Buchcover Eoin Colfer: Artemis Fowl

Artemis Fowl ist 12 Jahre alt, hochintelligent, skrupellos und der Erbe einer berühmten...

Rezension von Frederike Rathing

Artemis Fowl ist 12 Jahre alt, hochintelligent, skrupellos und der Erbe einer berühmten Verbrecherdynastie, deren Vermögen aufgebraucht ist. Er benimmt sich völlig unkindlich und ist scheinbar frei von Mitgefühl oder Liebe. Er interessiert sich für Technik und dafür, die Finanzen seiner Familie wieder herzustellen. Seine Mutter leidet seit dem mysteriösen Verschwinden des Vaters unter Wahnvorstellungen und Depressionen. Artemis‘ ständiger Begleiter ist sein Leibwächter und Freund Butler.
Artemis weiß von der Existenz der ‚Unterirdischen‘ – Feen, Elfen, Zentauren, Zwerge, Trolle und andere phantastische Wesen – die sich vor den Menschen strikt verborgen halten...

BuchtitelArtemis Fowl
AutorEoin Colfer
GenreFantasy
Lesealter12+
Umfang237 Seiten
Edition12
VerlagCarlsen
ISBN978-3551357793
Preis7,99 €

Artemis Fowl ist 12 Jahre alt, hochintelligent, skrupellos und der Erbe einer berühmten Verbrecherdynastie, deren Vermögen aufgebraucht ist. Er benimmt sich völlig unkindlich und ist scheinbar frei von Mitgefühl oder Liebe. Er interessiert sich für Technik und dafür, die Finanzen seiner Familie wieder herzustellen. Seine Mutter leidet seit dem mysteriösen Verschwinden des Vaters unter Wahnvorstellungen und Depressionen. Artemis‘ ständiger Begleiter ist sein Leibwächter und Freund Butler.

Artemis weiß von der Existenz der ‚Unterirdischen‘ – Feen, Elfen, Zentauren, Zwerge, Trolle und andere phantastische Wesen – die sich vor den Menschen strikt verborgen halten, indem sie unter der Erdoberfläche leben. Die Unterirdischen haben magische Kräfte sowie Technologien und Waffen, die den menschlichen weit überlegen sind.
Es gelingt Artemis, sich das Buch der Unterirdischen zu beschaffen und es zu entschlüsseln (für den Leser zieht sich eine codierte Nachricht, die er selbst entschlüsseln kann, über den unteren Rand der Buchseiten). So erhält er Beweise für die Existenz eines riesigen Goldschatzes.

Mit Butlers Hilfe entführt Artemis die Elfe Holly Short. Bei ihr handelt es sich jedoch nicht um ein friedliches Naturwesen, sondern um einen Captain der Zentralen Untergrund – Polizei. Artemis kontaktiert die ZUP und verlangt eine Tonne Gold im Austausch gegen Holly.

Nach einigen turbulenten Verwicklungen, spannenden Kampfszenen, actiongeladenen Verfolgungsjagden und einem finalen Endkampf auf dem Fowlschen Anwesen erhält Artemis tatsächlich das Gold und lässt Holly frei. Vorher gibt er ihr jedoch die Hälfte seiner Beute im Austausch gegen eine magische Heilung seiner Mutter – hier zeigt sich Artemis‘ mitfühlende, verzweifelte Seite.

