Buchcover Jon Walter: Mein Name ist nicht Freitag

Der 12-jährige Samuel lebt Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinem Bruder Joshua in einem Waisenhaus....

Rezension von Ina Brendel-Kepser

Ein farbiger Junge aus dem Waisenhaus wird als Sklave verkauft. Doch Sam kann lesen und schreiben und vermittelt diese Fähigkeiten im Geheimen den anderen Sklaven auf der Farm. Ein großes Wagnis vor dem Hintergrund des amerikanischen Sezessionskrieges – eine spannende Lektüre mit brennend aktuellen Themen wie Freiheit und Gerechtigkeit.

BuchtitelMein Name ist nicht Freitag
AutorJon Walter
GenreGegenwart & Zeitgeschichte
Lesealter14+
Umfang448
VerlagKönigskinder
ISBN978-3-551-56020-9
Preis18,99
Erscheinungsjahr2017

Der 12-jährige Samuel lebt Mitte des 19. Jahrhunderts mit seinem Bruder Joshua in einem Waisenhaus. Während Samuel gottesfürchtig und wissbegierig ist, hat Joshua nur Unfug im Kopf, so dass der Pater, der das Waisenhaus für farbige Kinder leitet, Samuel besonders zugetan scheint. Ein misslicher Vorfall ist jedoch der Auslöser dafür, dass Samuel seinen Bruder decken will und der Pater ihn bestraft: Er wird eingesperrt und dann unter dem Namen Freitag als Sklave nach Mississippi verkauft.

Von nun an arbeitet er auf der Farm von Mrs Allen, deren Mann im Krieg ist. Samuel versucht anfangs zu verbergen, dass er lesen und schreiben kann, da dies den Sklaven verboten ist. Durch die Begegnung mit Gerald, dem Sohn des Hauses, der sich unerwartet mit ihm anfreundet, gelingt es Samuel schließlich unter großer Geheimhaltung, seine Fähigkeiten auch den anderen Sklaven beizubringen. Bei alledem vermittelt der Roman deutlich, unter welch grausamen Bedingungen die Sklaven leben und arbeiten. Als der Bürgerkrieg die Farm erreicht, wird Gerald erschossen und Samuel muss fliehen. Eine schwere Verletzung kostet ihn fast das Leben und entstellt ihn körperlich, doch erreicht er am Ende sein sehnlichstes Ziel und findet seinen Bruder Joshua wieder.

Eine Leseprobe kann auf der Verlagsseite eingesehen werden.

Der historische Jugendroman von Jon Walter über die Sklaverei im 19. Jahrhundert in Amerika verhandelt zentrale Themen wie Ungleichheit, Macht und Machtmissbrauch, aber auch Krieg und Flucht, die zugleich die großen Herausforderungen unserer Gegenwart darstellen. Daraus entsteht eine spannende Lektüre von aktueller Brisanz.

In einem Podiumsgespräch auf dem Internationalen Literaturfestival Berlin 2017 betont der Autor, dass er im Zusammenhang dieser Aspekte auch das Thema Glauben thematisieren wollte:  Neben die Kernfrage „Gibt es Gott?“ tritt im Roman die Frage nach der Vereinbarkeit der Prinzipien der weißen Plantagenbesitzer mit ihrem Glauben. Wichtig erscheint Walter der historische Kontext als Voraussetzung des Handelns seiner Figuren, nicht zuletzt auch als Aktivierung des Lesers: „Wir hätten wir zu dieser Zeit gehandelt?“

Der Protagonist ist ein gläubiger Junge und bezieht aus seinem Glauben die Kraft zum Durchhalten und zum Widerstand; aus der Gegenüberstellung seiner Wahrnehmung und der äußeren Umstände ergeben sich nicht selten auch unvermeidlich komische Situationen. Samuel eignet sich als Identifikationsfigur für junge männliche Leser sehr gut, denn egal wie groß die Widernisse sein mögen, er gibt nie auf, das eigene Leben in die Hand nehmen zu wollen. Daraus entsteht ein überzeugender Spannungsbogen, der trotz des erheblichen Umfangs der chronologisch erzählten Geschichte (einzige Ausnahme bildet der Einstieg), das Interesse des Lesers binden kann.

Vielschichtige Figuren wie z.B. der undurchschaubare Aufseher Hubbard oder auch die Farmbesitzerin Mrs Allen, die Samuel an die Seite gestellt werden, sind Teil des realistischen Porträts einer schwierigen Zeit. Überaus authentisch wirken die Schilderungen des Unrechts im Alltag auf der Farm und lösen beim Leser, vor allem vor dem Hintergrund ihrer historischen Verbürgung, große Betroffenheit aus. Dabei wird Sam zum Helden der Geschichte, denn es gelingt ihm, den anderen Sklaven Zugang zu Bildung zu ermöglichen und damit einen Befreiungsakt einzuleiten. Die über die Farm hereinbrechenden Auswirkungen des Sezessionskriegs bringen veränderte Notwendigkeiten mit sich, denen Sam sich, später schwer verletzt, erneut stellen muss.

Das Buch gliedert sich in zwei Hauptteile mit insgesamt 25 Kapiteln. Ein interessantes Nachwort ermöglicht Einblicke in den poetischen Schreibprozess des Autors beim Verfassen des Romans und liefert wichtige Informationen über die amerikanische Sklavenwirtschaft.

Das Buch eignet sich als Unterrichtslektüre für ein fächerübergreifendes Projekt mit Geschichte, Sozialkunde, Religion und Ethik. Hinführend lohnt sich der Vergleich der beiden Cover der englischen Taschenbuch- und Hardcoverausgabe mit dem Titelbild der deutschen Ausgabe, da jeweils andere Aspekte des Werks betont werden und so unterschiedliche Assoziationen und Erwartungen auslösen.

Mit weiteren thematisch ähnlichen Büchern sowie mit dem Film "12 years a slave" entsteht ein Medienpaket, mit dem sich intertextuellen und intermedialen Verweisen auf die Spur kommen lässt.
Vielleser und historisch interessierte junge Leser werden den Roman auch außerhalb des Unterrichts als spannende Lektüre schätzen.