Rezension von Eva Maus
Gemeinsam mit den anderen ‚Rächern‘ jagt und tötet der junge David Menschen, die durch ihre übernatürlichen Kräfte böse, gefährlich und nahezu unberechenbar geworden sind. Doch ist das wirklich der einzige und richtige Weg? „Firefight“ bietet wie sein Vorgänger „Steelheart“ Action und Spannung satt und bleibt gleichzeitig humorvoll, originell und nachdenklich. Suchtfaktor: sehr hoch!
Buchtitel | Firefight |
Autor | Brandon Sanderson (aus dem Amerikanischen übersetzt von Jürgen Langowski) |
Genre | Fantasy |
Lesealter | 14+ |
Umfang | 456 Seiten |
Verlag | Heyne |
ISBN | 978-3-453-26900-2 |
Preis | 17,99€ |
Der neunzehnjährige David ist Teil der Rebellengruppe „die Rächer“, die Newcago (ehemals Chicago) von seinem grausamen Herrscher Steelheart befreit haben. Nun jagen und töten sie andere Menschen mit Superkräften. Denn die sogenannten ‚Epics‘ werden von ihren übermenschlichen Fähigkeiten korrumpiert und früher oder später zu menschenmordenden Monstern. Doch David zweifelt zunehmend an der Unumstößlichkeit dieses Zusammenhangs und fragt sich, ob es nicht auch gute Epics gibt, die die Rebellen sogar unterstützen könnten. Die anderen Rächer schieben diese Zweifel jedoch auf seine Liebe zu einer Epic und wähnen David in einer Falle.
Ein Einsatz führt David im zweiten Band der Buchreihe nach Babilar, dem ehemaligen New York, wo die unberechenbare Epic Regalia herrscht. Zusammen mit seinen Mitstreitern, dem geheimnisvollen Prof und der intelligenten Tia, versucht David, Regalias Pläne zu durchschauen und die Menschen von Babilar zu retten. Dies bringt vor allem zahlreiche fantastische Kämpfe zwischen ungleichen Gegnern in einer futuristischen Kulisse mit sich. David gerät dabei zunächst gedanklich und schließlich auch tatsächlich zwischen alle Stühle, denn er sträubt sich zunehmend, Epics pauschal zu verurteilen und zu töten und stellt wichtige Fragen nach der Herkunft der Superkräfte und der individuellen Schwächen der Epics. Doch oft bleibt nicht viel Zeit zum Überlegen, wem man trauen kann, was all die Veränderungen auf der Welt verursacht hat und welchen Regeln sie gehorchen, denn immer wieder geht es im Kampf schlicht um Leben und Tod.
Tia und ich hatten und mehrere Tage über Sourcefields Schwäche unterhalten. Jeder Epic hatte mindestens eine, die oft völlig abwegig erschien. Man musste die Geschichte des Epics studieren und herausfinden, was er mied, um daraus abzuleiten, welche Substanz oder Situation seine Kräfte aufhob.
Der Ballon enthielt das, was wir uns hinsichtlich ihrer Schwäche zusammengereimt hatten. Ich drehte mich um, wog den Ballon in einer Hand und hielt das Gewehr mit der anderen fest. So beobachtete ich die Balkontür und wartete darauf, dass sie mir nachsetzte.
„David?“, meldete sich Tia im Ohrhörer.
„Ja?“, flüsterte ich nervös zurück. Den Ballon hatte ich schon wurfbereit gehoben.
„Warum beobachtest du den Balkon?“
Warum ich…
Oh richtig Sourcefield konnte durch Wände gehen.
Ich kam mir wie ein Idiot vor, während ich genau in dem Moment zurücksprang, als Sourcefield inmitten knisternder Entladungen durch die Decke herabsank. Sie landete auf einem Knie auf dem Boden und streckte die Hand vor, die eine Kugel aus reiner Elektrizität barg. Die Entladungen malten tanzende Schatten auf die Wände.
Nun erwachte der Kampfgeist in mir. Ich schleuderte den Ballon und traf Sourcefield mitten auf die Brust. Der Energiestoß verpuffte, die rote Flüssigkeit aus dem Ballon spritzte auf die Wände und ringsherum auf den Boden. Trotz der Farbe handelte es sich nicht um Blut. Grundbestandteil der Flüssigkeit war vielmehr ein Brausepulver, das ich noch aus meiner Kindheit kannte. Man konnte es mit Wasser und Zucker aufbereiten.
Genau dies war ihre Schwäche.
Mit pochendem Herzen nahm ich das Gewehr von der Schulter. Sourcefield starrte, offenbar schockiert, ihren tropfenden Oberkörper an. Dank der schwarzen Maske konnte ich ihre Miene leider nicht erkennen. Immer noch zuckten Entladungsblitze wie kleine glühende Würmer über ihren Körper.
Ich zielte auf sie und drückte ab. In dem Raum sprengte mir der Knall fast die Trommelfelle doch ich hatte ihr Gesicht genau getroffen.
Die Kugel explodierte, als sie das Energiefeld traf. Obwohl Sourcefield von Limonade durchnässt war, funktionierte ihr Schutz noch.
Sie sah mich an. Flackernd erwachte die Elektrizität zum Leben, die Entladungen wurden heftiger und gefährlicher und beleuchteten den Raum wie eine mit Dynamit gefüllte Pizza Calzone.
Oh je…
(S.14f.)
Seitdem die rätselhafte Calamity, ein rot leuchtendes Objekt am Himmel, erschienen ist, hat sich die Welt in einen unwirtlichen Ort verwandelt. Denn es tauchen grausame und mächtige Epics auf, die anscheinend gewissenlos zerstören, unterwerfen und töten. Doch kann es auch gute Epics geben? Haben die Menschen mit Superkräften eine moralische Wahl? Ist es besser gegen sie zu kämpfen oder vergrößert die Rebellion nur das Leid der Menschen? Darf man in einer grausamen Welt Spaß haben und das Leben genießen?
