesen Jahrmarktbetreibers B. B. Bosso und seiner Bande beschützen wollen. Ein absolut lesenswerter Reihenauftakt für große und kleine Freunde von spannenden Geschichten und raffinierten Zaubertricks!

BuchtitelDie magischen Sechs. Mr Vernons Zauberladen
AutorNeil Patrick Harris (mit Illustrationen von Lissy Marlin und Kyle Hilton)
GenreAbenteuer
Lesealter10+
Umfang299
VerlagSchneiderbuch Egmont
ISBN978-3-505-14188-1
Preis14,00

Der Waisenjunge Carter landet auf der Flucht vor seinem kriminellen Onkel Sly, der Carters Talent für Zaubertricks zu seinen Zwecken nutzen will, im Örtchen Mineral Wells. Dort lernt er fünf Kinder kennen, die wie er selbst Magier sind. Gemeinsam sind sie „die magischen Sechs“. 

Als der diebische B. B. Bosso mit seinem Rummel in Mineral Wells gastiert und die Bewohner der Kleinstadt, die er mit spektakulären Tricks blendet, bestiehlt, wollen es die magischen Sechs mit ihm aufnehmen – denn nur die jungen Magier durchschauen die Tricks der diebi-schen Jahrmarktbande. Am Ende gelingt es den Freunden in einem (zauber-)trickreichen Showdown, Bossos finalen Coup, den wertvollen Diamenten „Stern von Afrika“ zu stehlen, zu vereiteln.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden.

„Für mich ist Magie eine Geschichte, ein Spiel, ein Rätsel oder eine Überraschung, die mir mit einem einzigen wilden Schlag den Atem raubt.“ (S. 12)

Mit einem ebensolchen Schlag beginnt die Erzählung nach einem einleitenden Kapitel, in dem der Autor seine Leser direkt anspricht und ihnen den Aufbau des Buches auf gewitzte Art und Weise erklärt: Die Leser werden Teil von Carters Flucht vor seinem Onkel und tauchen damit direkt in die Geschichte ein. 

Dass Carter ganz besondere Dinge kann, zeigt sich schnell: Wie ein Actionheld springt der Junge innerhalb einer rasanten Verfolgungsjagd auf einen fahrenden Zug und kann seinem fiesen Ver-wandten dadurch entkommen. Der Protagonist ist ein Magier, das Verschwinden- und Erschei-nenlassen von Dingen (und sich selbst) ist seine Spezialität. Aber im Gegensatz zu Zauberern wie Harry Potter wurde Carter nicht mit magischen Fähigkeiten geboren, sondern vielmehr ist er ein Zauberkünstler, der sich durch fleißiges Üben jeden Trick selbst beibringt. 

Carter ist ein Protagonist, mit dem man sich gerne identifiziert: Der Leser erlebt, wie der Junge, der von seinem Onkel zu Betrügereien benutzt wurde, ausbricht, um ein besserer Mensch zu werden. Hierbei muss er immer wieder einen inneren Konflikt mit sich selbst ausmachen, be-ginnend in Mineral Wells, wo er bargeldlos ankommt und es für ihn ein Leichtes wäre, etwas Essbares zu stehlen. Auch das Angebot Bossos, der ihm ein zufriedenes Leben als Teil seiner Die-besbande in Aussicht stellt, lehnt Carter ab, obwohl er zunächst keine andere Alternative in Aussicht hat und auf der Parkbank schlafen muss. Doch dann lernt er Leila und die anderen Mit-glieder der späteren „Magischen Sechs“ kennen – die ersten Freunde seines Lebens. Der Leser wird Zeuge, wie Carter lernt, mit seiner Vergangenheit umzugehen, anderen Menschen zu ver-trauen und den wahren Zauber der Freundschaft findet. 

Die Entwicklung des Protagonisten erfolgt dabei durchwegs glaubwürdig und nachvollziehbar, Carters durchaus dramatische Hintergrundgeschichte beeinflusst sein Handeln auf authentische Weise. Dabei sorgt der gewitzte Erzähler, der sich an einzelnen Stellen aktiv in die Geschichte einbringt und den Leser anspricht, dafür, dass der Grundtenor der Geschichte kein zu sentimen-taler wird, sondern immer wieder Spannung und Witz aufnimmt. 

Obwohl der erzählerische Fokus im ersten Band der „Magischen Sechs“ auf Carter liegt, sind auch die anderen Mitglieder der jungen Magierbande individuell gezeichnete Charaktere, deren Schicksale, Probleme und Fähigkeiten zusätzliches Identifikationspotential schaffen. 

