Buchcover Renus Berbig: Unglaubliche Weihnachten – 24 Rätselreisen um die Welt

Was für eine Katastrophe: Die Vorweihnachtszeit hat begonnen und der Weihnachtsmann hat seinen...

Rezension von Patricia Gollwitzer

Was für eine Katastrophe: Die Vorweihnachtszeit hat begonnen und der Weihnachtsmann hat seinen Terminkalender verloren. Damit das Weihnachtsfest überall auf der Welt stattfinden kann und der Weihnachtsmann nichts durcheinander bringt, hat er sein schnellstes Rentier Helge losgeschickt, um alle Informationen über die Weihnachtsbräuche in der Welt zusammenzutragen.

BuchtitelUnglaubliche Weihnachten – 24 Rätselreisen um die Welt
AutorRenus Berbig
GenreHumor & Komik
Lesealter8+
Umfang152 Seiten
Edition3. Auflage 2013
Verlagdtv
ISBN978-3-423-71326-9
Preis9,95 €

Was für eine Katastrophe: Die Vorweihnachtszeit hat begonnen und der Weihnachtsmann hat seinen Terminkalender verloren. Damit das Weihnachtsfest überall auf der Welt stattfinden kann und der Weihnachtsmann nichts durcheinander bringt, hat er sein schnellstes Rentier Helge losgeschickt, um alle Informationen über die Weihnachtsbräuche in der Welt zusammenzutragen. Helge macht sich also auf die Reise in 24 unterschiedliche Länder, in denen er ganz genau über Weihnachten recherchiert. Immer wenn er in einem Land alles herausgefunden hat, schickt er einen Bericht an die Engelszentrale. Es gibt da nur ein Problem: Denn wie Ochs und Esel erklären, ist Helge zwar schnell, aber nicht besonders zuverlässig. Helge hat eine blühende Fantasie und erzählt auch mal Geschichten, die er sich nur ausgedacht hat. Die Engel wundern sich oft über die Dinge, die Helge in seinen Berichten schreibt. An diesen Stellen kann der Leser mitraten, was an Helges Geschichten wahr und was falsch ist. In kurzen Zwischenkapiteln klären Ochs und Esel dann auf. Insgesamt ein lustiger und zugleich sehr interessanter Rätselspaß für Groß und Klein.

Helge Rentier an Weihnachtsmannzentrale! Ich bin entzückt! Stellt euch vor, ich bin in Indien. Das ist das Land, das Christoph Kolumbus vor über 500 Jahren entdeckt hat.
Es ist wirklich so märchenhaft, wie er schon damals beschrieben hat. Prächtige Paläste, heilige Kühe auf den Straßen und flinke Fakire, die mit ihren Fahrrädern die Kühe umkurven. Und gleich hinter der letzten Straßenbahnhaltestelle der blühende Dschungel, der vom Geschrei der Affen widerhallt und vom Gebrüll der Tiger, auf das die Elefanten fröhlich mit ihren Rüsseltrompeten antworten.
Und über allem schwebt der weihnachtliche Duft von Weihrauch und Myrrhe. Das sind jene Gewürze, mit denen in Europa die Lebkuchen gebacken werden.
Die überaus freundlichen Bewohner Indiens nannte Kolumbus ursprünglich Indianer. Heute sagt man allerdings einfach Inder.
Weihnachten wird hier traditionell nach einem besonderen Ritual gefeiert. Ein alter Inder hat mich auf eine Tasse Kaffee eingeladen und mir alles genau erklärt. Kaffee wird hier übrigens Mokka genannt und man trinkt ihn aus ganz raffinierten flachen Lederbechern, den sogenannten Mokkassins. Aber das nur am Rande.
In den Adventstagen beginnen die Leute überall im Land, die heiligen Kühe zu melken. Mit ihrer Milch wird ein spezieller Joghurt zubereitet, der Feierlassi heißt und den Schnee an Weihnachten symbolisieren soll. Das haben sich die Inder so ausgedacht, da es ja in Indien nie schneit.
Am Heiligen Abend, bevor es losgeht, schmücken sich die Inder für das Fest. Sie streichen sich ein wenig Feierlassi aufs Haupt und malen sich einen kleinen Weihnachtsstern auf die Stirn.
Wenn es dunkel ist, treffen sich dann alle an einem großen Fluss, der Ganges heißt. Dort kommen an vielen Orten Tausende von Menschen zusammen. Es werden Räucherstäbchen und Kerzen angezündet und indische Weihnachtslieder gesungen, sodass eine sehr feierliche Stimmung entsteht ...

