Buchcover Gideon Samson: 70 Tricks, um nicht baden zu gehen

Wie überlebt man das Schulschwimmen, wann man panische Angst vor Wasser hat? Gidd ist der einzige...

Rezension von Martina Knopik

Wie überlebt man das Schulschwimmen, wann man panische Angst vor Wasser hat? Gidd ist der einzige Viertklässler, der sein Schwimmabzeichen noch nicht bestanden hat...

Buchtitel70 Tricks, um nicht baden zu gehen
AutorGideon Samson
GenreAnti-Helden & Schelme
Lesealter8+
Umfang137 Seiten
VerlagGerstenberg
ISBN978-3-8369-5704-5
Preis12,95 €

Wie überlebt man das Schulschwimmen, wann man panische Angst vor Wasser hat? Gidd ist der einzige Viertklässler, der sein Schwimmabzeichen noch nicht bestanden hat. Chlor! Wasser in der Nase! In den Augen! Im Mund! Das ist alles nichts für Gidd.
Um dem Desaster zu entgehen, denkt er sich 70 Tricks aus, um dem Schwimmunterricht geschickt zu entkommen. Doch auch dem besten Schwindler gehen irgendwann die Ausreden aus und Gidd muss doch ins Wasser…

Donnerstag ist der schlimmste Tag der Woche.  Am Dienstag habe ich immer sofort nach der Schule Klavierunterricht, und wenn ich dann nicht geübt habe, ist das auch sehr schlimm, aber nichts im Vergleich zu Donnerstag. Der Tag ist so schlimm, dass ich immer schon am Mittwoch Bauchschmerzen bekomme.
Jetzt haben wir noch Sommerferien. Das bedeutet, dass Donnerstag ein genauso schöner und freier Tag ist wie alle anderen. Aber auch, dass die Schule bald wieder anfängt, und dann wird Donnerstag einfach ein Katastrophentag.

Gidd ist kein klassischer Außenseiter. Er hat Freunde und ist in der Klassengemeinschaft akzeptiert. Alleine der Schwimmunterricht befördert den Jungen ins Abseits.

Während seine Freunde schon auf der Busfahrt jubeln, plagen Gidd schlimme Bauchschmerzen. Er fühlt sich von Schwimmlehrer John schlecht behandelt, durch den Schwimmunterricht diskriminiert und hat schreckliche Angst zu ertrinken. Der Leser erkennt Gidds Not und leidet mit ihm – insbesondere diejenigen, die die Angst vor dem Schwimmunterricht mit ihm teilen.

Das durchaus schwierige Thema „Schwimmphobie“ wird durch die geschickt gesetzten Übertreibungen und Fehleinschätzungen des Jungen komisch aufgelockert. Plötzlich trumpfen die Mitschüler des Anfängerkurses mit überragenden Leistungen auf, sie schwimmen, tauchen und albern im Wasser herum. Alle – außer Gidd! Da niemand seine Not zu verstehen scheint, überlegt sich Gidd waghalsige Ablenkungsmanöver, um den Schwimmunterricht zu entkommen. Doch irgendwann gehen auch ihm die Tricks aus und Gidd muss doch ins Wasser.

Für den Ernstfall hat er sich ein paar Hilfsmittel zurechtgelegt, die ihn vor dem Ertrinken retten sollen. Als sein wichtigster Glücksbringer jedoch nicht mehr aufzufinden ist, macht sich der Junge auf die Suche nach neuen Helfern.

Der Ausflug, den Gidd auf seiner Suche macht, erinnert stellenweise an die Geschichte des jungen Oskar in Extrem laut und unendlich nah von Jonathan Safran Foer. Wie sein literarisches Vorbild trifft auch Gidd auf skurrile Persönlichkeiten, die ihm bei der Bewältigung seiner Probleme behilflich sind.

Die skurrilen  Figuren, die ihm begegnen, sind wichtiger Bestandteil der Komik. Insbesondere der coole Surferboy mit seinem Papagei, die alte Minna Dreifuß und der Künstler Beppo de Beer bleiben dem Leser im Gedächtnis. Die Figuren sind stark überzeichnet und helfen Gidd auf eine sehr einfühlsame Art, mit seinen Ängsten umzugehen. Nur in diesen Abschnitten, die mit vielen komischen Elementen durchzogen sind, werden Gidds Probleme detailliert besprochen und so von ihrer Bedrohlichkeit befreit.

Obwohl die Geschichte letztlich positiv ausgeht, ist keine Weiterentwicklung der Charaktere zu erkennen, wie es für eine klassische Antihelden-Geschichte üblich ist. Gidd klammert sich an jeden Grashalm, völlig fremde Menschen agieren als neue Glücksbringer und ermöglichen ihm einen erfolgreichen Abschluss des Schwimmunterrichts.

Neben den überspitzten Darstellungen setzt Gideon Samson vor allem auf Situationskomik. Dadurch, dass nicht über, sondern vielmehr mit Gidd gelacht wird und seine Leidensgeschichte immer wieder von komischen Elementen unterbrochen wird, wird die Bedrohlichkeit der Situation gelindert. Der ängstliche Anti-Held wird durch die komischen Elemente und den Mut, den Gidd in anderen Situationen beweist, wieder als positiv besetztes Vorbild wahrgenommen. Daraus erwächst eine positive Grundhaltung des Lesers, der sich von dem Leistungsdruck lösen kann.

Das Cover ist stimmig gestaltet und deutet direkt auf die Problematik hin. Während die Kinder im Hintergrund fröhlich im Wasser planschen, starrt ein Junge in roter Badehose benommen ins Leere und nimmt eine ungelenke Haltung ein. Die Angst vor dem Schwimmen ist ihm förmlich anzusehen. In Kombination mit dem doppeldeutigen Titel, der knallrot über dem Bild lieg, wird die Thematik jedoch aufgelockert und erscheint kindgerecht. Illustrationen von Anke Kühl führen in die jeweiligen Kapitel ein und sind liebevoll und ausdrucksstark gestaltet. Zudem transportiert die wasserblaue Schriftfarbe Thema und Stimmung der Geschichte.

Das Buch ist aus dem Norwegischen übersetzt und beinhaltet so einige landestypische Besonderheiten. In Bezug auf die Namensgebung gestaltet sich die deutsche Übersetzung gelegentlich etwas schwierig. So sind einige Namen eher schwer lesbar und bleiben dadurch nicht so leicht im Gedächtnis. Besonders hervorzuheben ist dagegen das liebevoll gestaltete Nachwort, das dem Leser einige norwegische Regeln und Besonderheiten nahebringt.

Die Akademie für Leseförderung Niedersachsen empfiehlt die Verwendung zur Individuallektüre (Lesekisten und freie Lektürewahl) [Stand: August 2015]
www.alf-hannover.de/materialien/altersgruppen/sek-1

Es gibt zudem ein kostenloses Unterrichtsmodell für die 4.-6. Klasse, erarbeitet von Alexandra von Plüskow (Hamburg 2015) für den Oetinger Verlag, in dem die Taschenbuchausgabe erschienen ist; als Download zu finden unter www.vgo-schule.de

Multimedia:
Ein Hörbuch zu „Samson“ ist 2014 bei Oetinger Media GmbH erschienen.