Buchcover Armand Baltazar: Timeless - Retter der verlorenen Zeit

In der Zukunft kollabieren die Erde und die Zeit aufgrund eines kosmischen Vorfalls. Etwa hundert...

Rezension von Eva Maus

Was für eine Welt! Nach einem Bruch im Raum-Zeit-Kontinuum setzen sich die Zeiten neu zusammen und Dinosaurier leben neben Menschen aus dem 19.Jahrhundert und der Zukunft. In dieser bunten Realität müssen der 13-jährige Diego und seine Freunde auf einem Piratenschiff anheuern, um Diegos Vater zu retten – und auch die Welt, wie sie sie kennen: Ein steam-punkiges, actionreiches Fantasie-Spektakel, reich und traumhaft schön bebildert.

BuchtitelTimeless - Retter der verlorenen Zeit
AutorArmand Baltazar
GenreFantasy
Lesealter12+
Umfang622
Verlagcbj
ISBN9783570174470
Preis19,99
Erscheinungsjahr2017

In der Zukunft kollabieren die Erde und die Zeit aufgrund eines kosmischen Vorfalls. Etwa hundert Millionen Menschen überleben den Umsturz, doch auf der Welt vermischen sich nun alle Erdzeiten: Neben Dinosauriern und Menschen aus dem 19. Jahrhundert leben Bewohner der Gegenwart und die sogenannten Ältesten, die aus unserer Zukunft stammen. Da das Magnetfeld der Erde durch die verheerende Kollision nachhaltig gestört wurde, ist es den Menschen kaum möglich, elektrische Geräte zu nutzen, so dass neue Techniken entstehen, die z.B. Dampfmaschinen mit Zukunftstechnologien kombinieren.

In dieser Welt wächst Diego auf, der außergewöhnliche – fast magische - technische Fähigkeiten besitzt. An seinem 13. Geburtstag muss er mit ansehen, wie sein Vater mit einigen anderen begabten Ingenieuren von den Anführern des Aeternums entführt wird. Diese Organisation will mithilfe der Entführten und Quantumenergieimpulsen die alte Welt wiederherstellen. Das würde allerdings bedeuten, dass alle Kinder, die in der neuen Welt geboren wurden, verschwänden. Bei dem Versuch des Aeterneums, auch die Familienmitglieder der Entführten zu kidnappen, um sie als Druckmittel einzusetzen, werden Diego, sein bester Freund Petey und die Mädchen Lucy und Paige von ihren Familien getrennt. Sie geraten durch einen Zufall auf ein Piratenschiff, dessen Besatzung von dem Bürgermeister ihrer Heimatstadt, New Chicago, mit der Rettung der entführten Ingenieure betraut wurde. Da den Piraten Mitstreiter fehlen, werden die vier Teenager kurzerhand entsprechend ausgebildet. Nach einer Trainings- und Planungsphase kommt es zum Showdown, bei dem den Helden zunächst die Rettung der Entführten gelingt und die Anführer des Aeternum in die Flucht geschlagen werden können. Allerdings muss sich Diegos Vater opfern, um die Kinder zu retten.

Eine Leseprobe kann auf der Verlagsseite eingesehen werden.

„Timeless“ lebt vor allem von den großartigen Bildern, die der Autor Armand Baltazar – ehemals Designer bei Pixar – selbst gezeichnet hat und die detailreich und wunderschön die Welt nach der Zeitkollision und die handelnden Figuren lebendig werden lassen. Dabei sind sie nicht nur illustrierendes Beiwerk zu der geschilderten Handlung, sondern erzählen teilweise selbst in kurzen Bilderreihen Passagen der Geschichte und füllen etwa ein Drittel der Buchseiten. Deswegen stellt auch der große Umfang von über 600 Seiten nicht unbedingt eine Hürde für Lesemuffel dar.