"Unglaubliche Weihnachten – 24 Rätselreisen um die Welt" ist ein ungewöhnliches und erfrischend anderes Buch für die Advents- und Weihnachtszeit. Helge, das lustige Rentier mit Funksender am Geweih, soll für den Weihnachtsmann, der seinen Terminkalender verloren hat, um die Welt reisen und über die landestypischen Weihnachtsbräuche berichten. Hier wird schon das erste witzige Detail deutlich: Der Funksender am Geweih des Rentiers verbindet das traditionelle Thema Weihnachten mit moderner Technik und schafft sogleich einen aktuellen Bezug zur Lebenswelt der Leser.

Renus Berbig und Anke Kuhl erschaffen im Buch "Unglaubliche Weihnachten – 24 Rätselreisen um die Welt" ein Repertoire komischer Figuren, die durch Aussehen, Mimik, Gestik, Wortwahl und ihre Interaktionen den jugendlich-männlichen Leser schmunzeln lassen. So werden Ochs und Esel, die sich mit Weihnachten hervorragend auskennen, von Weihnachtsmann und Engeln chronisch unterschätzt und nur als Nutztiere gehalten. In den Dialogen der beiden erkennt der Leser aber schon zu Beginn der Geschichte ihre Scharfsinnigkeit. Die Unfähigkeit der vermeintlich überlegenen Figuren, wie Weihnachtsmann und Engel, wird von Ochs und Esel aufgedeckt. Die Engel, die in der Zentrale die Berichte entgegennehmen, sind zwar mit allerlei wichtigen Gerätschaften, wie Computern und Funkgeräten, ausgestattet, mit Helges Berichten jedoch ständig überfordert.
Die Hauptfigur Helge ist, vor allem aufgrund der schelmenhaft-liebevollen Illustrationen, eine weitere komische Figur, die dem Leser sofort ans Herz wächst. Er erforscht mit brennendem Interesse die Weihnachtsbräuche in 24 Ländern, und berichtet in einem saloppen, lesefreundlichen Sprachstil an die Zentrale. Dabei schmückt er seine Berichte immer wieder mit phantastischen Flunkereien aus, die der Leser am Ende des Berichts enttarnen muss.


Die 24 Kurzgeschichten über die einzelnen Länder beginnen alle mit einer Weltkarte, auf der der Leser sehen kann, wo sich Helge gerade befindet. Jede Geschichte ist in Berichtform geschrieben und schafft dadurch persönliche Nähe zum Leser, da dieser den Eindruck gewinnt, er sei mit den Engeln in der Weihnachtsmannzentrale. Dabei ist Helge in seinen Schilderungen unzuverlässig, was dem Leser durch Ochs und Esel gleich zu Anfang des Buches klar gemacht wird. Dieser Umstand motiviert den Leser zum genauen Lesen und Urteilen über das Gelesene.
Helges Berichte strotzen vor Humor und Komik. So passieren ihm einerseits immer wieder kuriose Dinge (in Schweden wird er ungewollt betrunken), andererseits lässt Helges Nonsense (zum Beispiel die Geschichte vom Cocolaus auf Kiribati), den er immer wieder in seine Berichte einstreut, den Leser heftig schmunzeln. Abgerundet werden die pointierten Berichte mit Situationskomik und einer leichten Prise derben Humors, der gerade bei Jungen gut ankommt. Renus Berbig versteht es darüber hinaus ausgezeichnet, wo immer es geht, ironische Aussagen mit einzubauen. Nicht jede dieser ironischen Anspielungen kann von jungen Lesern verstanden werden, sie fügen sich aber gut in die Geschichte ein, so dass sie ohne Verständniseinbußen überlesen werden können. Diese Anspielungen unterhalten aber gerade mitlesende oder vorlesende Erwachsene.

