Buchcover Martin Muser: Kannawoniwasein! Manchmal muss man einfach verduften

Finn, der sich im Zug von seinem Vater in Neustrelitz zu seiner Mutter nach Berlin befindet, wird...

Rezension von Sebastian Tatzel

Zwei Kinder, ein Traktor und ein gemeinsames Ziel:
Finn und Jola lernen sich durch einen Zufall irgendwo in der Pampa vor Berlin kennen. Da sie das gleiche Ziel haben, kapern sie kurzerhand einen Traktor und machen sich gemeinsam auf den Weg in die Hauptstadt. Doch neben vielen Freunden und Helfern, die sie auf dem Weg treffen, bekommen sie es auch mit einer gefährlichen Motorradgang zu tun ...
Martin Musers gleichermaßen spannende wie amüsante Roadstory lässt junge und ältere Leser immer wieder denken: „Kannawoniwasein“!

BuchtitelKannawoniwasein! Manchmal muss man einfach verduften
AutorMartin Muser
GenreAbenteuer
Humor & Komik
Lesealter10+
Umfang169
VerlagCarlsen
ISBN978-3-551-55375-1
Preis12,00
Erscheinungsjahr2018

Finn, der sich im Zug von seinem Vater in Neustrelitz zu seiner Mutter nach Berlin befindet, wird beklaut und vom Bahn-Angestellten kurzerhand aus dem Zug geworfen. Durch Zufall lernt Finn dann die freche Jola kennen und die beiden Kinder beschließen, da ihnen die Erwachsenen bisher nicht geholfen, sondern den Schlamassel nur immer größer gemacht haben, mit einem kurzgeschlossenen Traktor alleine nach Berlin zu „verduften“.

Auf ihrer abenteuerlichen Reise treffen die beiden Kinder viele (oft unfreiwillige) Helfer, aber auch ein echter Wolf und eine gefährlich wirkende Rockerbande kreuzen ihren Weg. Teil dieser Rockerbande ist der Dieb, der Finns Rucksack gestohlen hatte und wegen dem die beiden Kinder überhaupt erst in dieser Situation sind. Finn und Jola versuchen deshalb, den Rucksack zurückzugewinnen, und müssen sich dabei mit dem Präsidenten der Rockerbande anlegen.

Am Ende einer spannenden Verfolgungsjagd geht jedoch alles gut aus: die beiden Kinder kommen sicher nach Berlin, Finn hat seinen Rucksack wieder, der Dieb erhält seine gerechte Strafe und Finn und Jola haben ineinander einen echten Freund gefunden.

Eine Leseprobe kann auf der Verlagsseite eingesehen werden.

Der Protagonist in Musers Kinderbuchdebut ist der (fast) zehnjährige Finn. Auch wenn seine Eltern frisch getrennt sind, wächst Finn in einem gut behüteten Umfeld auf, das die Lebenswelt vieler Kinder widerspiegelt: klare Regeln, gesundes Essen und ein Arrangieren mit der neuen familiären Situation bestimmen Finns Alltag.
Finn ist dabei ein sympathischer Junge, der großes Identifikationspotential bietet und mit dem der Leser gerne mitfühlt. Man versteht, dass Finn sich ungerecht behandelt fühlt, als er vom Bahn-Mitarbeiter aus dem Zug geschmissen wird, nachdem ihm sein Rucksack mit der Fahrkarte geklaut wurde. Es wird klar, warum der Junge dadurch sein Vertrauen in die Erwachsenen und in deren Regeln verloren hat und warum er sich deshalb dem tollkühnen Plan seiner neuen Weggefährtin anschließt.

Zum Glück lernt Finn durch einen amüsanten Zwischenfall dann die etwa gleichaltrige Jola kennen. Die beiden Kinder erkennen:  Die Erwachsenen machen den Schlamassel nur immer größer, deshalb „verduften“ die beiden auf eigene Faust in Richtung Berlin. Jola erinnert dabei in ihrer Art immer wieder an namhafte freche und mutige Kinderbuchheldinnen wie Pippi Langstrumpf oder Ronja Räubertochter. Sie ist alles andere als ein stereotypes Mädchen (so ist es für Jola kein Problem, einen Traktor kurzzuschließen) und nur durch sie gelingt es Finn letztendlich, den Rucksackdieb zu überführen und zurück nach Berlin zu kommen. Durch die Begegnung mit Jola, deren sozialer Hintergrund zwar deutlich, aber nie explizit problemorientiert thematisiert wird, findet Finn eine Freundin, die ihn mit ihrer Abenteuerlust, ihrem Mut und ihrer Raffinesse ansteckt. Und so wird die Strecke von Oranienburg nach Berlin für Finn vor allem eines: Eine Reise zu sich selbst.

Muser versteht es, seine Abenteuerreise herrlich komisch und gleichermaßen höchst authentisch zu erzählen: Die verspielten Dialoge zwischen den Kindern, Jolas Wortspiele und Schimpfwörter, der Berliner Dialekt der Polizisten und die Reflexion tiefgreifender gesellschaftlicher oder individueller Probleme aus der kindlichen Perspektive des Protagonisten gelingen dem Autor hervorragend. So spiegelt der titelgebende Ausruf „Kannawoniwasein!“ diese Begeisterung für Dialekt und Wortspiele bereits wider und stimmt den Leser sprachlich auf das Kinderbuch ein.
Vor allem die Auseinandersetzung mit tiefgründigen Themen wie der Klimaerwärmung oder Nachhaltigkeit wirkt hierbei an keiner Stelle belehrend, sondern wird durch die kindliche Erzählperspektive subtil in die spannende und lustige äußere Handlung eingebettet. Durch diese Erzählweise können die komplexen Themen von jungen Lesern gut nachvollzogen und bei Bedarf selbst reflektiert werden.
Die Abbildung sprachlicher Besonderheiten, z.B. der Berliner Dialekt, einzelne polnische Wörter oder ein Dialog zwischen den beiden Kindern und einem dänischen Pärchen bieten dabei Potential für sprachaffine Leser oder für einen sprachdidaktischen Zugang. Der Lesespaß ist jedoch auch ohne eine tiefere Reflexion dieser sprachlichen Besonderheiten garantiert.

Kannawoniwasein!: Musers Kinderbuchdebut überzeugt durch eine aberwitzige Abenteuerreise, durch authentische und liebenswürdige Dialoge sowie durch seine hintergründigen Themen, die zum Nachdenken anregen können, dem Leser jedoch nie den Spaß oder Witz nehmen. Ein absolut lesenswerter Roadtrip!

Das Kinderbuch ist sowohl als Klassenlektüre als auch für alle weiteren Maßnahmen der schulischen sowie privaten Leseförderung geeignet (Bestandteil der Klassen-/Schulbibliothek, Privatlektüre, Bestandteil von Lesekisten). Die verhandelten Themen Freundschaft, (Klein-)Kriminalität, Mut und der subtile Umgang mit Stereotypisierungen treffen die Lebenswelt der Kinder und können sowohl in der privaten als auch in der schulischen Anschlusskommunikation gemeinsam reflektiert werden. Der Umfang von 169 groß beschriebenen Seiten demotiviert auch schwächere Leser nicht.

Unter Umständen erschweren die dialektalen Passagen das Verständnis schwächerer Leser. Unterstützend kann in diesem Fall das von Stefan Kaminski gelesene Hörbuch wirken, mit dem ein Gespür für die sprachlichen Besonderheiten (Berliner Dialekt, polnische und dänische Begriffe) entwickelt und der Inhalt zunächst auf der Lautebene erschlossen werden kann.