Buchcover Aaron Karo: Chucks Welt

Der 17-jährige Chuck hat es wahrlich nicht leicht. Er ist ein Außenseiter in der Schule und hat...

Rezension von Niklas Noack

Der 17-jährige Chuck hat es wahrlich nicht leicht. Er ist ein Außenseiter in der Schule und hat außerdem eine Zwangsstörung. Diese lässt ihn unzählige Listen führen, seltsame Rituale bis zur Erschöpfung vollziehen, und bestimmt auch ansonsten seinen Alltag...

BuchtitelChucks Welt
AutorAaron Karo
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang240 S. (engl.); 237 S. (dt.)
VerlagFarrar Straus and Griroux (engl.); Boje (dt.)
ISBN978-0374343965 (engl.); 978-3-414-82362-5 (dt.)
PreisCa. 12,60 € (engl.); 12,99 € (dt.) (eBook je 10 €)

Der 17-jährige Chuck hat es wahrlich nicht leicht. Er ist ein Außenseiter in der Schule und hat außerdem eine Zwangsstörung. Diese lässt ihn unzählige Listen führen, seltsame Rituale bis zur Erschöpfung vollziehen, und bestimmt auch ansonsten seinen Alltag. Seine Eltern behandeln ihn gelegentlich wie ein rohes Ei und seine jüngere (und coolere) Schwester nervt ihn gewaltig. Zudem steht sein Highschool-Abschluss kurz bevor, seine Eltern wollen ihn zum Psychiater schicken und mit den Mädchen klappte es bisher auch nicht. Schließlich erfährt Chuck auch noch, dass die Highschool-Abschlussfahrt, auf die sich er und sein bester (und einziger) Freund Steve schon seit Jahren freuen, ein Campingausflug wird, was für Chuck wegen seines Hygienezwangs einen Albtraum darstellt.

Alles scheint sich aber dann zum Guten zu wenden, als Amy in die Stadt zieht und den gleichen Mathekurs besucht wie Chuck. Denn Amy ist schön, lässig und cool. Zwar scheint sie ihn zuerst überhaupt nicht zu bemerken, aber nach einem peinlichen Vorfall im Matheunterricht fragt sie ihn schließlich, ob er ihr Nachhilfe geben kann.

In den nächsten Wochen verbringen die beiden viel Zeit miteinander und auch Chucks Therapie und Medikamente gegen seine Zwangsstörung schlagen allmählich an. Doch Chuck vernachlässigt andererseits auch seinen besten Kumpel Steve, je mehr Zeit er mit Amy verbringt.

Als Amy jedoch eines Tages Chuck zuhause unangekündigt besucht, scheint ihn sein kurzes Glück wieder zu verlassen. Zwar versucht Amy, ihn zu küssen, doch als Amys Hündin Buttercup plötzlich auf seinen Schoß springt und beginnt, seine Finger abzulecken, gerät er durch seine Zwangsstörung in eine Panikattacke, stößt den Hund zu Boden und lässt die erschrockene und weinende Amy in seinem Zimmer zurück, die in den folgenden Wochen den Kontakt zu Chuck völlig abbricht. Da Chuck seinen besten Freund außerdem nicht nur vernachlässigt, sondern auch angelogen hat, folgt dieser Amys Beispiel, sodass Chuck die beiden Personen verliert, die ihm am wichtigsten sind. Diese beiden Vorfälle nehmen Chuck auch sämtliche Motivation, weiter gegen seine Zwänge anzukämpfen und er hört auf, sein Medikament zu nehmen.

Nach einigen einsamen Wochen fasst Chuck eines Nachts den Entschluss, nicht als 'Loser' die Highschool zu verlassen und es allen zu zeigen. Er packt seine Sachen für den Campingausflug und fährt zur Verwunderung aller auch tatsächlich zu dem nassen, matschigen und von Bakterien verseuchten Zeltplatz, wo er härter als je zuvor gegen seine Zwänge ankämpft. Hier kommt es auch zum Showdown, als Parker, der Kapitän der Fußballschulmannschaft, im betrunkenen Zustand Steve verprügeln will. Chuck kommt seinem ehemals besten Freund zur Hilfe und muss einen Faustschlag aufs Auge einstecken, bevor Steve den Kampf tatsächlich gewinnt. Vor lauter Schmerz, überwältigt von seinen Zwängen und weil er Amy gesehen hat, rennt Chuck in den angrenzenden Wald, wo er schließlich zusammenbricht. Als er aufwacht, findet er dort Buttercup, die Wochen zuvor entlaufen war, und bringt sie zurück zu Amy, die ihm wiederum um den Hals fällt. Letztendlich verträgt sich Chuck wieder mit Steve und erobert Amy, mit der er zum Abschluss auf den Schulball geht.