Artemis Fowl gerät nicht schicksalhaft in sein Abenteuer, sondern steht vor der sich selbst gestellten Aufgabe, den Goldschatz der Unterirdischen zu finden und zu stehlen, d.h. er selbst fordert den Gegner – die Unterirdischen – wissentlich heraus. Er verlässt seine vertraute Welt bewusst und begeht absichtlich ein Verbrechen. Diese Umkehrung typischer Verhaltensbilder – der edle Held, der bösartige Antagonist – lässt die Geschichte interessant beginnen und macht den Reiz des Romans aus. Der Leser ist konstant aufgefordert, sein Interesse am ‚bösen‘ Protagonisten zu reflektieren. Dieser Held ist – in der Logik in der erzählten Welt – durchaus überzeugend. Er lädt auf Grund seiner Intelligenz, Souveränität und Coolness (vgl. das Buchcover: es zeigt die Silhouette des Titelhelden in entschlossener Pose, etwa wie James Bond) allerdings eher zu Bewunderung als zu totaler Identifikation ein, da seine explizit aufgezeigten negativen Eigenschaften überwiegen. Artemis zur Seite gestellt ist sein Diener und Leibwächter, der Butler heißt. Artemis selbst ist jedoch der handelnde Anführer, der den Ton angibt und Befehle erteilt. An Widersacher ist er nicht gewöhnt: Artemis Fowl wird von Anfang an als hochintelligenter Meisterdieb, der schon einige Verbrechen erfolgreich begangen hat, dargestellt. Interessanterweise bleibt der Protagonist der einzige Charakter des Romans, der mit der klaren Unterscheidung zwischen Gut und Böse bricht; alle anderen Figuren lassen sich schnell zuordnen und weisen wenige Brüche auf. Dass gelegentlich der Blickwinkel der Guten  - z.B. Holly und ihr Vorgesetzter Commander Root – eingenommen wird, erweitert das Verständnis des Lesers für Artemis und seine Taten, indem seiner Selbstwahrnehmung diese Außenperspektiven hinzugefügt werden. So bekommt der Leser die ‚richtige‘ Bewertung der Ereignisse präsentiert und wird wohl dennoch auf Artemis‘ Seite bleiben.

Der Held repräsentiert also gleichzeitig selbst die negativen Mächte, denen auch Einhalt geboten wird: Sein Coup gelingt zwar, jedoch wird Artemis insofern ‚bezwungen‘, dass er beginnt, seine Einstellung gegenüber den Unterirdischen zu überdenken (und schließlich, im Verlauf der Serie, zu ihrem Freund wird).

Seine egoistische Motivation, in das Abenteuer einzutreten, führt folgerichtig nicht zu einer klassischen Belohnung seiner Taten. Artemis gewinnt den Kampf und darf das Gold behalten; auch wird seine Mutter von ihren Depressionen geheilt. Eine öffentliche Anerkennung für all dies gibt es jedoch logischerweise nicht; sein Sieg bleibt ebenso geheim wie sein verbrecherisches Leben und die Existenz der Unterirdischen. Der herkömmlich aufgebaute Spannungsbogen, der aber sehr effektiv ist, findet also sein Ende in der Heimkehr des Helden in seine vertraute Umgebung, nicht ohne einige offene Fragen für den zweiten Band der Serie aufzuwerfen. Diese Umgebung gleicht zunächst zutiefst der realen Welt, mit Eintritt der Unterirdischen werden jedoch real existierende Gegebenheiten, z.B. Stonehenge, als ihre Spuren auf der Erdoberfläche aufgedeckt. So entsteht eine überzeugende erzählte Welt.

Die Erzählweise dieses Romans ist beinahe ausschließlich linear, dabei immer schnell und handlungsorientiert. Die Kapitel sind entsprechend kurz. Die Blickwinkel verschiedener Charaktere werden durch den allwissenden Erzähler aufbereitet, aber nicht vermischt oder gar gegeneinander gestellt. Der Wortschatz ist nicht allzu komplex, der Satzbau ist simpel. In der wörtlichen Rede wird viel Umgangssprache verwendet.

Zusammenfassend ist zu sagen: Das Buch eignet sich für actionbegeisterte Leser. Es zeichnet sich durch die gelungene Kombination von klassischen Fantasy-Elementen (Elfen, Feen, Zauberei, Natur) mit Elementen aus der Agenten- und Science-Fiction-Literatur (Technik, Waffen) aus. Der gebrochene bzw. unsympathische und böse Protagonist irritiert zunächst, besticht aber dennoch durch seine Intelligenz und einen kalten Charme. Um diese Kombination erkennen und genießen zu können, kann eine gewisse Lese- oder Film-Erfahrung hilfreich sein.

Im Unterricht könnte Artemis Fowl als ‚buchgewordener Actionfilm‘ intermedial und intertextuell aufbereitet werden.

Die in der Schriftsprache der Unterirdischen kodierte Nachricht, die sich durch das Buch zieht, lädt zum Rätseln, Dechiffrieren und der Auseinandersetzung mit Schrift/ Schreiben ein.

Artemis Fowl könnte vor allem Leser gewinnen, die sich für den stereotypen ‚guten Helden‘ nicht (mehr) begeistern können.