Buchcover Martin Ebbertz: Ein Esel ist ein Zebra ohne Streifen

Mit seinen 44 „Quatsch-Geschichten“ entführt Onkel Theo die Kinder in unterschiedliche Welten und...

Rezension von Margarita Issak

Mit seinen 44 „Quatsch-Geschichten“ entführt Onkel Theo die Kinder in unterschiedliche Welten und erklärt ihnen, warum die Banane krumm ist, wo das größte Pferd der Welt lebt, wozu Spaghetti noch zu gebrauchen sind und wie das Nashorn zu seinem Namen kommt. Obwohl seine abenteuerlichen Geschichten von den Kindern als „Quatsch“ bezeichnet werden, können sie nicht mehr genug davon kriegen...

BuchtitelEin Esel ist ein Zebra ohne Streifen
AutorMartin Ebbertz
GenreFantastische Literatur
Umfang189 Seiten, mit Illustrationen
EditionOrig.-Ausg. 2013
VerlagBoje
ISBN978-3-414-82351-9
Preis14,99 €

Mit seinen 44 „Quatsch-Geschichten“ entführt Onkel Theo die Kinder in unterschiedliche Welten und erklärt ihnen, warum die Banane krumm ist, wo das größte Pferd der Welt lebt, wozu Spaghetti noch zu gebrauchen sind und wie das Nashorn zu seinem Namen kommt.

Obwohl seine abenteuerlichen Geschichten von den Kindern als „Quatsch“ bezeichnet werden, können sie nicht mehr genug davon kriegen. Sie erfahren von dem Riesenkänguru, das im eigenen Beutel spurlos verschwindet, von dem fressenden Radiergummi, der vom Kugelschreiber Bauchweh bekommt oder von der winzigen Frau im Radio. Immer wieder dürfen die Kinder auf Onkel Theos grünem Sofa die Ohren spitzen und das Ritual aufs Neue genießen. Sie tauchen in die Welt der Faultiere ein, erleben die überaus klugen und wellenerzeugenden Heringe und gehen mit Onkel Theo den weiteren spannenden Spuren unseres Kosmos nach. 

Onkel Theo erzählt vom Hering 

„So, liebe Kinder“, sagte Onkel Theo. „Heute werdet ihr mal wieder was lernen.“ Die Kinder setzten sich auf Onkel Theos grünes Sofa und spitzten die Ohren. „Also“, sagte Onkel Theo. „Der Hering.“ Und er kratze sich am Kopf. 

“Der Hering ist ein Tier, an dem sich manche Menschen ein Beispiel nehmen könnten. Er ist nämlich ausgesprochen sauber, denn der Hering badet für sein Leben gerne. Am liebsten liegt er von morgens bis abends im Wasser herum und manchmal badet er sogar mehrere Tage lang ohne Unterbrechung. Man könnte glauben, dass ihm das mit der Zeit langweilig wird oder dass er allmählich aufweicht. Aber der Hering langweilt sich im Wasser keinesfalls und er weicht auch nicht auf. Dem Hering macht das viele Wasser gar nichts aus. Der Hering ist nämlich ein Fisch. Der Hering ist der klügste Fisch, den es gibt. Heringe brauchen nie in die Schule zu gehen, weil sie sowieso schon alles wissen. Das kommt daher, dass Heringe sehr viel lesen. Denn Lesen macht bekanntlich klug. Wenn zum Beispiel eine alte Zeitung ins Meer fällt, stürzen sich gleich zwölf Heringe darauf und lesen sich gegenseitig aus der Zeitung vor. Wenn die Heringe fertig gelesen haben, dann sind sie meist ein bisschen traurig. „Schade“, sagen sie dann und wackeln mit den Schwänzen. „Schade, dass so wenig über uns Heringe in der Zeitung steht.“ Leider haben sie damit recht. Es steht wirklich viel zu wenig über Heringe in der Zeitung. Darum lesen die Heringe auch lieber Bücher, aber Bücher fallen seltener ins Meer. Übrigens gibt es so viele Heringe, und sie wackeln manchmal so stark mit ihren Schwänzen, dass dann das ganze Meer wackelt. Sogar die größten Schiffe beginnen zu wackeln. Das nennt man Wellen.