Englisch:
In the past year, I masturbated exactly 468 times. That’s an average of 9 times a week and 1.28 per day. I’m not sure what impresses me more, though—the fact that I jerk off so much, or the fact that I actually kept a running tally for an entire year. But I did. On a growing stack of Post-its in the drawer of my nightstand. Jerk off, make a note of it, go to sleep, routine.
The thing is, routines make up a huge part of my life. Okay, well, maybe “routines” isn’t the right word. I know the right word now, but for a while I didn’t. Basically what happened was that on January 1st of last year, I jerked off. For some unknown, unexplainable reason, I thought to myself, I wonder how many times I do this in a year? Of course, the proper thought process for a typical, red-blooded teenager would be, I should get a girlfriend, that way I won’t have to jerk off so much. But for whatever reason that’s not the first thought that popped into my head.
My problem wasn’t January 1st, though, it was January 2nd, when I jerked off again, and then made a note of it. Once I start doing something, no matter how idiotic, I can’t stop. It’s all I can think about. I tried to halt the tally in mid-March but then I couldn’t sleep in that post-wank, pre-checkmark state, thinking, Why not just keep the list going? You’ve made it so far! Then I would make the tally, feel better, and then get up to pee. I also pee a lot.
The weird thing about all my “routines” is that I’m acutely aware of how crazy they are. It’s not normal to get up to pee fifteen times before going to bed. I know I just peed, there could not possibly be any more urine in my bladder. I’m not gonna piss the bed; everything will be fine. But then I start to think about it until I can’t help jumping out of bed and going to the bathroom. It’s like if you start thinking about swallowing or breathing or blinking. Then that becomes the only thing you can think about. But eventually you forget. That’s like me and peeing, except I never forget and it happens every single night. So I pee a lot.
I’ve got a few other bad “habits.” The stove—well, the stove is a fucking nightmare. If I don’t check the burner thingies, I’m convinced the house is gonna burn down with me, my sister, and my parents inside. When the stove is on, a little light goes on to alert you. But what if the light breaks? There are four burner thingies; you could theoretically walk past the stove and not realize that one of the knobs wasn’t set to Off. Then, let’s say a dish towel fell off the refrigerator handle (which is all the way across the kitchen, but let’s just say), it landed on the burner, caught fire, and the entire Taylor family died in a horrible burner-thingy accident. I’m consumed by this thought. So I check the burners and the knobs by hand. Over and over. Several times a day. My parents barely even use the stove. I masturbate more than they cook.
The thing that really got me, though, was the hand washing. That’s when I started to think, Man, maybe you have a problem. If my hands are dirty, I absolutely have to wash them. But my definition of dirty and your definition of dirty are probably very different. You probably wash your hands after you eat chicken wings or take a shit. I mustwash my hands after touching animals, small children, public mailboxes, elevator buttons, money (especially coins), other people’s hands, all food (plus salt, pepper, and condiments), and anything I consider “natural” (grass, dirt, wood, etc.). I wash my hands a lot. Sometimes it’s the only thing I can think about.
Like I said, the hand washing is what first got me. If you Google “I keep track of how often I masturbate,” you’re not gonna get a lot of hits. Well, you’ll get a boatload of hits—just not anything relevant or appropriate to be displayed in a high school computer lab. But if you Google “I can’t stop washing my hands,” it’s a whole different story. Most of the results will point to one thing. What I do are not “routines.” They’re compulsions. You know when you read something and you’re just like, Fuck, that’s me! Well once I read this thing, I knew I had it.
My name is Chuck. I’m seventeen years old. And according to Wikipedia, I have OCD.

