Buchcover John Green und David Levithan: Will & Will

Will Grayson ist 17 und lebt in Chicago. Während seine Eltern – beides Ärzte – schon sein...

Rezension von Max Diehm

Will Grayson ist 17 und lebt in Chicago. Während seine Eltern – beides

Ärzte – schon sein zukünftiges Medizinstudium planen, ist Will vor allem

damit beschäftigt, nicht aufzufallen und möglichst unbeschadet die High

School zu überstehen. Hierbei steht ihm sein bester Freund Tiny Cooper

zur Seite, der mit seiner extrovertierten Art versucht, den

zurückhaltenden Will aus der Reserve zu locken...

BuchtitelWill & Will
AutorJohn Green und David Levithan
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang336 S. (engl.); 379 S. (dt.)
Edition2012
VerlagDutton Books (engl.); cbt (dt.)
ISBN978-0142418475 (engl.); 978-3570308851 (dt.)
Preis7,30 € (engl.); 8,99 € [D], 9,30 € [A] (dt.)

Will Grayson ist 17 und lebt in Chicago. Während seine Eltern – beides Ärzte – schon sein zukünftiges Medizinstudium planen, ist Will vor allem damit beschäftigt, nicht aufzufallen und möglichst unbeschadet die High School zu überstehen. Hierbei steht ihm sein bester Freund Tiny Cooper zur Seite, der mit seiner extrovertierten Art versucht, den zurückhaltenden Will aus der Reserve zu locken. Als Will Jane kennenlernt und beginnt Interesse an ihr zu zeigen, versucht Tiny die beiden zusammenzubringen, was jedoch von Will, der sich seine Gefühle nicht eingesteht, zunächst abgelehnt wird.
Zur gleichen Zeit gibt es in Chicago einen weiteren 17Jährigen mit dem Namen Will Grayson. Dieser lebt alleine mit seiner Mutter, leidet an Depressionen und quält sich mühsam durch den Alltag. Sein einziger Bezugspunkt ist die Internetfreundschaft mit Isaac, seiner heimlichen Liebe. Als die beiden beschließen, sich endlich in natura zu treffen, stellt sich heraus, dass Isaac nicht existiert, sondern lediglich eine Erfindung von Wills einziger Schulfreundin Maura ist. So trifft Will abends in einem Sexshop nicht auf seinen vermeintlichen Traummann sondern durch einen Zufall auf den anderen Will Grayson. Im Gespräch werden sich beide ihres chaotischen Gefühlshaushalts und ihrer Unsicherheit im Umgang mit Liebesdingen bewusst. Der erste Will schafft es schließlich, seine Gefühle für Jane zuzulassen und kommt mit ihr zusammen. Der zweite Will beginnt eine Beziehung mit Tiny Cooper, der ihm hilft, zu sich selbst zu stehen und sich vor seinen Freunden zu outen. Als die zwei Protagonisten am Ende des Romans bei Tinys Musicalaufführung wieder aufeinandertreffen, sind beide reifer und selbstbewusster geworden, und haben es geschafft, ihre Ängste zu überwinden.

[…] Nach dem Unterricht starre ich in mein Schließfach und überlege, wie ich es fertiggebracht habe, mein Exemplar von Der scharlachrote Buchstabe zu Hause zu vergessen, was wir in Englisch lesen. In diesem Augenblick kommt Tiny mit seinen Freunden aus der HUHA (Homo-und-Hetero-Allianz) vorbei – mit Gary (der schwul ist) und Jane (die vielleicht hetero ist, vielleicht auch nicht – ich hab sie nie gefragt) – und sagt: »Offensichtlich glauben jetzt alle, dass ich in dich verliebt bin. Ich – in Will Grayson verliebt. Ist das nicht der größte Schwachsinn, den du je gehört hast?«
»Ganz großartig«, sage ich.
»Das sind alles solche Idioten«, sagt Tiny. »Als ob was falsch dran wäre, in jemanden verliebt zu sein.«
Da stöhnt Gary auf. Wenn man sich seine Freunde wirklich aussuchen könnte, dann käme Gary bei mir in die engere Wahl. Tiny hat sich mit Gary und Jane und Garys Freund Nick erst während meiner Auszeit von der Freundschaft mit ihm angefreundet, als er der HUHA beigetreten ist. Ich kenne Gary kaum, weil ich erst zwei Wochen wieder näheren Kontakt mit Tiny habe. Aber von allen, mit denen Tiny jemals befreundet war, scheint Gary der Normalste zu sein.
»Es ist ein Unterschied«, erklärt er Tiny, »ob man verliebt ist oder ob man das in Mathe laut herausposaunt.« Tiny will was sagen, aber Gary lässt ihn nicht zu Wort kommen. »Was natürlich nicht heißt, dass du nicht in Zach verliebt sein darfst.«
»Billy«, sagt Tiny.
»Hä, und was ist mit Zach?«, frage ich, denn ich hätte schwören können, dass Tiny am Anfang der Mathestunde noch in Zach verliebt war. Aber seit seinem Bekenntnis sind 55 Minuten vergangen, und da ist es gut möglich, dass er inzwischen die Bezugsperson gewechselt hat. Tiny ist schon ungefähr 3900-mal verliebt gewesen – davon die Hälfte nur im Internet.
Gary scheint der plötzlich auftauchende Billy genauso zu irritieren wie mich. Er steht an ein Schließfach gelehnt da und stößt mit dem Kopf immer wieder gegen das Stahlblech. »Tiny, dass du so eine Knutschhure bist, dient der Sache überhaupt nicht.«
Ich gucke Tiny schräg von unten an und sage: »Können wir die Gerüchte über eine Liebesgeschichte zwischen uns bitte schnell aus dem Weg räumen? Das könnte sonst meine Chancen bei der Damenwelt empfindlich beeinträchtigen.«
»Von ›der Damenwelt‹ zu reden ebenfalls«, klärt Jane mich auf.
Tiny lacht.
»Ganz im Ernst«, sage ich, »ich krieg’s immer ab.«
Tiny schaut mich einen Moment nachdenklich an und ich bemerke ein angedeutetes Nicken.
»Obwohl gesagt werden muss«, sagt Gary, »dass du dir einen Übleren hättest aussuchen können als Will Grayson.«
»Hat er auch schon«, merke ich an.
Tiny dreht mitten in der Eingangshalle der Schule eine Pirouette wie eine Ballerina und ruft lachend: »Liebe Welt, damit du es weißt, ich bin nicht scharf auf Will Grayson. Aber liebe Welt, noch was, das du unbedingt über Will Grayson wissen solltest.« Und dann fängt er an zu singen, mit einem Broadway-tauglichen Bariton, so voluminös wie sein Bauchumfang: »Ich kann ohne ihn nicht leben!« […] (S. 10–12)

