Buchcover Silas Matthes: Miese Opfer

Leo und Fred sind die besten Freunde und machen das, was 15-jährige Jungs so machen: sie zocken...

Rezension von Jennifer Bauer

Wie viel kann Freundschaft ertragen? Silas Matthes schreibt emotional und voller Spannung über zwei beste Freunde, die versuchen ihrem Alptraum namens Sebastian Dunker zu entkommen.

BuchtitelMiese Opfer
AutorSilas Matthes
GenreComing of Age
Lesealter14+
Umfang192
VerlagOetinger
ISBN978-3-95882-014-2
Preis9,99
Erscheinungsjahr2015

Leo und Fred sind die besten Freunde und machen das, was 15-jährige Jungs so machen: sie zocken Videospiele, gucken sich zusammen Filme an, treiben ihr Unwesen am Fluss im Industriegebiet und reden über Mädchen. Doch es gibt da etwas, das den beiden höllische Bauchschmerzen bereitet: Sebastian Dunker.

Schläge, Tritte, Beleidigungen, Apfelschorle und Fleichsalatbrötchen im Haar gehören zum Schulalltag der beiden Jungs. Dunker und seine Freunde machen den beiden das Leben zur Hölle. Die ganzen Erniedrigungen ertragen die beiden und versuchen, sie mit Humor zu nehmen.

Aber irgendwann ist das Maß doch voll. Leo platzt als erster der Kragen. Nachdem sein jüngerer Bruder ihn in der Schule nicht mehr beachtet und Dunker vor versammelter Schule Freds Genitalien entblößt, brennen Leos Sicherungen durch. Er verabreicht Dunker eine ordentliche Tracht Prügel. Doch damit beginnt erst der Racheakt. Fred ist gar nicht begeistert, weil er nun mit noch mehr Schikanen rechnet. Dunker wäre schließlich nicht Dunker, wenn er sich dadurch einschüchtern ließe. Im Gegenteil, er schlägt zurück. Und zwar auf eine sehr brutale Weise. Das ist der Punkt, an dem auch er sich den Racheplänen seines besten Freundes anschließt. Gemeinsam hecken sie Pläne aus, um Dunker zu schaden.

Hackfressen kommen nicht durch.


Dunker stand im Türrahmen, die Arme verschränkt, Wolfsgrinsen. Wir warteten, bis Herr Weber kam, und gingen hinter ihm rein.
Die Stunde verlief solide schlecht. Dunker und Lars bedachten uns mit einer Menge Schellen, und meine Kopfschmerzen freuten sich. Sie schnitten Leo ein Stück Haar ab und nannten mich den "hässlichen Cäsar", "den Loser-Cäsar", den "Schwuchtel- Cäsar" und den "Gaylord-Cäsar" (im Text ging es um Cäsar). Und dann in der Pause schnappte Dunker sich meinen Ranzen.
"Wollen wir mal sehen, was der Schwuchtel-Cäsar so mitgenommen hat, hä, bestimmt Gleitcreme oder so", er lächelte angewidert. "Ihr fickt euch doch bestimmt in den Arsch. Ihr seid doch bestimmt miese Analbohrer."
Herr Weber hustete und rückte seine Brille zurecht. Betrachtete die Zettel auf dem Lehrerpult. Eine Reihe hinter Dunker hatten Leif und Marvin sich auf den Tisch gesetzt. Leif glotzte ganz offensichtlich zu uns rüber, Marvin - so wie die meisten im Klassenraum - noch eher unauffällig.
Dunker zog die Oberlippe hoch. "Wollen wir doch mal gucken, hä."
Er öffnete den Reißverschluss, kippte den Ranzen auf den Kopf und schüttelte alles raus. Auch die Superblut-Aufzeichnungen. Natürlich nahm er die sofort, da handelte er rein instinktiv, so was konnte der riechen.


