Buchcover Rindert Kromhout: Brüder für immer

Die Geschichte des Romans von Rindert Kromhout beruht auf wahren Begebenheiten und realen Personen:...

Rezension von Ina Brendel-Kepser

Historischer Roman über die 1920er/30er Jahre im englischen Künstlermilieu, Familienroman mit einem schwerwiegenden Geheimnis und Coming-of-Age-Roman – in dieser Vielfalt bietet „Brüder für immer“ spannenden Lesestoff für männliche Leser.

 

BuchtitelBrüder für immer
AutorRindert Kromhout
GenreComing of Age
Gegenwart & Zeitgeschichte
Lesealter14+
Umfang256
Verlagmixtvision
ISBN978-3-95854-886-2
Preis14,90
Erscheinungsjahr2017

Die Geschichte des Romans von Rindert Kromhout beruht auf wahren Begebenheiten und realen Personen: Quentin Bell, Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, war der Sohn der Malerin Vanessa Bell und Neffe von Virginia Woolf.

Quentin wächst mit seinem Bruder Julian und der kleinen Schwester Angelica in einer ungewöhnlichen Familienkonstellation auf. Er verbringt seine Kindheit zusammen mit den Geschwistern, seiner Mutter Vanessa, dem homosexuellen Maler Duncan und dessen wechselnden Geliebten auf dem idyllischen englischen Landgut Charleston. Der Vater kommt gelegentlich zu Besuch, ebenso wie die Tante, die Schriftstellerin Virginia Woolf, die im benachbarten Monk’s House lebt, und einige weitere illustre Gäste. Das Aufwachsen im Künstlermilieu des Bloomsbury-Kreises ist von Freigeistigkeit geprägt, gleichwohl existieren innerfamiliäre Konflikte, die zum Ausbruch kommen, als die Geschwister erfahren, dass Angelica das Kind von Vanessa und Duncan ist. Auch die politischen Ereignisse der Zeit gehen an der ungewöhnlichen Familie nicht vorbei, denn Quentins Bruder Julian schließt sich den Kommunisten an  und zieht in den Spanischen Bürgerkrieg, wo er sein Leben verliert.
All diese Kindheits- und Jugenderinnerungen hält Quentin später als Erzähler fest, wobei seine Tanta Virginia in der Rolle einer Mentorin ihn auf diesem Weg zum Schriftsteller begleitet.

Eine Leseprobe kann auf der Verlagsseite eingesehen werden.

Die Kindheitserinnerungen des Erzählers Quentin Bell über sein Aufwachsen im Umkreis der legendären Bloomsbury Group in den Jahren 1925 bis 1937 dokumentieren mit ihrem realen Hintergrund, den Literaten und Malern dieser Zeit, ein Stück faszinierender englischer Kulturgeschichte. Der Landsitz Charleston, den die Familie bewohnt, wird als Ort der Idylle geschildert, da die Kinder hier unbeschwert aufwachsen, Lausbubenstreiche ausüben, angeln gehen und ihre Tage im Baumhaus verbringen.

Im Rückblick schildert Quentin diese Zeit in Episoden und Alltagsbeobachtungen, die deutlich werden lassen, wie die freigeistige Haltung der Künstlerfamilie den Kindern eine auf Emanzipation angelegte Erziehung und einen anregenden Freiraum bietet, aber zugleich mit den Konventionen der Umwelt in Konflikt gerät. Als die Familie die Dorfbewohner zu einem Fest einlädt, kommt es zum Eklat, da keiner der geladenen Gäste mit den Usancen eines Kostümfestes vertraut ist.  
Die Abgrenzung zur äußeren Welt der Nicht-Künstler begründet die besondere Bedeutung des familiären Zusammenhalts und die enge Bindung der Geschwister, vor allem der beiden Brüder als beste Freunde. Während jedoch der ältere Julian bereits früh Interesse an den politischen Gesprächen der Erwachsenen zeigt, bleibt Quentin länger ein kleiner Junge mit einer gewissen Naivität und immenser Bewunderung für den großen Bruder. Im Gegensatz zu Julians zunehmend gesellschaftskritischer Weltsicht und dessen Drang zu aktiver Weltveränderung beginnt Quentin zwar ebenfalls, die Dinge zu hinterfragen, aber dies geschieht aus der Perspektive des jugendlichen Schriftstellers: über das eigene Schreiben, über Reflexion, Kritik und Selbstkritik. Diese Differenziertheit macht ihn zu einer glaubwürdigen, wenngleich etwas stilleren jugendlichen Identifikationsfigur. Ebenso bietet aber auch Julian mit seinem jugendlichen Trotz und politischen Aufbegehren Identifikationspotenzial für männliche Leser.

Die Prozesse der persönlichen Selbstfindung der beiden heranwachsenden Männer und die familiäre Offenbarung einer nicht-heilen Welt treiben die Brüder auseinander. Da Quentin Julian nicht davon abhalten kann, in den Spanischen Bürgerkrieg zu ziehen, gibt er das Versprechen ab, ein Buch über den Bruder zu schreiben, sollte dieser vor ihm sterben.

Dieses Versprechen bildet den Auftakt des Romans (1937). Dem epilogartigen Einstieg mit seiner Antizipation von Julians Tod folgt die chronologische Entwicklung der Handlung in den Jahren 1925 bis zur Nachricht von Julians Tod 1937. Die nach Jahreszahlen datierten Kapitel sind in kleinere Abschnitte unterteilt, welche die Episodenhaftigkeit der Schilderungen unterstreichen und die atmosphärisch dichte und auch sprachlich gut zu bewältigende Lektüre erleichtern.   
 
Im Nachwort erläutert der Autor seine Recherchen zu dem Roman und stellt die Bezüge zwischen dem fiktiven Konstrukt seiner Geschichte und der realen Kulturgeschichte heraus.

Das Buch eignet sich als Unterrichtslektüre für ein fächerübergreifendes Projekt mit Englisch (Schwerpunkt: Virginia Woolf und der Bloomsbury-Kreis), Kunst (Vanessa Bell, Duncan Grant, Post-Impressionismus, Picasso) und Geschichte/ Sozialkunde (Schwerpunkt: Kommunismus/ Spanischer Bürgerkrieg).

Folgende Internetseiten zur Recherche werden auch im Nachwort empfohlen:
www.charleston.org.uk
www.nationaltrust.org.uk/monks-house

Fotografien der realen Personen sowie Bilder der Gemälde in St. Michel and All Angels Church in Berwick finden sich auf Pinterest:
www.pinterest.de/pin/473652085779802568/