„Ein Esel ist ein Zebra ohne Streifen“ bedient sich irrealen, physikalisch unmöglichen Erzählelementen. Zudem ist die Verknüpfung von zwei fiktiven Welten zu erkennen: der realitätsnahen sowie der realitätsfernen Welt. Gerade diese Verbindung macht die 44 Geschichten reizvoll, da der junge Leser mit den vertrauten Figuren und Gegenständen, wie die des Esels, der Giraffe oder des Bleistifts, Empathie entwickeln kann. Gleichzeitig wird durch die realitätsfernen und spannenden Aspekte die Freude am Lesen gefördert.

Die Geschichten sind unabhängig voneinander aufgebaut und sprechen vielfältige Bereiche des Lebens an. So finden sich gerade für den männlichen Leser interessante physikalische und technische Vorgänge, die bspw. anhand eines Toasters, Radios oder Telefons veranschaulicht werden. Witzige und abenteuerliche Geschichten mit (gefährlichen) (Raub-) Tieren, die ähnliche Erfahrungen in der Schule oder im Alltag erleben, berühren die Erfahrungswelt der männlichen Leser: In einem Kapitel werden mit Hilfe von Faultieren, Schulsituationen nachempfunden, die übertrieben und teilweise bewusst provozierend dargestellt sind. Ein anderes Kapitel widmet sich verschiedenen Erklärungsansätzen der speziellen Form der Bananen. Man könne, so der provozierende Vorschlag, die Bananen mit Zement füllen und durch gezielte Kniebeugen in die entsprechende Form bringen. Auf diese Weise bauen die jungen Rezipienten ein positives Selbstkonzept auf, indem sie das Erzählte infrage stellen und selbst zum forschenden Nachdenken und Abwägen animiert werden. Werte und Normen werden in den humorvollen Geschichten vielfältig angesprochen, seltener unmittelbar und offensiv fordernd, dafür umso häufiger versteckt, latent und andeutend. Immer wieder wird die Wichtigkeit des Lesens für die Bildung des Individuums betont und eine gesunde und sportliche Lebensweise propagiert. Aber auch die Leichtigkeit und der humorvolle Umgang mit alltäglichen Problemen werden in den Texten behandelt. Die genussvollen und interessanten Geschichten von Onkel Theo öffnen Kindern eine Welt mit neuen Erfahrungen, stärken ihre Neugierde und wecken ihre Lernfreude. Durch die Vielfalt der behandelten Themengebiete wird eine große Bandbreite an Interessen abgedeckt und das Entwicklungspotenzial der jungen Leser umfänglich gefördert.

Neben den inhaltlichen Stärken des Buches sprechen besonders auch die formalen Aspekte Kinder und Erwachsene gleichermaßen an: Der Buchtitel verbalisiert bereits ein erstes Kuriosum. Das mit leuchtenden und warmen Farben gestaltete Cover ziert einen Esel, der, in Entsprechung des Titels, einem Zebra ohne Streifen gleicht. Solchermaßen gestaltete Kompositionen von Wort und Bild markieren tragende Gestaltungselemente, die sich durch das gesamte Werk hindurchziehen. Die liebevoll entworfenen Bilder und die ansprechende Textgestaltung werden ihre Wirkung auf den Leser nicht verfehlen. Die farbenfrohen Bilderstrecken transportieren Emotionen und vermitteln mit ihrer außergewöhnlichen Akzentuierung den besonderen Zauber der einzelnen Geschichten. Diese gestalterische Gesamtkomposition (Illustrationen, Hervorhebungen von Phrasen und Wörtern, Schriftgröße, Schriftart, kurze Kapitel usw.) eignet sich besonders gut für leseschwache Kinder. Auch die einfache Sprache darf nicht unterschätzt werden. Sie überfordert den Leser keinesfalls, setzt aber hier und da anspruchsvolle Akzente und fördert damit die frühkindliche Spracherziehung. Die Prägnanz der einzelnen Kapitel und die in ihnen immer wiederkehrenden Erzählmuster eignen sich nicht nur zum Vorlesen, sie animieren durch ihren feierlich-zeremoniellen Charakter auch zum fortlaufenden Lesen.