Am Ende jedes Kapitels kratzen sich die Engel in der Zentrale am Kopf und wundern sich über die kuriosen Details in Helges Berichten. Gibt es in Mexiko wirklich Krippenfiguren aus Radieschen? Glaubt man in Tschechien an Weihnachtszauberei? Begeistertes Mitraten ist an dieser Stelle garantiert, wobei der besondere Reiz des Buches darin liegt, dass es für jüngere Leser nicht immer ganz einfach ist herauszufinden, was wahr und was erschwindelt ist. Aber nach jedem Kapitel lüften Ochs und Esel mit ihren Kommentaren den Vorhang und stellen Helges Geschichten richtig.

Besonders hervorzuheben ist, dass Renus Berbig es geschafft hat, ein fiktionales Sachbuch zu schreiben, das kreativ, komisch und in hohem Maße informativ ist. So erfährt der Leser viele interessante Fakten über Weihnachtsbräuche und -feste in den unterschiedlichsten Ländern der Welt, ohne das Gefühl zu haben, von den Sachinformationen erschlagen zu werden. Dabei webt der Autor auch immer wieder Wörter in der Landessprache mit ein, die er Helge natürlich erklären lässt. Von den "Jolasveinar", den dreizehn Weihnachtswichteln in Island, bis zur Weihnachtshexe "La Befana" in Italien finden sich viele weihnachtliche Kuriositäten.


Die einzelnen Kapitel sind mit ca. drei Seiten überschaubar und jede der Geschichten ist abgeschlossen, was gerade für schwächere Leser motivierend sein kann. Die Schrift ist ausreichend groß und die Illustrationen veranschaulichen die Geschichten sehr gut. Die zahlreichen farbigen Bilder sprechen durch ihren comichaften Charakter besonders Jungen an und enthalten viele witzige Details (zum Beispiel einen Nikolaus in Badehose mit Surfbrett).


Insgesamt ist das Buch liebevoll gestaltet, lustig geschrieben und die kindgerechten Illustrationen lassen nicht nur kleine Leser schmunzeln. Ein vorweihnachtlicher Rätselspaß für die ganze Familie, der dem Leser Weihnachten in aller Welt nahe bringt.

Das Buch eignet sich für viele Arten der Leseförderung. Für jüngere Kinder und Leseanfänger ist es ein hervorragendes Vorlesebuch, das sowohl für die Familie als auch für den Unterricht oder außerschulische Leseförderprogramme (z.B. Leseclubs) empfehlenswert ist. Für fortgeschrittene Leser eignet es sich auch gut zum Selbstlesen. Das Buch spricht durch seine comichaften Illustrationen, modernen technische Details (Funksender, Computer, etc.), den männlichen Hauptcharakter und den frechen, manchmal derben Humor besonders Jungen an.

Aufgrund der gelungenen Verbindung von phantastischer Erzählung und Sachbuch, bieten sich zahlreiche Anschlussaktivitäten. So ist es denkbar, einen eigenen Bericht aus Helges Perspektive über ein neues Land zu verfassen. Aber auch verschiedene Bastelaktionen zu weihnachtlicher Dekoration lassen sich anregen. Es könnten Informationsplakate zu den einzelnen Ländern erstellt werden, die bei einer internationalen Weihnachtsfeier ausgestellt werden. Selbst das Einspielen eines eigenen Hörbuchs oder eines Theaterstücks ließe sich verwirklichen.

Es sind also eine ganze Reihe produktiver und kreativer Verfahren der Textannäherung möglich. Darüber hinaus bietet das Buch aufgrund der Sachinformationen einen Rahmen zum interkulturellen Lernen. Für Vielleseverfahren eignet es sich wegen der kleinen abgeschlossenen Kapitel eher weniger. Dafür können Lesemuffel durch die knapp gehaltenen Kapitel und den auffordernden Charakter der Rätselgeschichten zum Lesen animiert werden.