Rezension von Sarah Kraus
Die beiden Halbwaisen Ethan und Caty leben zusammen mit ihrem Vater in einem alten Gasthof am Meer. Seit dem Tod der Mutter ist das Verhältnis der Familie zerrüttet, der Vater ertränkt seinen Kummer in Alkohol und kümmert sich kaum um seine Kinder. Während eines schweren Sturms erkranken Ethan und Cathy, was ihren Vater endlich aus seinem Stumpfsinn erwachen lässt. Er macht sich auf, um einen Arzt zu holen. Als die Kinder alleine sind, klopft ein mysteriöser junger Mann an die Tür des Gasthofs...
Buchtitel | Schauergeschichten vom Schwarzen Schiff |
Autor | Chris Priestley (aus dem Englischen übersetzt von Beatrice Howeg) |
Genre | Horror & Grusel |
Lesealter | 12+ |
Umfang | 239 Seiten |
Edition | 2011 |
Verlag | BV Berlin Verlag GmbH |
ISBN | 978-3-8270-5422-7 |
Preis | 15,90 € |
Die beiden Halbwaisen Ethan und Caty leben zusammen mit ihrem Vater in einem alten Gasthof am Meer. Seit dem Tod der Mutter ist das Verhältnis der Familie zerrüttet, der Vater ertränkt seinen Kummer in Alkohol und kümmert sich kaum um seine Kinder. Während eines schweren Sturms erkranken Ethan und Cathy, was ihren Vater endlich aus seinem Stumpfsinn erwachen lässt. Er macht sich auf, um einen Arzt zu holen. Als die Kinder alleine sind, klopft ein mysteriöser junger Mann an die Tür des Gasthofs und bittet um Einlass und Schutz vor dem Sturm. Obwohl er Ethan nicht geheuer ist, lässt er ihn herein, entgegen aller zuvor vom Vater ausgesprochenen Warnungen. Schnell stellt sich heraus, dass der Fremde ein unerschöpfliches Repertoire an Gruselgeschichten zu bieten hat, mit denen er Ethan und Cathy in seinen Bann zieht. Zum Ende der Geschichten müssen die beiden jedoch herausfinden, dass Fantasie und Wirklichkeit manchmal näher beieinander liegen, als ihnen lieb ist.
Er wollte schon rufen, als er beobachtete, dass die Mannschaft auf dem Schiff gerade einem Mann an Bord half, der so tot war, wie ein Mensch nur sein konnte. Und nicht nur schienen sie über sein Aussehen nicht im Mindesten entsetzt, sie begrüßten ihn wie einen alten Freund.
Dawson betrachtete das Schiff mit neuen Augen, und jetzt erkannte er seine wahre Gestalt. Die Planken waren schwarz und bis hinunter zur Wasserlinie zerlöchert und verfault, dass es im Grunde unmöglich war, dass es sich über Wasser halten konnte.
Auch die Masten waren schwarz, faulig und geborsten, von Würmern zerfressen und von Käfern durchbohrt, die Segel zerschlissen und ausgefranst und so dünn wie Insektenflügel.
Während die Mannschaft des Schiffs einer auf dem Wasser treibenden Leiche nach der anderen an Bord half, wurde Dawson klar: Dies musste das Schwarze Schiff sein, von dem die Seeleute sprachen, bemannt mit den Leichnamen schiffbrüchiger Kameraden.
Obwohl der Gedanke, auch nur eine weitere Minute in dieser Salzwasserwüste zu verbringen, nur entsetzlich war, griff Dawson den Mast mit beiden Händen und tauchte unter Wasser, als sich das Schiff ihm näherte. Während er die Luft anhielt, sah er unter Wasser die verrotteten Planken vorbeigleiten und betete, dass sie ihn nicht sahen.
(S. 218)
Die „Schauergeschichten vom Schwarzen Schiff“ eigenen sich gut dazu, um Jungen ab ca. 12 Jahren für das Lesen zu begeistern. Die einzelnen Erzählungen sind spannend, schön gruselig, nicht zu lang, und müssen nicht zwingend in der vorgegebenen Reihenfolge gelesen werden, was den Einstieg in das Buch erleichtert. Sie bieten sich ebenfalls sehr gut zum Vorlesen an.
Generell folgen die Bände aus Chris Priestleys Schauergeschichten-Reihe stets demselben, aus einer Rahmen- und einer Binnenerzählung bestehenden, Plot: Eine mysteriöse Figur erzählt einem oder mehreren Protagonisten gruslige und liebevoll ausgestaltete Geschichten.
Die „Schauergeschichten vom Schwarzen Schiff“ werden den Geschwistern Ethan und Cathy von einem Fremden erzählt, der während eines Sturms Einlass in den Gasthof „The Old Inn“, in dem die beiden zusammen mit ihrem Vater leben, erbittet. Die kränkelnden Kinder sind alleine zuhause, da der Vater sich aufgemacht hatte, um einen Arzt zu holen. Obwohl ihnen der junge Mann vor der Tür, der sich als Jonah Thackeray vorstellt, unheimlich erscheint, lassen sie ihn herein und erliegen schon bald der Faszination seiner Schauergeschichten.
Thackeray versteht es meisterlich, nicht nur Ethan und Cathy, sondern auch den Leser in den Bann seiner Erzählungen zu ziehen. Mit großer Leichtigkeit spinnt er Geschichten über blutrünstige Mädchen, einen unheimlichen Schiffskater, ein dämonisches Tattoo, einen diabolischen kleinen Jungen und nicht zuletzt auch über das „Schwarze Schiff“ der lebenden Toten. Seine Geschichten wirken dabei zunächst immer wie aus dem Alltag eines Seefahrers gegriffen, bis plötzlich und unvorhergesehen das Schaurige in diesen Alltag einbricht. Dies geschieht entweder durch einen unheilvollen Gegenstand, eine Person, oder ein Tier. Die Konfrontation mit dem jeweiligen ‚Unheilbringer‘ löst die in den einzelnen Geschichten konstruierte Wirklichkeit aus ihren Angeln, schaurige Abgründe tun sich auf, denen die Protagonisten selten lebend entkommen. Am Ende von Thackerays Erzählungen müssen Ethan und Cathy indes erfahren, dass sie ohne es zu wissen, längst selbst Teil einer Schauergeschichte geworden sind.
Alle Geschichten, die Jonah Thackeray den beiden Kindern erzählt, sind zwischen 13 und 23 Seiten lang und in sich geschlossen. Ihre sprachliche Komplexität ist gering bis mittel ausgebildet, die Geschichten sind insgesamt gut verständlich und der Handlungsverlauf klar nachvollziehbar. Zwischen den einzelnen Erzählsequenzen kommt immer wieder die Rahmenerzählung mit Ethan, Cathy und dem mysteriösen Thackeray im Gasthof zum Tragen, so dass der Leser sich immer wieder kurzzeitig von dem erfahrenen Horror erholen kann, bis eine neue schaurige Geschichte erzählt wird.
Die graphische Gestaltung des Buches durch David Roberts ist durchweg liebevoll und kindgerecht. Vom detailreichen Cover der „Schauergeschichten vom Schwarzen Schiff“, bis hin zu den Illustrationen einzelner Geschichten, gibt es für den aufmerksamen Leser einiges zu entdecken.