Ferdinand erlebt jeden Tag mit dem Gefühl von Angst. Viel zu lange lebte er schon mit den Schikanen seines Mobbers Dunker. Ständige Bauchschmerzen, wenn er nur an die Schule denkt. Jeden Tag werden er und sein Freund Leo verprügelt, beschimpft und vor den Augen der Mitschüler erniedrigt. Wie die beiden, vor allem aber Fred, sich dabei fühlen, beschreibt der Autor ausführlich. Dabei wird vor allem sehr deutlich, dass der Junge nach außen hin versucht, die Situation runterzuspielen, aber in seinem Inneren fühlt er sich ganz anders. Dazu kommt auch noch die Sorge um seine Mutter. Fred zerreißt es innerlich, dass er ihr nicht die Wahrheit sagen kann und sie immer wieder anlügen muss.
Ferdinand und seine Gefühle und Gedanken stehen stets im Mittelpunkt der Geschichte. Der Leser erfährt viel über den Alltag des Protagonisten, was und wen er mag und was ihm in seiner doch so ausweglos scheinenden Situation noch Halt gibt.

Der Ich-Erzähler ist eine authentische Figur, die es dem jugendlichen Leser ermöglicht, sich in ihn hineinzuversetzen. Seine Gefühle werden sehr deutlich und auch der Zwiespalt, in dem er sich befindet: einerseits hat er den Drang dazu, irgendwem von seinen Problemen zu erzählen, andererseits möchte er nicht, dass sich die Situation verschlimmert. Vor allem die Beziehungen zu seinem besten Freund Leo, der sich ja in einer sehr ähnlichen Situation befindet, seiner Mutter, um die er sich Sorgen macht, und seinem Opa, bei dem er seine Sorgen und Probleme vergessen kann, spielen in seinem Leben eine wichtige Rolle.
Silas Matthes beschreibt Freds Gefühlslage so, dass der große Wandel, den die Hauptfigur durchläuft, gut nachvollziehbar ist. Er gewinnt zunehmend an Stärke. Zu Beginn wird er als ängstlicher Junge beschrieben, der nicht in die Rachepläne von Leo einsteigen will. Doch auch ihm reicht es irgendwann, so dass ein starker Wille in dem Protagnisten entsteht, endlich ohne die Schikanen durch Dunker zu leben. Während der gesamten Entwicklung lässt uns der Autor in das Innere des Jungen blicken und dies setzt er sprachlich außerordentlich gut um. Er macht Gebrauch von Jugendsprache wie Beispielsweise „Joa, läuft“ (S. 65) und stellt regelmäßig Bezüge zur Lebenswelt von Jungen her, in dem er zum Beispiel Zitate aus Star Wars einbaut („Das Imperium schlägt zurück“). Auch die lockere Art zu schreiben wirkt sehr ansprechend beim Lesen. Hinzu kommt der Spannungsbogen, der seinen Höhepunkt darin findet, dass Fred an dem Tag, an dem er endgültig mit Dunker abrechnen möchte, ein Messer mit in die Schule nimmt.

Das Buch kommt in einem sehr schlicht gehaltenen, aber in jedem Fall ansprechenden Layout daher, welches durch die darauf abgebildeten Piranhas, die sich um den Titel „Miese Opfer“ tummeln, auf den Inhalt schließen lässt. Auch die Schriftgröße und die Aufteilung der Kapitel in nicht allzu lange Textabschnitte sind sehr leserfreundlich. Hinzu  kommt, dass die Seiten nicht zu überladen mit Text sind.
Die Sprache des Romans ist sehr an der der Jugendlichen orientiert: Es wird häufig Gebrauch von Jugendsprache und auch Umgangssprache gemacht.

„Miese Opfer“ ist ein sehr spannender Roman, der sich sehr an der Lebenswelt der männlichen Jugendlichen orientiert und somit eine Identifikation mit dem Protagonisten und der Situation möglich macht. Silas Matthes vermischt Witz und Leichtigkeit mit Spannung, Wut, Trauer und Gewalt. Ein sehr empfehlenswertes Buch zum Thema Mobbing.