Deutsch:
Dieser Chuck Taylor war in den Zwanzigerjahren ein Basketballstar. Er hat für die Firma Converse gearbeitet und die haben irgendwann ihren populärsten Schuh nach ihm benannt – den berühmten Chuck Taylor All Star. Die meisten nennen diese Sneaker einfach nur Chucks, und als ich sie zum ersten Mal zu Gesicht gekriegt habe, dachte ich gleich: Hey, wie irre, da steht an der Seite mein Name drauf, einfach so! Nur hat sich das ziemlich bald zu einer echten Obsession ausgewachsen, wie alles in meinem Leben. Als ich Mom vor ein paar Jahren zum ersten Mal damit kam, dass ich Chucks will, war sie hin und weg. Bevor mein bester Freund Steve eine Chuck-Taylor-Biografie in der Schulbücherei ausgegraben hat, habe ichmir keine großen Gedanken über die Dinger gemacht. Aber beim Lesen war mir schon nach ein paar Seiten klar: Chucks zu tragen ist meine Bestimmung. Chuck Taylor, dieser Typ in Grease, Kurt Cobain und dann wieder Chuck Taylor. Ich liebe Symmetrie. Macht mir ein gutes Gefühl im Gehirn. Als Mom kapierte, dass die Nachfolger meiner ausgelatschten Turnschuhe für 85 Dollar welche für 50 Dollar sein sollen, fand sie das überzeugend. Sie hat mir sogar gleich mehrere Paare auf einmal gekauft – alle einfarbig, weil, na ja, keine Ahnung … die wirken irgendwie sauberer, finde ich. Meine Mom wusste von meinem Faible für Chucks und war gleich dabei. Sie unterstützt jeden Fimmel, den ich habe, solange es nicht um Drogen geht. (Ein Joint, an dem reihum alle ziehen? Ohne mich!) Allerdings gab’s da niebesonders viel zu unterstützen. Wenn dein einziger Sohn einen Knall hat und öfter am Herd steht als du, würdest du wohl alles tun, um ihn glücklich zu machen. Auf der Basis habe ich jedenfalls eine hübsche kleine Converse-Sammlung zusammengekriegt. Trotzdem, auch bei Sneakern für 50 Dollar hört der Spaß irgendwann auf und Mom wollte mir keine mehr kaufen, also musste ich mein Sparkonto plündern. Da war Geld drauf von Wertpapieren, die bei meiner Geburt angelegt worden sind, außerdem ein großer Teil von dem, was unter der Bezeichnung Taschengeld einmal in der Woche bei mir landet. Allein davon konnte ich mir jeden Monat ein neues Paar kaufen und bald hatte ich tonnenweise Chucks in meinem Wandschrank – in jeder lieferbaren Variante, solange sie nur einfarbig waren. Und dann wurde das Ganze irgendwann ziemlich schräg. Das Ding ist, ich bin zwar nicht schüchtern, aber es interessiert sich einfach kein Schwein dafür, was ich sage (abgesehen von Steve und meiner Mutter, aber die zählen nicht). Deshalb bin ich still. Dabei wäre ich lieber schüchtern. Schüchtern und still, das ist nicht das Gleiche. Schüchtern bedeutet, du traust dich nicht, was zu sagen. Still bedeutet, du willst nicht. Vergangenen Sommer war das doch härter als sonst, weil Steve mit seinen Eltern weg war, an die zwei Monate lang. Da war ich allein mit meinen vielen bunten Chucks, habe in Plainville festgesteckt und mich zu Tode gelangweilt. Mom war die Einzige, die mich ab und zu mal gefragt hat, wie’s mir geht, aber wie gesagt, Mom zähltnicht. In meinem Wandschrank habe ich eine derart perfekte Ordnung, dass es sich andere Leute wahrscheinlich dreimal überlegen würden, bevor sie sich  trauen, irgendwas darin anzufassen – in dem Schrank sieht es aus wie in einem Museum, und genau darum geht es ja. Trotzdem habe ich es ziemlich lange dem Zufall überlassen, welche Schuhe ich anziehen wollte: Ich hab mir das Paar geschnappt, das mir an dem Tag gerade gefallen hat, und bin damit losgerannt. Aber wie sich inzwischen jeder vorstellen kann: Ich komme mit dem Zufall nicht besonders gut klar.

