Rezension von Nina Vogel
Der junge Zauberlehrling Nathanael muss sich mit Titelheld und Dämon "Bartimäus" allerhand Problemen und Gefahren stellen. Jonathan Stroud gelingt mit seinem Roman ein wahrhaft originelles Lesevergnügen voller Spannung und Action, mit einer Extra-Portion Sarkasmus inklusive.
Buchtitel | Bartimäus – Das Amulett von Samarkand |
Autor | Jonathan Stroud (übersetzt von Katharina Orgaß und Gerald Jung) |
Genre | Fantasy |
Lesealter | 12+ |
Umfang | 544 Seiten |
Verlag | cbj |
ISBN | 3-570-12775-3 |
Preis | 8,95 € (Taschenbuch) |
Der junge Nathanael wird in der Familie des Zauberers Arthur Underwood als Lehrling aufgenommen, doch schon bald fühlt er sich bei seinem Lehrmeister unterfordert. Underwood selbst ist ein eher mittelmäßiger Zauberer und erachtet seinen Lehrling als nicht gerade intelligent. Dementsprechend fordert er ihn wenig, sodass Nathanael seine magische Erziehung kurzerhand selbst in die Hand nimmt. Nach einer Demütigung durch einen anderen Zauberer sinnt er auf Rache, und beschwört heimlich den 5000 Jahre alten Dämonen Bartimäus, für einen so jungen Zauberer eigentlich unmöglich. Dem cleveren Dämon befiehlt er das Amulett von Samarkand zu stehlen, und gerät so immer tiefer in einen gefährlichen Strudel aus Abenteuern und politischen Intrigen. Was als jugendlicher Leichtsinn beginnt, ufert schon bald in immer gefährlichere Situationen aus. Mithilfe seines widerwilligen Dämon bildet Nathanael ein ungleiches, wenn auch gut funktionierendes und unschlagbares Team und muss sich so mit den Konsequenzen seiner Rachegelüste auseinandersetzen. Als er dem machthungrigen Zauberer Simon Lovelace schließlich auf die Schliche kommt, muss er sich im fulminanten Finale sogar als Held beweisen.
Der Tag, der sich als der schlimmste in Nathanaels Leben erweisen sollte, fing schon so niederschmetternd an, wie er enden sollte. Obwohl sie erst zu später Stunde vom Parlament nach Hause gekommen waren, konnte Nathanael einfach nicht einschlafen. Die letzten Worte seines Meisters gingen ihm im Kopf herum und erfüllten ihn zunehmend mit Unbehagen: „Jeder, der im Besitz von Diebesgut ist, muss mit den härtesten Strafen rechnen...“ Den härtesten Strafen... Was sonst war das Amulett von Samarkand, wenn nicht Diebesgut?
Einerseits war Nathanael davon überzeugt, dass Lovelace das Amulett gestohlen hatte – um das zu beweisen, hatte er schließlich Bartimäus ausgesandt -, andererseits war er selbst, oder besser gesagt, Underwood, derzeit im Besitz des Diebesgutes. Wenn Lovelace oder die Polizei oder sonst jemand der Regierung das Amulett in diesem Haus fand, ja, falls Underwood selbst es in seinem Magazin entdeckte... Die katastrophalen Folgen mochte sich Nathanael nicht einmal ansatzweise ausmalen. Was als persönliche Rache an seinem Feind gedacht gewesen war, hatte sich zu einer weitaus brisanteren Angelegenheit ausgewachsen. Jetzt hatte er es nicht mehr nur mit Lovelace zu tun, sondern auch noch mit der Obrigkeit. Er hatte von den geschliffenen Glasbehältern gehört, in denen die Leichen von Verrätern an die Zinnen des Towers gehängt wurden. Ihre Botschaft war unmissverständlich: Es war nicht ratsam, den Zorn der Behörden auf sich zu ziehen.