Auch nach seinem Sieg gegen den mächtigen Steelheart ist der neunzehnjährige Protagonist David, der nun auch ‚Steelslayer‘ genannt wird, der gleiche, sympathische und tatendurstige Mensch geblieben. Und genau wie im ersten Band der Reihe von David Sanderson stellt er sich moralische Fragen, überprüft stetig seine Überzeugungen, bleibt unsicher und handelt doch schnell. Einerseits ist er dabei ein kampferprobter und mutiger Held, der im direkten Kampf gegen die Epics sein Leben riskiert. Andererseits liegen seine Stärken auch in einer tiefen Ernsthaftigkeit, gründlichen Recherchen und dem schnellen Ziehen der richtigen Schlüsse begründet. Er hebt sich durch seine Siege gegen mächtige Epics und seine Intelligenz von allen anderen ab, bleibt aber trotzdem weder vor Selbstzweifeln noch vor diversen Missgeschicken gefeit. Damit bietet er vielen jugendlichen – und vor allem auch männlichen – Lesern eine positive Identifikationsfigur. Die Figurengestaltung Davids ist zwar deutlich an klassische Heldenfiguren angelehnt, doch wird sie durch Selbstironie und kleine Fehler – David hadert mit seinen schlechten Metaphern und sieht sich selbst als sehr fehlerhaft an – durchbrochen. Gleichzeitig ist er auch ein wenig ‚Nerd‘ und neigt zum Grübeln. So kann die Lektüre von „Firefight“ Fans von Superheldengeschichten, klassischer High Fantasy und daran angelehnten Computerspielen, Filmen etc. und Freunde von nachdenklicher Science Fiction gleichermaßen begeistern.
Brandon Sanderson begnügt sich auch in „Firefight“ nicht mit einfachen Einteilungen in gute und böse Lager und überrascht wiederholt mit unerwarteten Zusammenhängen und Handlungsmotiven. So wird der Leser gemeinsam mit David immer skeptischer gegenüber seinen bisherigen Mentoren und Helfern. Der Ich-Erzähler ist in seinen Entscheidungen zunehmend auf sich selbst gestellt. Er kämpft um sein eigenes Leben und das der Menschen in Babilar, besiegt mächtige Epics und ist sich doch nicht immer sicher, wer der eigentliche Bösewicht, der echte Schatten ist. Nicht zuletzt stellt Megan sein Urteilsvermögen auf die Probe. Obwohl ihre Motive unklar sind, empfindet David weiterhin starke Gefühle für sie.
Sicherlich bezieht „Firefight“ seine Spannung und seinen Anspruch teilweise auch aus Fragen um Werte und Moral, doch ist der Roman in erster Linie ein actiongeladenes Buch, bei dessen Lektüre der Leser schon auf der zweiten Seite bei einem wahnwitzigen Kampf mitfiebert. Sanderson schafft es dabei virtuos, mit einer relativ einfachen Sprache und einem hohen Erzähltempo lebendige Actionszenen zum Leben zu erwecken, die stark an Computerspiele und Blockbuster erinnern.
Genauso gelingt es ihm nach dem völlig zu Stahl gewordenen Newcago mit Babilar eine gänzlich andere und faszinierende Stadt zu erschaffen. Dort hat Regalia den Wasserstand enorm gehoben, so dass die Menschen auf den Dächern der Wolkenkratzer, die mit Hängebrücken verbunden sind, zelten. Die obersten Etagen der Bürotürme sind von fantastischen Bäumen überwuchert, die essbare, leuchtende Früchte tragen. Die Einwohner reagieren nicht mit paranoider Angst auf die Anwesenheit der Epics, wie in Newcago, sondern haben eine große Gelassenheit entwickelt, genießen jeden Tag und feiern sogar laute Partys. Der Leser wird durch den flapsig erzählenden Ich-Erzähler, der sich an diese neue Umgebung nur zögernd gewöhnen kann, langsam in diese Szenerie eingefügt, so dass es nicht schwer fällt, den fantasievollen Beschreibungen zu folgen. Rätselhaft bleibt für die Figuren und damit auch für den Leser hingegen, ob die Dystopie durch technische oder fantastische Begebenheiten hervorgerufen wurde.
„Firefight“ besteht aus relativ kurzen Kapiteln, einem sehr gelungenen Spannungsbogen sowie einer actionreich-rasanten und intelligenten Handlung voller Überraschungen. Dies und der sympathische, teilweise witzige Ich-Erzähler und seine recht einfache und sehr anschauliche Sprache verleihen dem Buch einen hohen Suchtfaktor. Unbedingt Lesen!
„Firefight“ eignet sich besonders für Vielleseverfahren. Durch seine inhaltliche und erzählerische Nähe zu Actionfilmen und -computerspielen kann der Roman insbesondere für Rezipienten solcher Medienangebote lesemotivierend wirken.
Das Nebeneinander von zahlreichen, schnellen – auch brutalen – Kampfszenen mit moralischen Überlegungen und intelligenter Handlung kann dabei Präferenzen von Pädagogen und Schülern miteinander vereinbaren helfen.
Obwohl Informationen zu den wichtigsten Eckpunkten des Vorgängers „Steelheart“ in „Firefight“ eingebunden werden, ist die Lektüre des ersten Bandes sehr zu empfehlen, bevor der zweite Band gelesen wird. Der gelungene Spannungsbogen, der auch über die Bücher hinweg funktioniert, regt dazu an, auch die Fortsetzungen zu verschlingen.