Der Ich-Erzähler in seiner Welt
Chuck weiß schon zu Beginn, dass er 'anders' ist als die Menschen um ihn herum. Er weiß um die Tatsache, dass seine Zwangsstörung eine Krankheit ist. Dieses Wissen lässt ihn auch verstehen, dass er ein Außenseiter in der Schule ist. Im Laufe des Romans befindet er sich im stetigen Konflikt, auf der einen Seite seine Außenseiterrolle zu akzeptieren, indem er sie durch seine Krankheit legitimiert, und dem Kampf gegen seine Zwänge auf der anderen Seite, um 'normal' sein zu können, damit er diese Außenseiterrolle ablegen kann. Denn gegen Ende des Buches begreift er immer mehr, dass seine Zwangsstörung und die damit verbundene Unsicherheit der einzige Grund für diese Rolle sind und er ansonsten weder 'uncool' noch ein 'Freak' ist, was er sich bis dahin gelegentlich einredet. Dies wird beispielsweise in seinem Kommunikationsverhalten deutlich: Wenn er sich mit Amy unterhält, bemerkt er, dass er ganz 'normal' mit Mädchen reden kann und sie sogar durch seinen Humor zum Lachen bringen kann.

Verstehen durch Erzählen

Seine Selbstwahrnehmung wirkt sehr überzeugend. Das Wissen um seine Krankheit, die ihn tatsächlich von seinen Mitschülern unterscheidet, ihn also in gewisser Weise 'anders' sein lässt, lässt sein geringes Selbstbewusstsein und seine Unsicherheit logisch und plausibel erscheinen. Außerdem beschäftigen ihn Fragen, die typisch sind für (männliche) Teenager, wie zum Beispiel seine Wirkung auf Mitschüler, sein Verhältnis zu seinen Eltern und seiner Schwester sowie die erste Liebe. Ebenso dürften sich viele Leser mit Chucks (zum Teil unbegründeter) Unsicherheit identifizieren, da man während der Pubertät seinen Platz in der Welt erst noch finden muss.

Buchcharakter
Das deutsche Buchcover ist sehr schlicht in schwarz-weiß gehalten, mit zwei abgetragenen 'Chucks', die in die orangene Übeschrift integriert sind. Da diese Schuhe auch heute noch sehr modern sind, dürfte das Cover für männliche Jugendliche sehr ansprechend sein.
Das englische Buchcover ist bunter und schriller und wirkt etwas aufdringlicher, enthält allerdings auch versteckte Witze und Wortspiele.
Die Schriftgröße ist angemessen,die Kapitel sind meist nicht länger als drei Seiten und werden passenderweise als Strichliste abgehakt. Die Kürze der Kapitel kann durchaus motivierend und lesefördernd sein.
Der englische Originaltitel enthält größtenteils Jugend- bzw. Umgangssprache, da es sich um einen 17-jährigen Ich-Erzähler handelt. Dadurch ist der Satzbau nicht übermäßig komplex, es tauchen recht wenige schwierige Vokabeln auf, dafür aber Floskeln und Slang-Begriffe, die unbekannt sein könnten. Vom Schwierigkeitsgrad her dürfte das Buch für den Englischunterricht ab der 8. oder 9. Klasse geeignet sein.

Fazit:
Es handelt sich um ein fesselndes Buch, welches gerade durch seinen sehr eigenwilligen, zum Teil typisch männlichen Humor über Sex, Mitschüler, Freunde, usw. brilliert. Es spricht viele Themen an, die für männliche Jugendliche relevant sind, wie zum Beispiel die erste Liebe, Freundschaft, Anderssein, Selbsteinschätzung oder Familie, die aber zum Teil auch zu persönlich und 'peinlich' sind, um sie anzusprechen, wie etwas das Thema Selbstbefriedigung. Gerade durch die humoristische Schreibweise werden solche (Tabu-)Themen aufgelockert. Dennoch handelt es sich eher um ein Buch, das für die intime und lustvolle Lektüre zuhause geeignet ist, als für die Besprechung im Unterricht, da es gerade Mädchen weniger ansprechen wird.

Wie erwähnt, ist Chucks Welt am besten zur Lese-Animation geeignet.