Die Ich-Erzähler in ihrer (gemeinsamen) Welt
In ihrem gemeinsamen Roman Will & Will erzählen John Green und David Levithan glaubhaft die Geschichte zweier unterschiedlicher Jungen, die sich auf gewisse Weise doch sehr ähnlich sind. Verbunden durch den gleichen Namen, teilen sie als mentale Ausgangslage auch die Angst vor zwischenmenschlichen Beziehungen. Während der eine Probleme hat, zu seiner Homosexualität zu stehen und sich in eine virtuelle Realität flüchtet, die sich als Trugbild herausstellt, versucht der andere, möglichst nicht aufzufallen und seinen beiden selbst gesetzten Regeln treu zu bleiben: „1.) Lass nichts an dich ran. 2.) Maul halten.“ (S. 9) Dadurch fällt es ihm schwer, seine Gefühle für seine Mitschülerin Jane zuzulassen und dieser gegenüber offen zu sein. Die Freundschaft zu Tiny ist das einzige, was ihm Rückhalt gibt. Doch auch hiermit hat Will seine Probleme. Er fühlt sich selbst als Tinys Anhängsel und es dauert lange, bis er erkennt, wieviel ihnen beiden die Freundschaft zueinander bedeutet. Durch Tiny und Jane, mit der er schließlich zusammenkommt, überwindet Will seine Angst vor Nähe, und entwickelt sich zu einem selbstbewussteren Menschen.
Für seinen Namensvetter beginnt mit der Begegnung mit Will und Tiny ein Umdenken, was sein Verhältnis zu anderen betrifft. Er akzeptiert, dass seine Beziehung zu ‚Isaac‘ nicht echt war und er fängt an, sich seinem Umfeld – seiner Mutter und seinen wenigen Schulfreunden – gegenüber zu öffnen. Durch seinen neuen, offenen Umgang mit seiner Homosexualität findet er in seinem ebenfalls homosexuellen Mitschüler Gideon einen Vertrauten, der ihm zur Seite steht. Ohne die Probleme, die ihm seine Depressionen bereiten, auszublenden, geht Will mit der Zeit jedoch selbstbewusster mit seiner Krankheit um und versteckt sich nicht länger.
Beide Protagonisten geben ihr Versteckspiel auf und beginnen, sich ihrer Umwelt zu öffnen. Die Verdrängung und Unsicherheit weicht der Suche nach der Wahrheit, ohne die kein ehrliches Leben und keine Liebe möglich sind: „ich will durch all die posen und das theater hindurch die wahrheit spüren. unverstellt.“ (S. 337) Interessanterweise ist es gerade Tinys Theateraufführung am Ende des Romans, die diese Wahrheit schlussendlich ermöglicht. Beide Wills erreichen so ein Verständnisniveau der Welt, wonach Wahrheit und Ehrlichkeit sowie Selbstlosigkeit ihren Freunden gegenüber der Schlüssel zum Glück sind.
Mit seinem großen Schriftbild ist der Roman optisch ansprechend gestaltet. Die Kapitel sind abwechselnd von beiden Protagonisten aus der Ich-Perspektive erzählt, wobei der zweite Will durch die durchgehende Verwendung von Kleinbuchstaben kenntlichgemacht wird. Das autodiegetische, präsentische Erzählen ermöglicht dem Leser, eine unmittelbare Beziehung zu den Hauptcharakteren herzustellen. Sprachlich ist der Roman unkompliziert jedoch keinesfalls anspruchslos gestaltet, sondern überzeugt durch einen eingängigen und gewandten Sprachstil.

Fazit
Den Bestsellerautoren John Green und David Levithan gelingt eine überzeugende Darstellung zweier Jugendlicher, die sich durch ihre eigenen Ängste selbst im Weg stehen, ihre Unsicherheiten schließlich erkennen, überwinden und es schaffen, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein. Gleichzeitig beeindrucken die Autoren durch einen einfühlsamen Roman über Freundschaft, Liebe und Wahrheit, der nicht zuletzt durch eine originelle und lebensbejahende Komik besticht. Die liebevoll gestalteten Charaktere schließt man sofort ins Herz und beginnt, sie mit Ende der Erzählung bereits zu vermissen. Will & Will ist ein Jugendbuch, an dem längst nicht nur Jugendliche ihre Freude haben werden.

Will & Will eignet sich besonders für die private Lektüre von Jungen ab 14 Jahren. Auch für ältere Jugendliche und junge Erwachsene ist der Roman ausdrücklich zu empfehlen.