Buchcover Yves Grevet: Vront. Was ist die Wahrheit?

Die Menschen leben in einem perfekt organisierten Überwachungsstaat: Sie tragen implantierte Chips...

Rezension von Ina Brendel-Kepser

Wie lebt es sich in einem durch und durch digitalisierten Staat, in dem implantierte Chips für die Sicherheit aller sorgen sollen? Eine Gruppe Widerständiger–die Vront–lehnt sich gegen die totale Überwachung auf. Der junge Scott kommt dabei ins Gefängnis, gerät dort zwischen die Fronten der Mächtigen und wird als tot erklärt. Dies glaubt auch seine eigene Familie, bis die Dinge ins Rollen kommen und nichts so ist, wie es scheint. Ein dystopischer Jugendroman voller Spannung und Aktualität!   

BuchtitelVront. Was ist die Wahrheit?
AutorYves Grevet
GenreScience Fiction
Lesealter14+
Umfang476 Seiten
VerlagMixtvision
ISBN9783958541498
Preis19,00 €

Die Menschen leben in einem perfekt organisierten Überwachungsstaat: Sie tragen implantierte Chips zur Messung ihrer Körperfunktionen und zur Erfassung ihres Aufenthaltsortes. Die Kontrolle übernimmt ein digitales Sicherheitssystem namens LongLife, dank dessen gesundheitliche Gefährdungen und kriminelle Übergriffe vermieden werden sollen. Nicht alle sind jedoch mit diesem Leben in ständiger Überwachung einverstanden. Jugendliche und junge Erwachsene gründen die Widerstandsgruppe Vront (V steht für Victory) und hacken sich ins System ein, um sich eigene Freiheiten zu ertrotzen. Nach einem Unglücksfall wird der siebzehnjährige Scott verhaftet und kommt ins Gefängnis. Als genialer Hacker gerät er dort zwischen die Fronten Krimineller, die sich des Systems bemächtigen wollen, und der staatlichen Sicherheitsbehörden, die die Vront brauchen, um ihr System aufrechtzuerhalten. Scott geht den Deal mit der Regierung ein und wird für tot erklärt, was seine Familie zunächst auch glaubt. Währenddessen nehmen die Machenschaften – von eingeschleusten V-Männern über Entführungen bis zu Auftragsmorden – ihren Lauf. Inwieweit die Vront in ihrer Alliance mit der Regierung eine zukünftige Liberalisierung des Systems erwirken kann, wird am Schluss nur vorsichtig angedeutet.

Eine Leseprobe kann hier eingesehen werden. 

Der sehr spannende und handlungsreiche Roman verhandelt ein Thema höchster Aktualität: den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit. Das dystopische Setting berührt uns im Jahr 2020 in großer Dringlichkeit und macht das Buch schon aus diesem Grund zu einer Leseempfehlung nicht nur für Jungen. Mit Stan und Scott begegnen dem*r Leser*in zwei jugendliche Protagonisten voller Tatendrang, die für den*die jugendliche*n Leser*in viel Identifikationspotential bereithalten. Während Scott als der Ältere in der Vront aktiv ist, weiß sein jüngerer Bruder Stand lange nichts von den Geschehnissen und wird erst nach und nach involviert.

Im ersten Teil des Buches wird die Geschichte aus der Sicht des jüngeren Bruders erzählt, was dazu führt, dass der Leser zunächst über vieles im Unklaren gelassen wird und ebenso wie die Familie vom Tod des Jungen ausgeht. Erst nach und nach – im zweiten Teil erzählt Scott die Begebenheiten aus seiner Sicht, bevor im dritten Teil auch Mitglieder der Vront eine Erzählerstimme bekommen – kommt es zur Klärung der Zusammenhänge, während sich die zum Teil brutalen Handlungsverwicklungen bis zum Schluss zuspitzen. Dieser Perspektivenwechsel, der die Narration maßgeblich mitbestimmt, verlangt einen nicht ganz ungeübten Leser. Die nicht übermäßig langen Kapitel sind jedoch durch Datierungen strukturiert, was helfen kann, den zeitlichen und dramaturgischen Überblick nicht zu verlieren. Zudem ist die Handlungsspannung mit all den Volten und Verwicklungen so hoch, dass sich das Buch, das sprachlich leicht zugänglich ist, zu einem Pageturner entwickelt. Auch typische jugendliche Themen wie Selbstfindung, Abgrenzung, Freundschaft sowie (eher am Rande) die Entwicklung einer Lovestory fungieren als Teil der Geschichte und sind für viele Jugendliche interessant. Die Dialoge wirken lebensnah, die Figurenzeichnung überzeugt ebenso wie auch die Figurenkonstellation insgesamt. Passend zum Setting gibt es geheimnisvolle Unbekannte, die Grenze zwischen Gegnern und Freunden scheint auf den ersten Blick nicht immer eindeutig. Daneben treten menschlich überzeugende Figuren, die den Helden – komme was wolle – zur Seite stehen. Trotz des nicht unbeträchtlichen Seitenumfangs eine packende Lektüre!

Das Buch sollte seinen Platz in thematischen Lesekisten zum Genre Dystopie finden; es eignet sich als Freizeitlektüre für mittelstarke Leser ebenso wie als gemeinsame Unterrichtslektüre. Als weitere Lektüreanregungungen sowie für die vergleichende Auseinandersetzung im Unterricht bieten sich z.B. Auszüge aus der Méto-Trilogie von Grevet, Opfer von Jesper Wung-Sung, Die Scanner oder Cleanland von Martin Schäuble an. Ab der 10. Jahrgangsstufe lässt sich Juli Zehs Corpus Delicti zum thematischen Vergleich heranziehen. Vorstellbar wäre im Zusammenhang der Lektüre von Vront auch projektorientierter und fächerübergreifender Unterricht, in dem die Schüler*innen aktuell brennende Themen aus verschiedenen fachlichen Perspektiven diskutieren und reflektieren lernen.