Buchcover Mark  Lowery:  Wie  ein  springender  Delfin

Martin (13) und Charlie (10) brechen gemeinsam nach Cornwall auf, um zum Ort des letzten...

Rezension von Nicola König

Es sollte eine Überraschungsreise werden, als Martin morgens mit seinem Bruder Charlie heimlich nach Cornwall aufbricht. Im Gepäck: eine Keksdose, zu wenig Geld, eine Mitreisende mit einer Bombe, ein Lyrikheft, die Polizei und die Eltern auf den Fersen, ein Familiengeheimnis und die Sorge, rechtzeitig vor Beginn der Flut in Cornwall einzutreffen – um den Delfin noch ein letztes Mal zu sehen. Die Roadmovie-Novelle ist komisch, rührend, spannend, nachdenklich und poetisch zugleich.

BuchtitelWie ein springender Delfin
AutorMark Lowery
GenreAbenteuer
Coming of Age
Gegenwart & Zeitgeschichte
Lesealter12+
Umfang221
VerlagRowohlt rotfuchs
ISBN978 3 499 217753
Preis14,99
Erscheinungsjahr2017

Martin (13) und Charlie (10) brechen gemeinsam nach Cornwall auf, um zum Ort des letzten Familienurlaubs zurückzukehren: An einen Ort, an dem sie im Hafenbecken jeden Abend einen Delfin gesehen haben. Martin aber muss auf seinen Bruder aufpassen, denn dieser ist nicht nur sein bester Kumpel, sondern vor allem kann er sich nicht mehr als zwei Sekunden konzentrieren, hat eine Herzschwäche, einen abartigen Geschmack und kein Gespür für Gefahren. Nicht nur die Eltern und die Polizei sind ihnen auf den Fersen. Die Reise im Zug ist Abenteuerroman und Roadmovie in einem: Die beiden begegnen unterschiedlichen Menschen, müssen sich bewähren, benötigen Geld, da ihnen die Zeit davonläuft.  Je länger die Reise andauert, desto mehr aber tritt die Vergangenheit in Form von Rückblenden in den Vordergrund: Das Ende des Familienurlaubs vor einem Jahr, der Sprung Charlies ins Wasser, um den Delfin zu retten, seine Krankheit, sein Tod. Erst kurz vor Schluss wird dem Leser bewusst, dass diese Reise zwar die zweier Brüder ist, Martin aber die ganze Zeit allein unterwegs war. Weder er noch seine Eltern konnten den Bruder loslassen und den Verlust verkraften. Als wolle Martin seine Eltern aufwecken und wieder zusammenführen, musste er diese Reise unternehmen, um seinen Bruder dorthin zu bringen, wo er so glücklich war.

Eine Leseprobe kann auf der Verlagsseite eingesehen werden.

Der Leser wird von dem sympathisch und authentisch dargestellten Martin durch den Roman geführt; auch wenn die Beweggründe der Reise zunächt im Unklaren bzw. ein Geheimnis bleiben, agiert er nachvollziehbar und stimmig. Sein kindlich-unbedarfter Blick auf die Welt und seinen Bruder problematisiert nicht, sondern erzählt: mit Originalität, ironischen Brüchen und hohem Tempo. Dabei ist die Beziehung zu Charlie von Zuneigung, sprachlichen Witz und überraschenden Wendungen gekennzeichnet. Die Personen, denen Martin unterwegs begegnet, vor allem der eigenwilligen Hen, erhöhen Spannung und Komik gleichermaßen. Hen sorgt mit ihrer unkonventionellen Lebensweise und ihre Kreativität für eine weibliche Perspektive und eine Weitung des Blicks. Sowohl Martin als auch der Leser sind so mit den Problemen nicht mehr alleine gelassen.

Die Handlung selbst steigt unmittelbar mit dem heimlichen Aufbruch von zu Hause ein: Die Kapitel sind dabei leserfreundlich und übersichtlich mit Angaben zur Reise (nächstes Etappenziel, Transportmittel, Entfernung) gegliedert: Obwohl zu Beginn noch unklar ist, warum Martin und Charlie wohin reisen, entsteht schon nach wenigen Seiten ein Erzählsog. Die eingeschobenen Gedichte Martins, die seine Gefühle reflektieren und im Rahmen eines Einpersonen-Lyrik-Workshop entstanden sind, beeinträchtigen diesen nicht: Sie können übersprungen werden, ohne das Verständnis zu erschweren. Für den ungeübteren Leser erweist es sich als geschicktes Erzählarrangement, dass die Rückblenden auf den ein Jahr zurückliegenden Familienurlaub und damit auf die Hintergründe der Reise erst spät einsetzen: Zu diesem Zeitpunkt sind dem Leser die Gewohnheiten und vor allem Witze der Figuren so vertraut, dass sie den Lesefluss nicht stören.

Die Wendung des Romans – der Tod Charlies, die Traumabewältigung der Familie und der Umstand, dass Martin die Reise alleine angetreten hat – ist überraschend, erschütternd, aber vor allem nicht belehrend oder moralisch wertend. Dadurch bleibt das Buch bis zum Ende komisch, originell, spannend und unendlich traurig zugleich – und der Leser legt gleichzeitig nachdenklich und versöhnt das Buch aus der Hand. Ein ungewöhnlicher Roman, der zum Reden einlädt.

Das Buch bietet sich als private Lektüre gleichermaßen wie als Klassenlektüre an. Die Spannung des Roadmovies, sein Witz sowie die übersichtliche Gestaltung der Kapitel ermöglichen auch dem ungeübteren Leser eine eigenständige private Lektüre. Im Rahmen einer unterrichtlichen Ganzschriftlektüren bieten die Stationen der Reise eine Aufnahme der Handlung. Die eingeschobenen Gedichte Martins bieten als Schreibanlässe produktionsorientierte Zugänge zum Erfassen des Innnenlebens des Protagonisten. Da erst im zweiten Teil des Romans die Beweggründe der Reise ins Zentrum rücken, kann sich auch die Gestaltung einer Unterrichtsreihe von der Aufnahme der Handlung, der Charakterisierung der Figuren hin zur Motivation der Handlung entwickeln.