Der Protagonist Diego begibt sich auf eine klassische Heldenreise und muss zunächst mit ansehen, wie sein Vater entführt und sein Leben völlig durcheinander gebracht wird. Mutig beschließt er, seinen Vater retten zu wollen und gerät mit seinen Freunden auf ein Piratenschiff. Dort müssen die Teenager zunächst durch eine harte Lehrzeit gehen und über sich hinauswachsen, um schließlich zur Rettung der Entführten Entscheidendes beitragen zu können. Der grimmige Piratenkapitän und der ehemalige Sklave Ajax fungieren dabei als Mentoren. Eine zarte Liebesgeschichte zwischen Diego und Lucy, die ohne Kitsch auskommt, wird nur angedeutet und rundet das actionreiche Abenteuer ab.
Diego bietet sich als Identifikationsfigur an, obwohl er deutlich erwachsener wirkt, als er mit 13 Jahren sein sollte – genau wie seine Freunde. Er ist sympathisch und trotz Schwächen heldenhaft und loyal. Alle Figuren werden auf ein Stereotyp festgelegt: Diego ist der hartnäckige Technik-Begabte, Lucy das wohlerzogene Mädchen aus dem viktorianischen England, das den Ausbruch aus ihrem engen, gesellschaftlichen Korsett genießt, und Paige die bissige Überlebenskünstlerin aus dem urbanen Ghetto mit weichem Herz. Trotzdem bietet die Vielfalt der Figuren in ihrer Gesamtheit eine solche Breite, dass diese recht flache Zeichnung der Charaktere nicht stört.

Ohnehin bietet das Szenario nach der Zeitkollision eindrucksvolle Spielräume für eine Diversität der anderen Art: Hier können ein befreiter Sklave mit einem wütenden, farbigen Mädchen aus dem 21. Jahrhundert über die Diskriminierung von Afroamerikanern sprechen und Ideen des römischen Reiches für Wirbel sorgen. Einzelne Gruppen verfolgen angesichts der großen Vielfalt aber auch einen ‚Zeit-Rassismus‘. So wird Diego abfällig als „Zeitmischling“ beschimpft, weil seine Eltern nicht aus der gleichen Zeit stammen. Die Frage, ob man das Gewohnte (die alte Welt mit den unterschiedlichen Zeitebenen) wieder herstellen oder das Neue gestalten sollte, wird ebenfalls als interessante philosophische Frage aufgeworfen, die nicht leicht zu beantworten ist.

Der Autor erzählt immer filmisch, oft fesselnd, manchmal aber auch ein wenig unbeholfen. Auch die Handlung hat manchmal Schwächen und lebt vor allem nach dem spannenden Anfang eine Weile nur von der faszinierenden Steampunk-Ästhetik und den tollen Bilder. Der Spannungsbogen hat auch insgesamt Längen, kann an anderer Stelle dafür aber umso mehr überzeugen.
Baltazar Almand hat mit seinem Debütroman „Timeless – Retter der verlorenen Zeit“ ein Buch geschaffen, das nicht nur Comic-Fans und Leseratten anzieht und in eine faszinierende Welt entführt. Kleinere Schwächen werden selbst Lesemuffel gern verzeihen, weil die Illustrationen und das spannende Abenteuer der Freunde einfach überzeugen.

„Timeless“ zieht selbst leseskeptische Jungen (und Mädchen) von der ersten Seite an mit den außergewöhnlichen Illustrationen in seinen Bann und kann so trotz seines großen Seitenumfangs eine spannende Freizeitlektüre und eine gewinnbringende Ergänzung der Klassen- bzw. Schulbibliothek darstellen. Wer dann erst einmal in Diegos Abenteuer eingetaucht ist, wird auch den Sog der Geschichte spüren und sich auf die geplanten weiteren Bände freuen. Durch die Einschübe von Bildergeschichten und den Erzählstil, der sich stark an Blockbuster und Videospiele anlehnt, ist das Buch auch für die mittlere Lesestufe geeignet, kann die Angst vor dicken Bücher nehmen, fasziniert sicher aber auch Viel-Leser.

In freien Leseformaten kann anhand von „Timeless“ sehr gut zu Themen wie Diskriminierung und Diversität gearbeitet werden. Es ist eine wertvolle Ergänzung in der Zusammenstellung von unterschiedlichen Science Fiction-Werken und/oder Dystopien und regt zum kreativen Schreiben an - zum Beispiel durch das Entwerfen einer eigenen fantastischen Welt oder dem Erzählen anderer Geschichten in der von Baltazar entworfenen Welt.

Das Buch ist auch als Audiobook erhältlich und wurde im Rahmen des Leipziger Lesekompasses 2018 geehrt.