Buchcover Antje Herden: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Irgendetwas Seltsames geschieht in der Stadt, in der Kurt mit seinem Vater und seiner Oma lebt....

Rezension von Manuela Amstad und Anja Sladeczek

Irgendetwas Seltsames geschieht in der Stadt, in der Kurt mit seinem Vater und seiner Oma lebt. Zunehmend vergessen die Erwachsenen ihre Kinder und denken nur noch an sich selbst. Die Lehrer kommen nicht mehr zur Schule und die Kinder beschlagnahmen bald die Straßen und die Schulen...

BuchtitelLetzen Donnerstag habe ich die Welt gerettet
AutorAntje Herden; mit Bildern von Eva Schöffmann-Davidov
GenreFantasy
Lesealter10+
Umfang219 Seiten (gebundene Version)
VerlagTulipan
ISBN978-3-86429-153-1
PreisEUR 12,95 [D] / EUR 13,40 [A] / sFr 18,90

Irgendetwas Seltsames geschieht in der Stadt, in der Kurt mit seinem Vater und seiner Oma lebt. Zunehmend vergessen die Erwachsenen ihre Kinder und denken nur noch an sich selbst. Die Lehrer kommen nicht mehr zur Schule und die Kinder beschlagnahmen bald die Straßen und die Schulen. Es huschen unheimliche, dunkle Schatten von großen Ratten- und Müllmännern umher, welche wie Frösche aussehen und in der Nacht die ganze Stadt putzen und aufräumen. In der Schule erscheint immer wieder dieser unheimliche Rattenmann, der gut riechendes Essen an die Kinder verteilt und sie damit glücklich macht. All dies beobachten Kurt und seine zwei Freunden, Tilda die Prinzessin und Sandro der Stotterer. Sie wollen der Sache auf den Grund gehen. Doch gelingt es Kurt, dem Besitzer des blau-roten Gürtels im Hapkido, und seinen zwei besten Freunden die Stadt vor den Ratten und den anderen ungeheuerlichen Kreaturen zu retten? 

Nach eineinhalb Wochen hörten wir auf, unsere Beobachtungen aufzuschreiben. Es dauerte zu lang. Denn es waren mittlerweile so viele, dass es einfacher gewesen wäre, die Dinge aufzuschreiben, die noch waren wie vorher. Wie vorher war nämlich fast gar nichts mehr.

Wir liefen staunend durch die Straßen, in denen es jeden Tag bunter und chaotischer zuging. Das Viertel sah ein bisschen so aus, wie mein Zimmer, bevor es die Prinzessin aufgeräumt hatte. Es war toll. Die meisten Kinder gingen überhaupt nicht mehr nach Hause. Sie hatten sich in den Hauseingängen, den Vorgärten und im Schulhof Hütten gebaut, in die sie eingezogen waren. Die Hütten sahen ziemlich abgefahren aus und sie wurden immer größer. Den ganzen Tag über hallte ein Hämmern und Klopfen durch die Straßen. Aus alten Brettern, Decken, Schränken und tausend anderen Sachen vom Sperrmüll zimmerten sich die Jungen und Mädchen die schönsten Unterschlupfe. Es war ein richtiger Wettbewerb im Gange. Immer wieder schleppte irgendwer irgendwas an, das noch irgendwo festgenagelt wurde. Dabei entstanden die wildesten Konstruktionen – verwinkelte Hütten mit schiefen Türmchen, wackelige Terrassen und steilen Treppchen. Manche Aufbauten waren zu gar nichts nutze, sahen aber wirklich super aus.

Schon bald waren fast alle Häuser bemalt. Figuren, Blumen, Bäume, Tiere und Worte schmückten die Wände wie bunte Bänder. Täglich malten die Kinder weiter. Farbdosen und –eimer standen bereit und jeder konnte sich einen Pinsel oder eine Spraydose schnappen und mitmachen.

Was wohl die Bäckersfrau davon hielt? Die hatte sich nämlich vor ein paar Monaten über ein klitzekleines Bild, das jemand an ihre Hauswand gesprayt hatte, so aufgeregt, dass sie die Polizei gerufen hatte. Aber die Bäckersfrau regte sich nicht auf. Erstaunlicherweise regte sich niemand von den Erwachsenen auf.

Kurt ist alles andere als ein Superheld, obwohl er schlau ist und neue Computerprogramme erfindet. Auch als Mädchenschwarm taugt er nicht, denn er ist klein und sieht mit seiner zu grossen Brille und den gebügelten Falten in Hemd und Hose ‚uncool‘ aus. In der Schule bleibt er ein Aussenseiter, allen nur bekannt als Kurt, der Computerfreak. Damit ist er zwar kein klassischer Held, aber ein in der Kinderliteratur beliebter Aussenseiter, auf den man einerseits herabsehen, mit dem man sich aber andererseits auch heimlich identifizieren kann. Seine Freunde Tilda und Sandro gehören ebenfalls nicht unbedingt zu den ‚Coolen der Schule‘. Tilda hat einen ausgeprägten Ordnungssinn und zieht nur rosa oder pinke Kleider an, weshalb sie alle nur Prinzessin nennen. Sandro ist ein langhaariger Stotterer, der meist über das Schreiben auf Zetteln kommuniziert. Alle drei Charaktere sind sehr detailliert und mit viel Witz und Liebe beschrieben. Obwohl sie nicht zu den coolen Kindern gehören und unterschiedlicher nicht sein könnten, wünscht man sich, Teil ihrer Gang zu werden und mit ihnen auf Mission zu gehen. 