Als das gespenstische Licht kurz vor Tagesanbruch in der Dachluke schimmerte, hatte Nathanael nur noch einen Gedanken. Er musste das Amulett so schnell wie möglich loswerden, ganz gleich ob der Dschinn nun Beweise gefunden hatte oder nicht. Er wollte es wieder zu Lovelace schaffen und ihm dann irgendwie die Behörden auf den Hals hetzen. Doch dafür benötigte er Bartimäus.
Und Bartimäus weigerte sich zu kommen.
Trotz seiner Müdigkeit führte Nathanael an jenem Morgen drei Beschwörungen durch und dreimal ließ der Dschinn sich nicht blicken. Beim dritten Versuch schluchzte er fast vor Angst und brabbelte die Worte herunter, ohne sich darum zu scheren, ob ihn eine falsche Silbe in Schwierigkeiten bringen konnte. Als er fertig war, starrte er keuchend auf den Bannkreis. Komm schon, komm schon!
Kein Rauch, kein Gestank, kein Dämon.
Fluchend brach Nathanael die Beschwörung ab, kickte wütend ein Räuchergefäß durchs Zimmer und warf sich aufs Bett. Was war nur los? Hatte Bartimäus einen Trick gefunden, sich seiner Pflicht zu entziehen? Unmöglich! Soweit Nathanael wusste, war das noch keinem Dämon gelungen. Hilflos hämmerte er mit den Fäusten auf die Bettdecke. Sobald er den Dschinn wieder in seiner Gewalt hatte, würde er ihn für seine Saumseligkeit büßen lassen – er würde ihn dem Scharfzackigen Pendel aussetzen und zusehen, wie er sich vor Schmerzen wand.
Aber was sollte er in der Zwischenzeit machen?
Der junge Zauberlehrling Nathanael hat gleich eine ganze Reihe an Problemen: Sein Lehrmeister Arthur Underwood stellt sich als mittelmäßiger Zauberer in einem niederen Posten in der Regierung heraus, und - noch schlimmer als das - er erachtet seinen Lehrling auch noch als eher einfältig. Um es später allen beweisen zu können fängt der ehrgeizige und wissensdurstige Nathanael still und heimlich an, seine Lehre selbst in die Hand zu nehmen. Als er jedoch durch den Zauberer Simon Lovelace vor seinem Lehrmeister bloßgestellt wird, sinnt er auf Rache und beschwört den mächtigen und über 5000 Jahre alten Dämonen Bartimäus herauf, was zu einer ganzen Reihe an Verwicklungen führt.
Interessant ist daran vor allem, dass die Handlung nicht nur aus Sicht des Zauberlehrlings Nathanael wiedergegeben wird, sondern auch aus der Perspektive des versklavten Dämonen und Titelhelden. So bleibt Nathanael in den Augen des Lesers keinesfalls fehlerfrei, da Bartimäus die Schwächen und Fehler des Jungen gnadenlos offenlegt. Gerade das dürfte den jungen, und auch vor allem den männlichen Lesern dabei helfen, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren, da er nicht der makellose Held der Geschichte ist, sondern ein Junge, der Fehler macht wie jeder andere auch.
Die Geschichte, die teilweise düstere und auch sehr traurige Züge aufweist, bleibt dabei jedoch stets humorvoll, besonders in den Kapiteln, die aus Sicht von Bartimäus erzählt werden. Diese Passagen sind besonders lesenswert, und gerade für etwas geübtere und reifere Leser interessant, da sie nicht nur vor Sarkasmus und Zynismus triefen, sondern sich auch dadurch auszeichnen, dass der Dämon zu der menschlichen und vor allem magischen Population eine gewisse Distanz, ja geradezu negative und ernüchternde Haltung einnimmt. Bartimäus fungiert dabei als cleverer, wenn auch selbstverliebter Ich-Erzähler, der auch gerne mal in Fußnoten von der Erzählung abschweift oder Hintergrundinformationen liefert, während die Kapitel um Nathanael in der dritten Person geschrieben sind.