Dem Schauspieler Neil Patrick Harris gelingt mit seinem Kinderbuchdebut eine Kombination aus Abenteuer-, Banden- und Kriminalroman, der nicht nur zum Mitfiebern, sondern auch zum Mit-zaubern einlädt: Immer wieder unterbricht der Erzähler die Geschichte, spricht seine (jungen) Leser mit einer gehörigen Prise Wortwitz an, stellt unterschiedliche Rätsel, die zum genauen Lesen einladen, und verrät echte Zaubertricks. Durch die Schritt-für-Schritt-Erklärungen, die durch ansprechende Illustrationen unterstützt werden, können die Leser selbst Teil der magi-schen Sechs werden.

Der Autor changiert zwischen Beschreibungen von spannenden und temporeichen Tricksereien, die in einem großen Showdown gipfeln, nachdenklichen Tönen und gewitzten Bemerkungen, die die Leser an der ein oder anderen Stelle zum Schmunzeln bringen. Er schafft damit ein ab-wechslungsreiches Leseerlebnis, das durch die eingefügten Zaubertricks und Rätsel, die großflä-chigen Illustrationen, eine angemessene Schriftgröße sowie die knappen Kapitellängen auch für unerfahrenere Leser nicht abschreckend wirkt – trotz eines Umfangs von beinahe 300 Seiten.  

Mit „Die magischen Sechs. Mr Vernons Zauberladen“ entführt Neil Patrick Harris seine Leser in eine Welt voller Abenteuer, Freundschaft und Magie. Große und kleine Fans von Zaubertricks sollten sich diesen Band, der durch eine spannende Handlung, gelungene Illustrationen sowie seinen Mitmachcharakter besticht, nicht entgehen lassen!

„Die magischen Sechs. Mr Vernons Zauberladen“ eignet sich zunächst für alle Verfahren der außerschulischen Leseförderung. Als Bestandteil von Bücherkisten oder in Klassen-/ Schulbibliotheken lässt das Cover mit seiner Spielkartenoptik und den goldenen Verzierungen sicherlich viele Kinder zu diesem Titel greifen.  

Die Buchgestaltung spricht auch leseunerfahrene Jungen an: Die Kapitel haben eine angemessene Länge sowie ein großes Schriftlayout, die großflächigen Illustrationen unterstützen das Gelesene, die Geschichte wechselt sich immer wieder mit Rätseln oder Zaubertricks ab. Die Rätsel, die v.a. zu Beginn und am Ende des Buches gestellt werden, ermuntern die Rezipienten zum genauen Lesen: So müssen bspw. alle Großbuchstaben auf einer Seite gefunden werden, um den Lösungstext zu erhalten. 

Die Zaubertricks, die in Form einer Schritt-für-Schritt-Anleitung mit Illustrationen versehen sind, laden nicht nur zum Mitmachen und Ausprobieren ein, sondern können zudem als ansprechende und gelungene Beispiele für die Textsorte der Vorgangsbeschreibung herangezogen werden. Somit können einzelne Textauszüge (oder natürlich auch der komplette Titel) ihren Weg in den Deutschunterricht finden; ergänzt werden könnten diese ebenfalls durch das von Simon Jäger gelesene Hörbuch, das im Argon Verlag erschienen ist. 

Thematisch verhandelt das Buch Werte und Aspekte, die im Unterricht oder in einem Anschlussgespräch mit den Eltern aufgegriffen werden können. So will und muss Carter für sich definieren, welches Verhalten falsch oder richtig ist. Er widersetzt sich den Werten, die ihm von seinem Onkel vorgelebt werden, auch wenn ihm dies anfangs nicht leicht fällt. Zudem lernt er den Wert von Familie und Freundschaft kennen. 

Die im Roman beschriebene Kleinstadt Mineral Wells wird inklusiv und somit authentisch dargestellt: es gibt sowohl wohlhabende als auch weniger vermögende Familien, Kinder unterschiedlicher Ethnien leben zusammen, die Magierin Ridley sitzt im Rollstuhl und Mr. Vernon, der Adoptivvater von Leila, ist mit „dem anderen Mr. Vernon“ verheiratet. 

Diese Diversität wird jedoch an keiner Stelle problemorientiert thematisiert, sondern lediglich beschreibend erwähnt. Es obliegt somit dem Leser oder eventuellen Lesebegleitern, diesen Aspekt bei Bedarf noch einmal aufzugreifen – für das Textverständnis und den Lesespaß ist dies aber nicht erforderlich.

Als erster Band einer Reihe kann „Mr Vernons Zauberladen“ zudem zum Lesen der Folgebände anregen und somit auch längerfristig zum Lesen motivieren.