Die Geschichte beginnt ganz harmlos: Dem Trio fällt auf, dass die Kinder plötzlich mit zwei verschiedenen Socken, ungekämmten Haaren oder ohne Schuhe in der Schule herumlaufen. Von Tag zu Tag werden die Dinge, die sie beobachten, seltsamer bis eines Tages alle Eltern verschwunden sind. Zuerst freuen sich die Kinder, denn nun können sie tun und lassen was sie wollen. Nur Kurt, Sandro und der Prinzessin ist die ganze Situation nicht geheuer und sie versuchen herauszufinden, wohin die Eltern gegangen sind und wer hinter dem Verschwinden steckt. Auf ihrer Mission treffen sie auf Rattenmänner, Froschmänner und Lurche. Als die Prinzessin plötzlich auch noch verschwindet, müssen Kurt und Sandro in die Unterwelt abtauchen, um ihre Freundin zu retten und das Rätsel zu lösen. 

Was zu Beginn noch realistisch erscheint, wird zu einer fantastischen Abenteuergeschichte mit hohem Gruselfaktor. Spätestens beim Abtauchen in die Unterwelt befindet man sich in einer Fantasiewelt, in der Kurt und Sandro verschiedene Hindernisse überwinden müssen, angefangen bei einer hässlichen, alten Lurchfrau mit einem grünen Gesicht und gelben Glubschaugen, die versucht, die beiden Jungen zu vergifteten und mit Hilfe einer riesigen Wasserflut von ihrer Mission abzubringen. Noch grusliger und skurriler werden die folgenden Aufgaben und Kreaturen, die den Weg der beiden kreuzen. Schließlich gipfelt die Heldenreise in der Begegnung mit dem eigentlichen Bösewicht, der Maya-Gottheit „Hunabku Kaudata“, einem Monsterlurch, der mit seiner Stimme in die Köpfe der Menschen eindringen kann und die Weltherrschaft an sich reissen will. Während einem kritischen (erwachsenen) Leser das Geschehen in der Unterwelt eventuell weit hergeholt und zu gewollt gruselig erscheint, wird die Lektüre für junge Leser, die es gerne etwas gruslig und fantasievoll haben, zu einem spannenden Lesegenuss. Zudem werden wichtige Werte wie Freundschaft und Mut vermitteln, aber auch das Thema der Manipulation und Unterdrückung angesprochen. Die zu bewältigenden Aufgaben und unerwarteten Wendungen machen die Handlung temporeich und bauen Spannung auf. 

Das Buch hat über 200 Seiten und ist somit eher umfangreich. Es ist in 25 Kapitel unterteilt, wobei diese zwischen 8-10 Seiten lang sind. Das Buchcover und die Anfänge der Kapitel sind durch Zeichnungen von Eva Schöffmann-Davidov ansprechend illustriert. Die Geschichte ist in der ICH-Perspektive, aus Sicht des Protagonisten Kurt, geschrieben. Gleich im ersten Satz behauptet er, die Welt gerettet zu haben und erzählt dann auf den folgenden Seiten seine Geschichte. Dabei spricht er die Leserschaft immer direkt an, was das Gefühl vermittelt, dass man die Geschichte nicht liest, sondern vorgelesen bekommt (z.B. „So ein Quatsch, denkt ihr jetzt vielleicht.“, „Ihr müsst gar nichts dazu sagen, ich weiss schon. Blöder Name.“). Antje Herden schreibt kindergerecht und eher umgangssprachlich. Zudem arbeitet die Autorin mit viel Sprachwitz. Etwas Schwierigkeiten könnten das chronologische Verständnis und die Orientierung besonders zu Beginn der Geschichte bereiten. So ist von Kurt die Rede und im nächsten Moment von seiner Oma, von heute und im nächsten Satz von „in 5 Wochen“.

Fazit:

Drei mutige Kinder, die sich vor nichts scheuen, retten die Welt und werden dabei unzertrennliche Freunde. Eine fantastische Geschichte mit Gruselfaktor für alle jene, denen es nicht spannend genug sein kann.

Dieses Buch eignet sich eher für geübtere Leser, da die Handlungsabläufe und der Wechsel zwischen Innen- und der Außenperspektive manchmal sehr komplex sind. Oft muss man genau lesen um dem Wechsel zwischen auktorialer und der Ich- Erzählform verfolgen zu können. 

Bsp : S. 154

« So was blödes, ich habe solchen Hunger », seufzte er. Zur Antwort knurrte mein Magen.

Außerdem ist das Buch mit 219 Seiten und nur wenigen Illustrationen doch eher umfangreich. Bezüglich der Sprache sollten jedoch keine Schwierigkeiten auftauchen, da Antje Herden sehr einfach und manchmal sogar umgangssprachlich schreibt.

Der Inhalt dieser Geschichte ist sehr fantastisch und exzentrisch und deshalb nicht ein Lesestoff für jeden Geschmack. Liebt man aber Abenteuer und schreck nicht vor Gruseltieren zurück, kann dieses Buch einen perfekten Ansporn zum Lesen sein und auch ungeübtere Leser auf den Geschmack des Lesens bringen.