Die Welt, in der die ganze Erzählung stattfindet, gleicht der unseren. Trotz der starken Verweise auf unsere tatsächliche Gegenwart und Geschichte handelt es sich allerdings um eine alternative Realität, in der sich die Geschichte des Menschen teilweise anders entwickelt hat und die auch fantastische Elemente aufweist. So herrschen in dieser Realität die Zauberer in London, der Hauptstadt des Weltreiches England. Die Zauberer besitzen dabei allerdings tatsächlich keinerlei Magie, sondern können diese nur mithilfe von Dämonen erlangen, die sie durch Pentagramme heraufbeschwören und versklaven. Neben der spannenden Handlung um Bartimäus und Nathanael wird also subtil auch noch Gesellschaftskritik sowohl an der Sklaverei als auch der Heuchelei der Obrigkeiten geübt, ohne die jungen Leser damit jedoch zu stark zu konfrontieren.
Von Anfang an bis hin zum Schluss gelingt es dem Autor, die Geschichte immer wieder mit actiongeladenen Abenteuern spannend zu halten. Die Protagonisten stolpern dabei von einem in das andere Abenteuer, was es besonders für ungeübte Leser einfach macht, am Ball zu bleiben.
Auch die alternative Welt, die Stroud für diese Romanreihe erschaffen hat, wird den Lesern in all ihren Facetten näher gebracht. So streut Bartimäus immer wieder lustige und spannende Anekdoten aus seiner Vergangenheit ein, und auch in Nathanaels Passagen wird die magische Welt dem Leser näher gebracht. Dies führt dazu, dass man zwar ein umfangreiches Wissen über diese Welt erhält, jedoch nicht von deren Komplexität erschlagen wird.
Auch Wenig-Leser werden in diesem Buch Leseanreize finden. Nicht nur die spannende und actionreiche Handlung, sondern auch die Unterteilung in relativ kurze Kapitel ermöglicht es, auch bei mehreren Lesepausen der Handlung einfach zu folgen.
Gerade für Jungen eignet sich der Roman hervorragend. Mit beiden Protagonisten, vor allem aber natürlich mit Nathanael, können sich die männlichen Leser gut identifizieren, da dieser mit all seinen Stärken und Schwächen einen komplexen Charakter darstellt. Da die Geschichte auch aus seiner Perspektive erzählt wird, bekommen die Leser einen direkten Einblick in seine Gefühlswelt, zu der jeder heranwachsende Junge mit Sicherheit seine Parallelen ziehen kann.
Fazit: Jonathan Stroud schafft es in seinem Roman mühelos, Spannung, Action und eine gehörige Portion Humor zu kombinieren. Etwas ältere Leser werden durch den Zynismus und die gesellschaftskritischen Elemente zum Denken angeregt, jüngere Leser werden sich über die spannende Handlung, den zum Teil Slapstick-artigen Humor und die vielen fantastischen Gegebenheiten freuen. Ein Buch für Jung und Alt, das tatsächlich auch als solches funktioniert. Immer wieder lesenswert.
Dadurch, dass das Buch auf verschiedenen Ebenen gelesen werden kann, eignet es sich für die Leseförderung in offenen Vielleserverfahren in der Schule und als private Lektüre. Rasante Action, eine relativ einfache Sprache und sehr viel Humor machen das Lesen zu einem Vergnügen. Für Leseschwächere ist der Umfang des Romans und die komplexe alternative Welt eventuell abschreckend und für den Einstieg zu viel des Guten, für die mittlere Lesestufe und Leseratten aber absolut empfehlenswert. Im Rahmen von Lesegruppen gibt es auch einige interessante Fragestellungen die bearbeitet werden können, so etwa die Sklaverei der Damönen und der Aufstieg und Fall der magischen Zivilisation.